Viszeralchirurgie 2007; 42(3): 194-196
DOI: 10.1055/s-2007-960737
Das viszeralchirurgische Prüfungsgespräch

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Akuter Thoraxschmerz

Acute Chest PainJ. Pfannschmidt1 , H. Dienemann1
  • 1Chirurgische Abteilung der Thoraxklinik am Universitätsklinkum Heidelberg
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Publication Date:
27 June 2007 (online)

Es kommt ein 48 Jahre alter Mann mit linksseitig thorakalen Schmerzen zu Ihnen. Er berichtet von zunehmenden Schmerzen und Luftnot seit wenigen Stunden.
Welche differenzialdiagnostischen Überlegungen stellen Sie an?
Wie sollte die weitere Abklärung eines solchen Patienten erfolgen?

In Anbetracht des Alters des Patienten muss hier als Erstes die Differenzierung zwischen einem Thoraxschmerz kardialer und extrakardialer Ursache erfolgen. Im Weiteren ist die Abschätzung einer potenziell lebensbedrohlichen Situation dringlich.

Unter den potenziell lebensbedrohlichen Krankheitsbildern sind differenzialdiagnostisch zu unterscheiden:

akutes Koronarsyndrom Lungenarterienembolie Aortendissektion (Spannungs)Pneumothorax Ösophagusruptur.

Zur Abklärung sind, neben der Anamnese und dem körperlichen Untersuchungsbefund (thorakaler Untersuchungsbefund!), die konventionelle Röntgenuntersuchung des Thorax, EKG und die Serum-Laborbestimmung der kardialen Troponine und d-Dimere von zentraler Bedeutung.

Mit welcher Häufigkeit muss in der Notaufnahme eines Akutkrankenhauses mit Thoraxschmerzen kardialer Ätiologie gerechnet werden und wie unterscheidet sich die Schmerzqualität kardialer Schmerzen von denen extrakardialer Ursachen?

Episoden von Thoraxschmerzen kardialer Ursache finden sich in der Akutaufnahme in 45 bis 50 %. Während der extrakardiale Schmerz eher nadelstichartig, einschießend und oberflächlich imponiert, sind kardial bedingte Schmerzen eher von einem dumpfen Druck, Schweregefühl und Beklemmung begleitet. Die Schmerzlokalisation ist retrosternal, links oder rechtsthorakal mit Ausstrahlung in den linken Arm, Schulter, Hals oder Unterkiefer - extrakardiale Schmerzen imponieren eher druck-, berührungs-, lage- oder bewegungsabhängig.

Welche Ursachen extrakardialen Thoraxschmerzes sind differenzialdiagnostisch zu beachten?

Gastroösophageale Erkrankungen (z. B. Refluxkrankheit, Achalasie, Gastritis) muskuloskelettale Erkrankungen (z. B. vertebragene Thoraxschmerzen der HWS und BWS, Tietze-Syndrom, Herpes zoster) pleurale und pulmonale Erkrankungen (z. B. Pneumonie mit Begleitpleuritis, Pneumothorax, Lungenarterienembolie, Lungenabszess) abdominelle Erkrankungen (z. B. akute Pankreatitis, Cholezystitis, Cholelithiasis, Roemheld-Syndrom) Thoraxtrauma aortale und mediastinale Erkrankungen (z. B. Mediastinitis, Mediastinaltumor, Aneurysma dissecans) Somatisierungsstörungen (z. B. Angststörung, Depression, Hyperventilation).

Wie definiert sich der Pneumothorax nach Ursachen und klinischem Bild?
Welche Symptome sind typisch?

Nach Ursache:

Primärer (juveniler, idiopathischer) PneumothoraxHier finden sich ursächlich apikale subpleurale Blebs oder apikale Bulla / ae bei, in der Regel, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen. Sekundärer (symptomatischer) PneumothoraxHier kann eine Lungengerüsterkrankung, wie ein bullöses Emphysem oder COPD, aber auch eine Histiozytose X zugrunde liegen. Ist eine Pneumonie oder ein Bronchialkarzinom ursächlich, sind überwiegend Patienten in höherem Lebensalter betroffen.Als weitere Ursachen eines Pneumothorax finden sich traumatische und iatrogene Pneumothoraces.

