Einleitung
Einleitung
Ein großer Anteil des dermatologischen Patientenspektrums wird stationär eingewiesen mit dermatologischen Symptomen, die durch eine chronisch-venöse Insuffizienz (CVI) verursacht werden, wie Varizenblutungen, Stauungsdermatitis, Dermatolipofasziosklerose, Varikophlebitiden oder Ulcera crurum venosa. Im Rahmen von Folgeerkrankungen der CVI sind nicht nur das individuelle Leiden des Patienten, sondern auch volkswirtschaftliche Aspekte von großer Bedeutung. Jede 5. Frau und jeder 6. Mann in Deutschland leidet an einer CVI. Nur 10 % der Bevölkerung hat ein völlig intaktes Venensystem [1 ]. Die Diagnose „Varizen der unteren Extremität” lag 2004 im stationären Bereich an siebter Stelle aller Krankheiten [2 ]. Die Prävention des Ulcus cruris venosum im Rahmen der konservativen und operativen Phlebologie nimmt in unserer Klinik aufgrund der steigenden Anzahl von Erkrankten einen immer wichtigeren Raum ein.
Klinische Symptome
Klinische Symptome
Für das frühe Erkennen eines Venenleidens tragen nicht nur apparative Untersuchungsmethoden, sondern auch anamnestische und klinische Hinweise bei, wie familiäre Disposition, mehrfache Schwangerschaften, frühere Phlebothrombosen, Spannungs- und Schweregefühl sowie Beschwerdezunahme bei Wärme oder nach langem Stehen, Kribbeln, Juckreiz und Wadenkrämpfe. Bei der klinischen Inspektion fallen die Corona phlebectatica paraplantaris und die Stauungsdermatitis als frühe Symptome, Atrophie blanche, Purpura jaune d’ócre und postinflammatorische Hyperpigmentierung, Dermatolipofasziosklerose, Hypodermitis (Pseudoerysipel) oder die seltenere Akroangiodermatitis Mali bei fortgeschrittener CVI, häufig bei Stadium II nach Widmer bzw. Stadium C4 der CEAP-Klassifikation, auf. Rezidivierende Ekzeme über insuffizienten Perforansvenen und über Varizen in typischer Lokalisation am distalen Unterschenkeldrittel werden beobachtet [3 ].
Diagnostik
Diagnostik
Die Palpation im Stehen gibt Aufschlüsse über Faszienlücken und „Blow-Outs”. Orientierende Venenfunktionstests lassen sich mit einfachen Mitteln durchführen: Beim Perthes-Test (1895) mit Tourniquet oberhalb des Knies entleeren sich die Varizen zum Zeichen der Wegsamkeit der tiefen Venen beim Herumgehen [4 ]. Beim Trendelenburg-Test mit Tourniquet am Oberschenkel wird die Vena saphena magna (VSM) in Horizontallage ausgestrichen. Füllt sich die VSM innerhalb von 30 Sekunden nach dem Aufstehen des Patienten nicht, spricht dies für suffiziente Perforantes, ein rasches Auffüllen der VSM von proximal her nach Lösen des Tourniquets spricht für eine Krosseninsuffizienz.
An apparativen Untersuchungen haben sich die Dopplersonographie und die Duplexsonographie als nichtinvasive, zuverlässige Methoden zur Untersuchung Venenkranker in der Praxis durchgesetzt. Mit der Phlebographie lässt sich die Klappenmorphologie, jedoch weniger die Klappenfunktion beurteilen, so dass sich bei einer relativen Klappeninsuffizienz Schwierigkeiten ergeben, sofern nicht eine spezielle Technik wie die retrograde Pressphlebographie zum Einsatz kommt. Die Indikation der Phlebographie kann sich aus der Notwendigkeit heraus ergeben, über das Ergebnis der Ultraschalluntersuchungen hinaus spezielle Informationen zu erhalten, z. B. bei einer sekundären Leitveneninsuffizienz, einer inkompletten Stammvarikose oder einer Rezidivvarikose vor erneuter Operation. Zunehmende Bedeutung erlangte seit den 1970er Jahren die digitale Photoplethysmographie (D-PPG) bzw. die Lichtreflexionsrheographie (LRR). Diese Methode erlaubt eine quantitative Aussage zum funktionellen Schweregrad der CVI und ist außerdem wertvoll, um den Nutzen einer Operation prädiktiv einzuschätzen sowie die funktionelle Besserung nach der Therapie zu verifizieren [5 ]. Die D-PPG wird mit und ohne Tourniquet-Test durchgeführt, um zu zeigen, in welchem Maße eine CVI, welche sich häufig aus einer extra- und intrafaszialen Insuffizienz zusammensetzt, durch Ausschalten der Varikosis verbesserbar ist. Im Rahmen der D-PPG ist auch das Problem einer fälschlich nicht-verbesserbaren CVI, die durch multiple Perforansinsuffizienzen distal des Tourniquets vorgetäuscht werden kann, bekannt. Eine solche in der D-PPG falsch nicht-besserbare CVI ist dann anzunehmen, wenn die tiefe Doppleruntersuchung keine tiefen Refluxe zeigt. Fehlerquellen bei der D-PPG können die Lage der Messsonde über einem Blow-Out und über hyperpigmentierter Haut oder eine mangelnde Dorsalflexion im oberen Sprunggelenk darstellen [6 ].
