Aktuelle Dermatologie 2007; 33(1/02): 39-41
DOI: 10.1055/s-2007-966084
Kasuistik

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kontaktallergie auf Nikotin

Contact Allergy to NicotineB.  M.  Hausen1
  • 1Dermatologisches Zentrum Buxtehude
Further Information

Prof. Dr. Björn M. Hausen

Dermatologisches Zentrum
Elbeklinikum Buxtehude

Am Krankenhaus 1

21614 Buxtehude

Publication History

Publication Date:
22 February 2007 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Zur Raucherentwöhnung setzte ein 70-jähriger Chirurg ein transdermales therapeutisches System (TTS) ein, das so genannte Nikotinpflaster. Nach einem halben Jahr entwickelte er ein allergisches Kontaktekzem an der Applikationsstelle mit Streuherden auf Brust, Armen und Beinen. In der Epikutantestung mit der Standardreihe, Desinfektions-, Konservierungsmitteln, Emulgatoren, Antioxidantien und typischen Berufsstoffen blieben alle Noxen negativ. Nur das Nikotinpflaster rief schon nach 24 Stunden eine starke Reaktion hervor. Der aufgeschlüsselte Test mit den Einzelkomponenten des Pflasters zeigte in der 72-Stunden-Ablesung eine +++-Reaktion ausschließlich auf Nikotin. Da es keine Alternative gab, fing der Patient wieder an zu rauchen. Die Literatur verzeichnet weitere zehn Fälle einer Kontaktallergie auf Nikotin.

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Abstract

A 70-year-old surgeon used a transdermal drug delivery system, containing 17.5 mg nicotine, for smoking cessation. Six months later he developed allergic contact dermatitis at the application site with redness, swelling and pruritus. Dissiminated reactions, spread to his chest, arms and legs, were seen as well. Epicutaneous tests with the standard series, disinfectants, preservatives, antioxidants, emulsifiers and occupational allergens such as methyl methacrylate, gentamycine, dimethyl-p-toluidine, hydroquinone and benzoyl peroxide remained negative. The only strong reaction observed was that caused by the transdermal therapeutic system (TTS) itself. A second test performed with the six constituents of the plaster, kindly provided by the manufacturer, resolved a +++-reaction solely to nicotine, 10 % in aqua. Ten further cases of contact allergy to nicotine in TTS-plasters have been published in the medical literature since 1989.

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Einleitung

Bei der Entwöhnung kann man Rauchern auf unterschiedliche Weise helfen. Zum Beispiel durch Anregung zur Selbstdisziplin, mittels Psycho- oder Suggestivtherapie, durch Akupunktur, Hypnose und andere, seltener praktizierte Methoden. In der modernen Nikotinsubstitution bediente man sich zunächst der Therapie mit Kautabak und Nikotinkaugummi, heute bevorzugt man die reduzierende Zufuhr der Noxe über ein transdermales therapeutisches System (TTS), das so genannte Nikotinpflaster. Das Aufbringen des Wirkstoffes auf die Haut ist jedoch mit einem erhöhten Sensibilisierungsrisiko verbunden, da sowohl das Nikotin als auch die Hilfsstoffe des Pflasters ihren Weg in den Organismus über die Langerhans-Zellen in der Epidermis nehmen. Eine sich am Applikationsort entwickelnde allergische Kontaktdermatitis kann die Folge sein.

Über einen solchen Vorfall bei der Raucherentwöhnung soll hier berichtet werden.

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Kasuistik

Ein 70-jähriger Chirurg, Jahrgang 1936, beschloss vier Jahre nach der Pensionierung, sich das Rauchen abzugewöhnen. Sechs Monate nach der Anwendung eines Nikotinpflasters entwickelte er eine Kontaktdermatitis an der Applikationsstelle ([Abb. 1]). Die zuletzt topisch zugeführte Nikotinmenge betrug 17,5 mg. Der Patient hatte mit dem Rauchen während der Vorbereitungen zum Staatsexamen begonnen und bis zur Umstellung auf das TTS-Pflaster 15 bis 17 Zigaretten pro Tag, in Stresssituationen auch mehr konsumiert. Er rauchte nur Zigaretten mit Filter.

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Abb. 1 Testreaktion auf das Nikotinpflaster.

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Befund

Anlässlich der Vorstellung bei seinem Hautarzt zeigten sich Streuherde des Ekzems an der Brust, an den Armen und in diskreterer Form auch an den Beinen.