Symptome und Klinik:

Ein heftig stechender, oft auch tagelang anhaltender Schmerz der betroffenen Thoraxseite und, bei sonst Lungengesunden, oft nur geringe Belastungsdyspnö bestimmen das klinische Bild. Selten wird heftiger Hustenreiz berichtet.

Bei der körperlichen Untersuchung findet man ein abgeschwächtes oder aufgehobenes Atemgeräusch, hypersonoren Klopfschall und fehlenden Stimmfremitus.

Zeichen eines Spannungspneumothorax sind Tachypnö, Tachykardie, Hypoxämie und Schock. Hier ist ein rasches diagnostisches und therapeutisches Handeln gefordert.

Welches therapeutische Vorgehen ist bei einem primären Pneumothorax indiziert?

Wenngleich bei einem diskreten mantelförmigen Pneuspalt von weniger als 2 Querfingern in der Exspirationsaufnahme auch ein abwartendes Verhalten diskutiert werden kann, so sollte in der Regel die Dränage mittels einer 24-28 Charrier-Dränage erfolgen. Nach Absaugung der Luft im Pneuspalt mit Wiederausdehnung der Lunge dient die Dränage der Pleurareizung mit Auslösung einer lokalen Verklebung der Pleurablätter. Bei persistierender Parenchymfistel oder bei nicht ausgedehnter Lunge ist ebenso die definitive operative Versorgung unumgänglich. Das operative Vorgehen, vorzugsweise in videoassistierter Technik (VATS), beinhaltet dabei die Resektion des Lungenapex mit vorhandenen Bullae oder Blebs, sowie die apikale Pleurodese.

Die Frage der prinzipiell durchzuführenden videoassistierten Thorakoskopie bei einem Erstereignis wird kontrovers diskutiert. Ein Argument für die sofortige Operation wird in der mit ca. 10 % deutlich geringeren Rezidivrate, gegenüber einer Rezidivrate von ca. 30 % nach alleiniger Dränagebehandlung, gesehen. Als gewichtiges Gegenargument muss jedoch angeführt werden, dass sich viele Patienten dabei einer unnötigen Operation unterziehen müssten.

Bei, in geübten Händen, geringer Morbidität des Eingriffs und dem in der Regel geringem Operationsrisiko der jungen Patienten, erscheint die primäre VATS beim Erstereignis vertretbar. Im Falle eines Rezidivgeschehens empfiehlt sich die Darstellung der Bullae im HR-CT; die Indikation zur anschließenden operativen Versorgung ist gegeben.

Welche Symptome finden sich als Hinweis auf ein Pleuraempyem und welche diagnostischen Maßnahmen sollten eingeleitet werden?

Klinisch stehen die Zeichen einer schweren Infektion im Vordergrund. Als charakteristische Symptome findet man Fieber, Husten, Abgeschlagenheit, Gewichtsabnahme, Appetitlosigkeit, Anämie und Thoraxschmerzen, die im Verlauf eher einem Druckgefühl weichen können. Neben klinischer Untersuchung, Routinelabor mit den Entzündungsparametern, und Röntgen-Bild des Thorax, sollte die Computertomografie des Thorax mit ggf. diagnostischer Punktion erfolgen. Das Punktat wird einer mikrobiellen und laborchemischen Analyse zugeführt.

Es erfolgt die Erregersuche: Kultur für Tbc, aerob / anaerob und ggf. Anfertigung eines Antibiogramms. Weiterhin sollte die chemische Analyse hinsichtlich des pH-Wertes, der Glukose- und des LDH-Gehaltes im Punktat erfolgen.

Welche Ursachen finden sich für das Pleuraempyem?

Pneumonie (para- / metapneumonisch) Lungenabszess Bronchiektasie Thoraxtrauma Operationen Dränagen, Punktionen TBC Lungeninfarkt Ösophagusruptur (Boerhaave-Syndrom).

Welche Komplikationen des Pleuraempyems können auftreten?