Zur Basisdiagnostik gehören in unserer Klinik die oberflächliche und tiefe Refluxdiagnostik mittels Dopplersonographie und die farbkodierte Duplexsonographie (FKDS) sowie die Bestimmung des Knöchel-Arm-Indexes (KAI) zur Abklärung einer zusätzlichen peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK). Da bei ungefähr zwei Dritteln der Patienten mit PAVK diese nicht diagnostiziert wird und der KAI eine Sensitivität von 95 % und eine Spezifität von nahezu 100 % aufweist, ist diese Methode als einfaches und preiswertes Screening zur Diagnose einer PAVK sehr gut geeignet [7 ].
Bei spezielleren Fragestellungen und bei der Kombination mit arteriellen Gefäßerkrankungen besteht eine enge Zusammenarbeit mit dem Gefäßzentrum des Städtischen Klinikums Dessau, zu dem auch die Hautklinik und das Immunologische Zentrum gehören. Hier stehen auch die periphere Phlebodynamometrie, bei welcher ein Druckmonitoring genauere Informationen über die pathophysiologischen Bedingungen bei Belastung auf dem Laufbandergometer liefert, sowie zur Beurteilung der nutritiven Hautddurchblutung die transkutane Sauerstoffpartialdruckmessung zur Verfügung.
Stadieneinteilung
Stadieneinteilung
In der Praxis hat sich die klinische Einteilung der Stammvarikose der VSM in vier Stadien nach Hach und der Stammvarikose der Vena saphena parva (VSP) in drei Stadien nach Hach bewährt. Einen Perforans-vermittelten Magnareflux bezeichnete Hach als inkomplette Stammvarikosis vom Perforanstyp, einen seitenastvermittelten Magnareflux als inkomplette Stammvarikosis vom Seitenasttyp bzw. als Stammvarikose im Stadium I im Falle einer varikösen Vena accessoria lateralis und abnormal großem Mündungstrichter in der Leiste [2 ]. Bei der inkompletten Stammvarikose können bei der Ultraschalluntersuchung so genannte „paradoxe Refluxphänomene”, die durch einen negativen Valsalva in der proximalen VSM und einen positiven Valsalva in einem distalen Segment gekennzeichnet sind, resultieren. Das Paradoxphänomen weist auf komplexe Refluxbeziehungen hin und macht eine tiefe Refluxdiagnostik der Vena iliaca externa und der Vena femoralis zur Abklärung erforderlich. Schultz-Ehrenburg und Hübner unterschieden zudem einfache von versteckten atypischen Refluxen der Stammvenen [6 ]. Ein typischer Reflux hält sich danach an den Verlauf eines Venenstammes oder Seitenastes, ein atypischer Reflux überspringt bestimmte proximale Venenabschnitte nach Art eines Umgehungskreislaufes. Die Aussagefähigkeit der Dopplersonografie über insuffiziente Gefäßverbindungen ist in der [Tab. 1 ] dargestellt [6 ].
Tab. 1 Einteilung in einfache und versteckte atypische Refluxe nach der untersuchungstechnischen Zugänglichkeit der Dopplersonde [6 ]
Einfache atypische Relfuxe
1. Seitenast-vermittelter Magnareflux
2. Insuffiziente, doppelläufige VSM
3. Vena-pudenda-externa-vermittelter Magnareflux
4. Hoch einmündende, insuffiziente VSM (mit negativem Valsalva-Test über der Vena iliaca externa)
5. VSM-vermittelter Parvareflux
Versteckte atypische Refluxe
1. Perforansvenen-vermittelter Magnareflux
2. Perforansvenen-vermittelter Reflux des lateralen Venensystems (über Perforantes zur Vena profunda femoris)
3. Vena-femoropoplitea-vermittelter Parvareflux
4. Hoher Vena-femoropoplitea-vermittelter Parvareflux
5. Vena-iliaca-interna-vermittelter Femoralisreflux (über die Venae obturatoria und circumflexa femoris medialis)
6. Vena-iliaca-interna-vermittelter Popliteareflux (über die Venae obturatoria, circumflexa femoris medialis und profunda femoris)
Durch die Einführung der CEAP-Klassifikation 1995 wurde im Gegensatz zu anderen Klassifikationen (z. B. nach Marshall, nach Widmer oder dem Sklerose-Faszien-Score) eine präzise und multifaktorielle Beurteilung der CVI nach klinischen (C), ätiologischen (E), anatomischen (A) und pathologischen (P) Aspekten ermöglicht. Der Vorteil liegt vor allem in einer guten Verlaufsbeurteilbarkeit zum Beispiel in Studien, da ein Patient jederzeit neu eingestuft werden kann [8 ].