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Allergologische Untersuchungen

Bei der ersten Konsultation wurde ein Epikutantest durchgeführt mit der Standardreihe, Desinfektions- und Konservierungsmitteln, Antioxidantien, Emulgatoren, Metoprolol, dem zuletzt verwendeten Nikotinpflaster und Nikotin. Letzteres stammte aus einer drei Jahre zurückliegenden Untersuchung an einem anderen Raucher. Von den Noxen seines früheren Berufes wählten wir Methylmethakrylat, Gentamycin, Dimethyltoluidin, Hydrochinon und Benzoylperoxid für die Testuntersuchung aus. Die Applikationsdauer betrug 24 Stunden, die Ablesung erfolgte in der 72. Stunde. Testort war der Rücken. Da das Nikotinpflaster bereits in der 24. Stunde eine Schwellung mit Erythem und Vesikeln hervorrief, baten wir den Hersteller um Zusendung der TTS-Inhaltsstoffe. Nach deren Eintreffen überführten wir die sechs Komponenten in eine testfähige Konzentration (Vehikel: Vaseline, Nikotin 10 % in Wasser) und unterzogen den Patienten einem zweiten Test.

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Ergebnis der Testuntersuchungen

In der ersten Untersuchung blieben alle Noxen der oben genannten Testreihen negativ. Das gealterte Nikotin ergab eine ?a-Reaktion. Im zweiten Test mit den Bestandteilen des TTS-Pflasters zeigte der Patient ausschließlich eine +++-Reaktion auf Nikotin. Die 10 %ige Verdünnung des frisch eingetroffenen Nikotins wurde nur an der Haut des Autors geprüft. Weitere Kontrollen erübrigten sich, da in der Literatur bereits genügend Aussagen zur empfohlenen Testkonzentration vorliegen.

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Therapie und Verlauf

Da es kein Ausweichpräparat gab, begann der Patient wieder zu rauchen. Sein heutiger Bedarf liegt bei 10 bis 13 Zigaretten.

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Diskussion

Trotz der durch den Test nachgewiesenen Kontaktallergie auf Nikotin beobachtete der Patient nach Wiederaufnahme des Rauchens weder ein Aufflammen der alten Herde noch Hautveränderungen an den Fingern oder den Lippen. Bis zum Eintritt der Sensibilisierung war exakt ein halbes Jahr vergangen.

Mit der Einführung von Nikotinpflastern begann man Mitte der 1980er Jahre, da sich die Therapie mit Nikotinkaugummi als nicht effizient genug erwiesen hatte [1] [2] [3]. Erytheme, Schwellungen und starken Juckreiz an der Applikationsstelle beobachtete man häufig. Doch handelte es sich dabei fast ausschließlich um irritative Reaktionen. So auch in dem hier nicht näher beschriebenen oben erwähnten Fall aus dem Jahre 2003. An eine Kontaktallergie auf Nikotin wollte man zunächst nicht so recht glauben [4], obwohl Eichelberg et al. bereits 1989 eindeutig beweisen konnten, dass fünf von 183 Anwendern des TTS-Pflasters eine Sensibilisierung gegenüber Nikotin erworben hatten [5]. Die Latenzzeit lag zwischen 16 und 28 Tagen. Dieser Zeitraum war bemerkenswert kürzer als beim hier geschilderten Fall. Zwei der Betroffenen entwickelten ein generalisiertes Ekzem. Die seither in der Literatur verzeichneten zehn weiteren Fälle (5 ♂, 5 ♀) [6] [7] [8] bestätigten die Tatsache, dass Nikotin der verantwortliche Sensibilisator ist. In anderen Studien an größeren Kollektiven lagen zwar eindeutige Hinweise auf eine Nikotinallergie vor, doch der beweisende Epikutantest mit Nikotin wurde nicht durchgeführt. Eine Kontaktallergie auf die Hilfsstoffe, nicht aber auf Nikotin, wird sehr selten beobachtet [9]. Im zitierten Fall [9] reagierte der Patient auf die Akrylat-Klebstoffe des TTS-Pflasters.

Mangels Alternative fingen alle Patienten mit einer nachgewiesenen Nikotinallergie wieder an zu rauchen.

Nikotin ist ein Alkaloid aus den Tabakpflanzen Nicotinia tabacum L. und Nicotinia rustica L. (Familie der Solanaceae). Es liegt in den Blättern in freier Form oder an Zitronen- und Maleinsäure gebunden in Konzentrationen bis zu 9 % vor. Trotz gangbarer Synthesen aus den Jahren 1893, 1904 und 1978 wird das Alkaloid ([Abb. 2]) auch heute noch größtenteils aus Tabakblättern extrahiert. Frisch gewonnenes Nikotin ist eine transparente, leicht gelblich gefärbte Flüssigkeit. Aufgrund seiner hygroskopischen Eigenschaft, Wasserdampfflüchtigkeit und hohen Empfindlichkeit gegenüber Sauerstoff und UV-Strahlung verfärbt sich die Verbindung innerhalb kurzer Zeit braun und zerfällt dabei in unwirksame Abbauprodukte ([Abb. 3]). Aufgrund dieser Beobachtung lässt sich die oben geschilderte schwache Testreaktion unseres ersten Tests unschwer auf die Instabilität des aus dem Jahre 2003 stammenden Nikotins zurückführen. Nikotin wird leicht von der Haut resorbiert, ist irritativ und toxisch. Todesfälle durch versehentliches oder absichtliches Verschlucken von Tabak werden in Toxikologiehandbüchern mehrfach erwähnt. Auf die gesundheitsschädigende Wirkung des Rauchens soll hier nicht näher eingegangen werden. Dazu liegen Hunderte von Büchern und Tausende von wissenschaftlichen Arbeiten vor.

