Krankenhaushygiene up2date 2006; 1(1): 1-2
DOI: 10.1055/s-2007-966138
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Krankenhaushygiene: Der Dialog ist das Ziel

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Publication Date:
16 January 2007 (online)

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    Die Feststellung, dass „Hygiene” im Krankenhaus und allgemein im Umgang mit Patienten notwendig ist, wird wohl kaum auf Widerspruch stoßen. Doch was ist damit gemeint? Nur wenige medizinische Fachbegriffe sind in der jüngeren Vergangenheit so grundlegend pervertiert und missbraucht worden wie der Begriff „Hygiene”. Bis heute verbinden viele Menschen mit diesem Begriff irrationale und zwanghafte Vorstellungen von Sauberkeit und Keimfreiheit, und immer noch werden diese unwissenschaftlichen Vorstellungen mit den Zielen des wissenschaftlichen Faches Krankenhaushygiene verwechselt.

    Die hier als erstes Heft vorliegende Zeitschrift Krankenhaushygiene up2date will Sie auf rationale und wissenschaftlich fundierte Weise über aktuelle Aspekte der Krankenhaushygiene informieren. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, soll der Begriff „Krankenhaushygiene” zunächst eine zeitgemäße Definition erhalten:


    Krankenhaushygiene ist die Prävention von nosokomialen Infektionen und Antibiotikaresistenzen.

    Während die Prävention nosokomialer Infektionen schon immer das Ziel der Krankenhaushygiene war, ist die Beschäftigung mit dem zunehmenden Wirksamkeitsverlust der Antibiotika erst in den letzten 15-20 Jahren zum Aufgabenbereich der Krankenhaushygiene hinzugekommen. Das wachsende Problem der Multiresistenzen hat für die öffentlichkeit einen solch hohen Stellenwert, dass der Gesetzgeber dies sogar im Infektionsschutzgesetz verankert hat. Das Ziel ist, Maßnahmen zur Prävention von Entstehung und Verbreitung multiresistenter Erreger so frühzeitig in die Wege zu leiten, dass solche Infektionen weitestgehend verhindert werden, die mit Antibiotika nicht mehr oder nur noch in sehr eingeschränkter Weise therapierbar sind.

    Gemeint ist mit der oben genannten Definition nicht nur die Prävention exogener Infektionen (verursacht durch Infektionserreger, die von außen in den Körper eindringen), sondern auch die Prävention endogener Infektionen (aus dem Reservoir der körpereigenen Flora). Nosokomiale Infektionen entstehen am häufigsten aus dem endogenen Erregerreservoir, weshalb die Antibiotikatherapie für die Entstehung resistenter Infektionserreger so bedeutsam ist. Doch auch das Risiko endogener Infektionen kann zumindest teilweise reduziert werden, z. B. durch bestimmte Pflegetechniken oder perioperative Antibiotikaprophylaxe. Solche Maßnahmen beeinflussen das ärztliche und pflegerische Handeln oft unmittelbar und gehen weit über die traditionellen Betätigungsfelder der Hygiene hinaus.

    Um die oben genannte Definition des Begriffes „Krankenhaushygiene” richtig interpretieren zu können, bedarf es ferner einer Definition des Begriffes „nosokomiale Infektion” (oder „Krankenhausinfektion”). Eine juristische Definition findet sich in § 2 (8) des Infektionsschutzgesetzes. Demnach sind nosokomiale Infektionen dadurch gekennzeichnet, dass sie in einem zeitlichen Zusammenhang mit einer medizinischen Maßnahme stehen. Selbstverständlich stehen sie aber auch in einem ursächlichen Zusammenhang mit medizinischen Maßnahmen. Wie sonst sollte man eine Blasenkatheter-assoziierte Harnwegsinfektion bzw. Beatmungs-assoziierte Pneumonie erwerben, wenn nicht infolge solcher invasiven Maßnahmen? Man darf nur den Begriff „ursächlich” bzw. „kausal” nicht mit „verschuldet” gleichsetzen, was häufig immer noch geschieht. Dieses Missverständnis führt nicht selten zu irrationalen ängsten vor der Krankenhaushygiene (deren Ziel nicht die Schuldzuweisung, sondern die Prävention ist) und trägt damit eher zur Entstehung nosokomialer Infektionen bei.