Therapieoptionen
Therapieoptionen
Zu den in Deutschland durchgeführten Varizentherapien gehören Strippingverfahren, die lokale Phlebektomie, das Kryostripping, die duplexgesteuerte Schaumverödung mit Polidocanol, die endoluminale Lasertherapie, die Radiowellentherapie, „Cure conservatrice et hémodynamique de l'insuffisance veineuse en ambulatoire” (CHIVA) und die transilluminierte Phlebektomie [9 ]
[10 ]. In unserer Klinik bieten wir Strippingverfahren, die Schaumverödung und die endoluminale Lasertherapie an.
Zurzeit werden weltweit mehrere Operationsverfahren häufig zur Therapie der Varikosis eingesetzt: Die partielle Saphenaresektion nach Hach (1981), das Stripping-Manöver nach Nabatoff (1953), die Babcock-Methode (1907), die Invaginationsmethode nach Van der Stricht (1963), das Perforanten-Invaginationsstripping (PIN-Stripper-Methode) nach Oesch (1998), die Krossektomie nach Novaro, beschrieben durch Moro (1910) und die extraluminale Valvuloplastik nach Jessup (1988) [2 ]
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[16 ]. Im Rahmen dieses Beitrages soll zunächst auf die von uns favorisierte Operationsmethode der Stammvarikose der VSM, in weiteren Abschnitten auf die Schaumsklerosierung sowie die Vakuumpumpentherapie des Ulcus cruris als wichtige konservative Maßnahmen eingegangen werden.
Exhairese der VSM
Wir operieren die Stammvarikose der VSM in einem kombinierten Vorgehen nach den Verfahren nach Novaro, Babcock, Hach, Van der Strich und Nabatoff, welches sich an unserer Klinik bewährt hat. Präoperativ wird der Varizenverlauf ultraschallkontrolliert markiert ([Abb. 1 ]). Im Bereich der distalen VSM wird eine kleine längsverlaufende Inzision von max. 1 cm vorgenommen. Dabei wird die distale VSM aufgesucht, mit zwei Klemmen doppelt unterbunden und zwischen den Klemmen durchtrennt. Zugleich werden distale kleine Seitenäste der VSM im Knöchelbereich ligiert. Die Stripper-Sonde wird in die abgesetze, distale VSM in Richtung der Krosse eingeführt ([Abb. 2 ]). Darauf folgt ein 3 bis 5 cm großer Schnitt inguinal im Bereich der Krosse. Sämtliche in die Krosse einmündende Seitenäste werden ligiert und durchtrennt. Die VSM wird an der Mündungsregion in die Vena femoralis communis am Foramen ovale freigelegt, angeschlungen und durchschnitten. Die eingeführte Sonde wird retrograd invaginierend mit der VSM herausgezogen. Der Kopf des Strippers wird aber nicht aus der sehr kleinen distalen Inzision herausgeführt, sondern am Faden nach proximal zurückgeholt ([Abb. 3 ]). Dabei ist darauf zu achten, dass die gesamten relevanten Perforantes mittels kleiner Längsinzisionen von 5 - 7 mm vorher ligiert und durchtrennt worden sind, was sich oft zeitintensiv gestaltet ([Abb. 4 ]). Bei der Operation legen wir großen Wert auf die Perforans-Ligaturen der relevanten medialen als auch der lateralen Perforansvenen, die unbehandelt für die Genese des Ulcus cruris venosum eine bedeutsame Rolle spielen.
Abb. 1 Anzeichnung der dilatierten VSM und ihrer varikösen Seitenäste.
Abb. 2 Einbringung der Stripper-Sonde in die distale VSM.
Abb. 3 Zurückholen des Stripper-Kopfes an der proximalen Inzision.
Abb. 4 Ligatur sämtlicher insuffizienter Perforantes.