Septische hämatogene Streuung mit z. B. Hirnabszess oder Endo- / Myokarditis Lokal: Empyema necessitatis mit Durchbruch durch die Thoraxwand Chronische Pleuraschwarte mit funktioneller Restriktion

Wie sind die ATS (American Thoracic Society) - Stadien des Pleuraempyems definiert?

Stadium I: „Exsudative Phase” mit niedrigem Zellgehalt der Pleuraflüssigkeit und gut expandierbarer Lunge Stadium II: „Fibrinopurulente Phase”, parietale und viszerale Pleura mit Fibrin bedeckt, Septierung Stadium III: Vernarbung / Verschwartung „Organisations-phase” mit Fibrosierung der Pleurahöhle.

Was versteht man unter einer stadienabhängigen Therapie des Pleuraempyems?

Im Stadium I erfolgt die großlumige Dränage mit ggf. Spülbehandlung mittels physiologischer Kochsalzlösung. Im Stadium II erfolgt das in der Regel videoassistierte thorakoskopische Debridement mit anschließender Spülbehandlung. Zur Auflösung von Fibrinsepten kann im Einzelfall auch die enzymatische Lysebehandlung mit anschließender Spülbehandlung über liegende Thoraxdränagen durchgeführt werden. Die Behandlung im Stadium III besteht in der Regel in einer offenen Dekortikation der gesamten Empyemhöhle (Empyemektomie). Bei nicht expandierender Lunge kann für Patienten mit einem hohen operativen Risiko hinsichtlich einer Thorakotomie mit Dekortikation die Anlage eines Thorakostomas (Thoraxfenster) diskutiert werden.

Welche prinzipiellen Ursachen sind für die Entstehung eines Lungenabszesses verantwortlich?

Einschmelzung infolge bakterieller Infektion (Pneumonie) Gewebszerfall nach Durchblutungsstörung (Lungenembolie, Trauma) Zerstörung von Lungengewebe infolge Aspiration, z. B. Magensaft, Chemikalien mykotischer Befall bei immunkompromitierten Patienten Befall per continuitatem, z. B. Leberabszess, subphrenischer Abszess.

Beschreiben Sie die therapeutischen Möglichkeiten der Behandlung des Lungenabszesses?

Primär steht die Antibiotikatherapie im Vordergrund.

Bei größeren Abszessformationen kann die transthorakale oder endobronchiale Dränage angestrebt werden. Komplikationen wie broncho-pleurale Fistelbildungen sind durch Resektionsbehandlungen der fisteltragenden Lungenabschnitte angehbar.

Nennen Sie die unterschiedlichen Indikationen für die Einlage einer Thoraxdränage. Welche Position zur Einlage einer Thoraxdränage erscheint in der Notfallsituation bei einem Thoraxtrauma am sichersten?

Um nach Eröffnung der Thoraxhöhle im Rahmen von thorax-, herz- und viszeralchirurgischen Eingriffen die physiologischen Druckverhältnisse in der Brusthöhle wiederherzustellen, ist die postoperative Thoraxdränage notwendig. Eine weitere Indikation zur Einlage einer Thoraxdränge besteht bei Pleuraerguss, und hier häufig bei malignem Erguss. Die Indikation ist sowohl diagnostisch als auch therapeutisch begründet. Im Stadium I und II eines parapneumonischen Pleuraempyems sollte die Pleuradränageneinlage zur akuten Entlastung und im Stadium II zur Vorbereitung auf einen operativen Eingriff durchgeführt werden. Im Rahmen eines Thoraxtrauma mit Hämothorax und / oder traumatischem Pneumothorax sollte die Dränageneinlage unverzüglich und ggf. präklinisch erfolgen. Hier ist die Einlage im 2.-3. ICR in der Medioclavicularlinie (sog. Monaldi-Position), aufgrund der geringeren Gefahr von Fehlplatzierungen gegenüber der klassischen Einlage einer Dränage im 5. oder 6. ICR, vordere Axillarlinie (sog. Bülau-Position), zu bevorzugen.