    Weiterhin beschränkt sich der Begriff „nosokomiale Infektion” nicht nur auf Infektionen, die während eines stationären Aufenthaltes erworben wurden, sondern schließt auch die ambulante Patientenversorgung, Krankenhaus-Personal und ggf. Besucher mit ein. Deshalb wird der Begriff „nosokomial” in der englischen Sprache zunehmend ersetzt durch den Begriff „health-care-associated”, also „in Zusammenhang mit einer medizinischen Maßnahme”, was den Sachverhalt viel treffender charakterisiert. Krankenhaushygiene up2date wird sich auch mit dieser veränderten Sicht nosokomialer Infektionen befassen, wobei der Schwerpunkt auf dem Patientenschutz liegen wird. Der Personalschutz wird jedoch nicht ausgeblendet werden, denn sowohl Patienten- als auch Personalschutz operieren oft mit Maßnahmen, die gleichzeitig dem Schutz beider Personengruppen dienen.

    Krankenhaushygiene up2date sieht sich daneben auch der Aufgabe verpflichtet, die für die Prävention zur Verfügung stehenden knappen Ressourcen rational und ökonomisch einzusetzen. Teilweise werden unter Verweis auf so genannte (formal gar nicht existierende) „Hygienevorschriften” immer noch Maßnahmen ohne jeden präventiven Nutzen durchgeführt. Auf solche Missstände und „alten Zöpfe” hinzuweisen ist nicht nur aus wirtschaftlicher, sondern auch aus ethischer Sicht geboten. Denn Ressourcen, die für unwirksame Maßnahmen vergeudet werden, stehen für wirksame Maßnahmen nicht mehr zur Verfügung.

    Die Themen, mit denen sich Krankenhaushygiene up2date befasst, sind somit klar umrissen. Sie umfassen die im Rahmen der Patientenversorgung auftretenden infektiösen Risiken und liefern somit die Grundlage für einen wesentlichen Teil des in Krankenhaus und Praxis erforderlichen Qualitätsmanagements.

    Eine zeitgemäße Krankenhaushygiene muss dem medizinischen Personal in verständlicher und praxisbezogener Form industrieunabhängige, wissenschaftlich fundierte und, wenn möglich, auch praxiserprobte Hygienestandards vermitteln und helfen, vermeidbare Infektionen auch wirklich zu vermeiden. Mit Krankenhaushygiene up2date möchten wir Ihnen vor allem eine gut recherchierte und optimal aufbereitete Fortbildung zu allen o. g. Aspekten der Krankenhaushygiene bieten. Wir möchten damit nicht zuletzt für das klinisch tätige Personal ein Klima fördern, in dem ein Dialog mit dem jeweiligen Hygienefachpersonal möglich wird. Denn die Krankenhaushygiene muss mit den „Anwendern” in einen fachlichen Diskurs treten und aufhören, auf - meist auch nur vermeintliche - haftungsrechtliche Konsequenzen hinzuweisen, wenn bestimmte Empfehlungen nicht umgesetzt werden.

    Die in Krankenhaushygiene up2date vierteljährlich erscheinenden Artikel sollen Ihnen deshalb in übersichtlicher Gestaltung und mit praktisch relevantem Inhalt einen kritisch-analytischen überblick vermitteln über Lehrmeinungen, wissenschaftlich fundierte Empfehlungen und bewährte Standards. Dazu gehört auch, auf ungelöste Fragen hinzuweisen. Denn wie in anderen medizinischen Fächern gibt es auch in der Krankenhaushygiene etliche Fragen, die nicht klar beantwortet werden können. Das hat aber für das medizinische Personal oft den Vorteil, dass verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Welche Möglichkeiten dies im konkreten Fall sein können, wollen wir Ihnen ebenso vermitteln wie die klaren Antworten, wenn es sie gibt. Unsere Artikel sollen Sie natürlich auch dazu anregen, fragwürdige (vielleicht immer noch weit verbreitete, weil zur liebgewordenen Gewohnheit gewordene) Maßnahmen zu hinterfragen - und letztlich aufzugeben.

    Um Ihnen für die Archivierung der Beiträge eine schlüssige Systematik an die Hand zu geben, haben wir die Rubriken 1. Hygienemaßnahmen, 2. Nosokomiale Infektionen, 3. Antibiotikaanwendung, 4. Reinigung, Desinfektion, Sterilisation, 5. Technische und bauliche Aspekte und 6. ökonomie und Recht gewählt. Den Zwängen der Zeit entsprechend bekommen Sie zudem die Möglichkeit, nach konzentrierter Lektüre durch Beantwortung der jedem Artikel folgenden CME-Fragen Ihr Fortbildungssoll abzubauen.

    Wir hoffen, Sie mit unserer neuen Zeitschrift anzusprechen und Sie langfristig als engagierte, kritische Leser gewinnen zu können.

    Ines Kappstein, Heinz-Michael Just,

    Roland Schulze-Röbbecke