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Abb. 2 Struktur des Nikotins.

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Abb. 3 Frisches (links) und gealtertes Nikotin.

Möglicherweise wäre man der allergenen Wirkung des Nikotins schon früher auf die Spur gekommen, hätte man dessen Instabilität berücksichtigt, bei der Herstellung von Extrakten nicht zu hohe Temperaturen verwendet und für den Epikutantest nur frisch gewonnenes Nikotin eingesetzt.

Beobachtungen irritativer und - nach unserer heutigen Kenntnis - möglicherweise auch als allergisch zu interpretierender Veränderungen der Haut nach direktem, intensivem Kontakt mit Tabak liegen in größerer Zahl aus den vergangenen 170 Jahren vor. Foville berichtete bereits im Jahre 1834 über französische Soldaten, die ihren Tabak unter dem Helm direkt auf der Kopfhaut trugen [10]. Abramowitz sah ein hartnäckiges Fingerkuppenekzem bei einem 54-jährigen Mann, der seinen Kautabak seit zwei Jahren lose in der Hosentasche trug [11]. Nissen Deacon schildert eingehend die Angewohnheit italienischer Soldaten, sich durch Einweichen von Tabak und dessen Befestigung mit einer Bandage in der Achselhöhle über Nacht so schwere Hautveränderungen zuzufügen, dass man sie für mehrere Tage vom Militärdienst freistellen musste [12]. Von Jones und Morris stammt der Hinweis, Kinder großflächig mit Tabakresten aus einer Pfeife einzureiben, um sie vom Ringwurmbefall zu kurieren [13].

Auf der Suche nach dem möglichen Allergen führte man schon von den 1920er Jahren an Epikutantests an Personen durch, die beim Rauchen, bei der Ernte oder der Zigarren- und Zigarettenherstellung Kontakt mit Tabak hatten. Häufig klebte man grüne, getrocknete oder mazerierte Blätter direkt auf die Haut [14] [15] [16] und testete gelegentlich auch Nikotin selbst [14] [17] [18] [19] [20]. Positive Reaktionen auf Tabakblätter und negative bei Kontrollpersonen verstärkten den Verdacht, es müsse sich um eine Kontaktallergie handeln. Das Ergebnis mit Nikotin fiel jedoch einmal positiv, das andere Mal negativ aus. Lovell [21] versuchte durch dünnschichtchromatographische Aufbereitung eines Etherextrakts das Allergen zu isolieren. Da er keinen Erfolg hatte, schloss er ebenso so wie schon vor ihm andere Autoren [17] [22] [23] Nikotin als Sensibilisator aus. Über die Herkunft oder die Gewinnung, das Alter und die Stabilität des Nikotins gibt fast keine der genannten Arbeiten Auskunft. In so manchem Fall könnte es bereits inaktiv gewesen sein.

Dabei war Karrenberg der Identifizierung des Allergens schon 1928 sehr nahe, als er umfangreiche Untersuchungen in einer Zigarettenfabrik vornahm [24]. Seine 48-jährige Patientin litt unter schweren, rezidivierenden Hautveränderungen im Gesicht, am Hals und an den Händen. Wie viele der anderen Arbeiterinnen hatte sie die Aufgabe, die bei der Anlieferung zusammenklebenden oder gepressten Tabakblätter vorsichtig voneinander zu trennen und auf ein Transportband zu legen („Löserin”). Karrenberg isolierte das Nikotin frisch aus den Tabakblättern und rieb es der Patientin in unterschiedlichen Konzentrationen in die „oberflächlich angeschabte” Haut ein. Sie reagierte noch auf eine Verdünnung von 1 : 1 Million. Alle Kontrollen blieben negativ. In der Diskussion seiner Untersuchungsergebnisse äußerte er die Gewissheit, nur Nikotin selbst könne das gesuchte Allergen sein.

Gegenüber der Vielzahl an Sensibilisierungen auf Clonidin, Nitroglycerin, Glycerintrinitrat, Östradiol, Norethisteronacetat und andere Wirkstoffe aus transdermalen therapeutischen Systemen ist jene auf Nikotin auffallend selten. Bei den oben genannten beobachtete man auch häufiger eine allergische Reaktion auf die Hilfsstoffe, nicht aber auf den Wirkstoff.

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Literatur

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Prof. Dr. Björn M. Hausen

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Elbeklinikum Buxtehude

Am Krankenhaus 1

21614 Buxtehude

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Abb. 1 Testreaktion auf das Nikotinpflaster.

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Abb. 2 Struktur des Nikotins.

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Abb. 3 Frisches (links) und gealtertes Nikotin.