Beschreiben Sie die Technik der Dränageneinlage. Nennen Sie mögliche Komplikationen bei Einlage einer Thoraxdränage

Grundsätzlich sollte ein ausreichend großkalibriger Dränageschlauch der Stärke 24-28 Charriere Verwendung finden. Die Einlage ist in Analgosedierung gut möglich. Nach entsprechender Lagerung erfolgt die Abdeckung des Operationsfeldes und nach ausreichender Lokalanästhesie zunächst die Probepunktion, um durch Aspiration Luft oder Erguss zuverlässig zu lokalisieren. Die Schnittführung über ca. 2-3 cm soll ein problemloses digitales Austasten der Brusthöhle ermöglichen. Nach Hautinzision wird mit der Schere subkutan bis über den Oberrand der Rippe präpariert, um Verletzungen des interkostalen Gefäß- und Nervenbündels zu vermeiden. Die Pleura parietalis wird mit der Schere oder digital perforiert und von einer Ergussentlastung bzw. einem Entweichen von intrathorakaler Luft begleitet. Es erfolgt das digitale Austasten intrathorakal, um eventuell vorhandene pleurale Verklebungen und Fehllagen zu beurteilen. Die Dränage wird dann mittels Kornzange so platziert, dass sämtliche Dränagelöcher intrathorakal platziert sind. Abschließend erfolgt die Fixation mittels Naht, Anschluss an ein vorbereitetes Dränagesystem und die Lagekontrolle durch eine Röntgenaufnahme des Thorax. Nach Entlastung größerer Ergussmengen oder nach Pneumothorax kann, im Einzelfall, ein Reexpansionsödem auftreten.

Komplikationen der Thoraxdränageneinlage sind, neben Fehlplatzierungen mit Hautemphysem, auch Begleitverletzungen an Lunge, Zwerchfell und Abdominalorganen, Blutungen aus Interkostalgefäßen sowie intrathorakalen Gefäßen. Es besteht grundsätzlich die Gefahr eines Pleuraempyems.

Besteht grundsätzlich die Notwendigkeit einer Sogbehandlung nach Einlage einer Thoraxdränage?
Wie geht man vor, wenn man eine Thoraxdränage entfernen möchte?

Unterschiedliche Dränagesysteme stehen zur Verfügung. Bei einem aktiven System wird durch eine Saugpumpe ein definierter Unterdruck, üblicherweise von - 15 bis - 25 cm Wassersäule, angelegt. Dies ermöglicht ein kontinuierliches Ableiten von Erguss und die Evakuation von intrathorakaler Luft. Durch den konstanten Unterdruck soll eine bessere Annäherung der Lunge an die Pleura parietalis erfolgen. Bei einem passiven System mündet das Schlauchsystem über ein Heberohr in eine Auffangflasche. Das Heberohr sollte dabei ca. 3-4 cm unterhalb des vorgefüllten Wasserspiegels reichen, um über ein System kommunizierender Röhren einen passiven Unterdruck, in Abhängigkeit von der relativen Höhe des Gefäßes zum Thorax, auszuüben (Wasserschloss). Ein Wasserschlosssystem ist vor allem zur besseren Mobilisation der Patienten und bei nicht vorhandener Fistelneigung von Vorteil.

Fördert eine Thoraxdränage keinerlei Luft und liegt die tägliche Fördermenge unter ca. 100 bis 150 ml pro Tag, so sollte sie bei einem Erwachsenen entfernt werden. In der alleinigen Dränagebehandlung des Spontanpneumothorax sollte die Dränageliegezeit jedoch einige Tage (3-6 Tage) betragen, um eine ausreichende Pleuritis induzieren zu können. Ob vor Dränageentfernung die Thoraxdränage grundsätzlich für 24 Stunden abgeklemmt werden sollte, ist nicht eindeutig klar entschieden. Der Vorteil der Abklemmung und radiologischen Kontrolle im geklemmten Zustand liegt bei eventuell auftretender erneuter Ergussbildung oder Pneumothorax in der Möglichkeit, die Dränage ohne weitere Maßnahmen direkt wiederanschließen zu können.

PD Dr. med. J. Pfannschmidt

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