Unter den diversen möglichen Anästhesieverfahren bevorzugen wir je nach den allgemeinen und speziellen Bedingungen im individuellen Krankheitsfall entweder die Allgemeinanästhesie mit der Larynxmaske oder die Tumeszenzanästhesie als Lokalanästhesie. Vorteile der Tumeszenzanästhesie sind die Möglichkeit der kompletten Anästhesie großer Areale, der Ausgleich intraoperativer Flüssigkeitsverluste und nicht zuletzt eine selbständige Mithilfe bei der Umlagerung des Patienten. Die Venen müssen vorher sorgfältig angezeichnet werden, um eine versehentliche Injektion der Tumeszenz-Lösung in die Venen zu vermeiden ([Abb. 5 ]). Die Methämoglobinbildung durch den Prilocain-Metaboliten o-Toluidin und die Volumenbelastung bei Patienten mit Herzinsuffizienz sind als mögliche Komplikationen zu beachten [17 ].
Abb. 5 Örtliche Betäubung entlang des Varizenverlaufes mit der Tumeszenz-Anästhesie.
Die immer wieder auftretende Frage nach einer Leitlinie zur postoperativen Thromboseprophylaxe gibt bis heute zu Diskussionen Anlass [18 ]. Nach Strippingoperationen sind zwar Kompressionstherapie und eine unmittelbare postoperative Mobilisierung essenzielle Bestandteile, die medikamentöse Thromboseprophylaxe gehört jedoch nicht zum Standard und sollte daher individuell auf den Patienten abgestimmt werden. Angeraten ist sie zum Beispiel bei Thrombophilie, bei Thrombophlebitiden, bei stattgehabten Thrombosen in der Anamnese sowie bei Tumorerkrankungen. Nach der Entlassung werden die Patienten nach 4 - 6 Wochen einbestellt und ggf. eine zusätzliche Schaumverödung als Anschlussbehandlung durchgeführt.
Konservative Maßnahmen
Konservative Maßnahmen
Sklerosierungsbehandlung
Für die Sklerosierungsbehandlung ist in Deutschland der flüssige Wirkstoff Polidocanol in Konzentrationen zwischen 0,25 % bis 4,0 % zugelassen. Im Falle der Flüssigsklerosierung haben sich die in der [Tab. 2 ] wiedergegebenen Anhaltswerte zur Konzentration und Menge von Polidocanol in Anlehnung an Stücker et al. bewährt [19 ]. Bei der Schaumsklerosierung wird das polidocanolhaltige Sklerosierungsmittel in einen weißen Schaum umgewandelt. Hierzu werden verschiedene Verfahren, die Technik nach Tessari, die Doppel-Spritzen-System-(DSS-)Technik oder die Methode nach Monfreux angewendet. Bei der von uns häufig eingesetzten Technik nach Tessari werden zwei Spritzen über einen Dreiwegehahn verbunden und durch Hin- und Herbewegen eine feinblasige, in niedrigen Konzentrationen flüssige, in höheren Konzentrationen visköse Schaumqualität erzeugt. Das Mischungsverhältnis von Sklerosierungsmittel zu Luft beträgt dabei 1 : 4 - 5 ([Abb. 6 ]). In Schaumform hat der Wirkstoff eine größere Oberfläche und eine längere Verweildauer in der Vene, so dass im Vergleich zur flüssigen Sklerosierung geringere Wirkstoffmengen benötigt werden. Insbesondere bei größeren und großen Varizen und der Rezidivvarikose ist das Ergebnis der Schaumsklerosierung oft anhaltender als bei der Flüssigsklerosierung. Der Patient muss vor der Behandlung mit Verödungsschaum über deren Nutzen und Risiko aufgeklärt werden und mit der Methode ausdrücklich einverstanden sein.
Abb. 6 Schaumherstellung nach der Tessari-Methode.
Tab. 2 Anhaltswerte für Menge und Konzentration der Polidocanol-Flüssigsklerosierung
Indikation Menge/Injektion Konzentration
Besenreiser 0,1 ml - 0,2 ml 0,25 % - 0,5 %
retikuläre Varizen 0,1 ml - 0,3 ml 0,25 % - 1,0 %
kleine Varizen 0,1 ml - 0,3 ml 1,0 %
mittelgroße Varizen 0,5 ml - 1,0 ml 2,0 % - 3,0 %,
große Varizen 1,0 ml - 2,0 ml 3,0 % - 4,0 %
Während im Falle der Sklerosierung von Besenreisern entweder flüssiges Polidocanol oder ein flüssiger, aber nicht visköser Schaum zum Einsatz kommen, wird ein visköser Schaum bei der Behandlung größerer subkutaner Varizen sowie der VSM verwendet. Bei der Verödungsbehandlung der VSM erfolgt die Punktion mit einer 18-Gauge-Kanüle 10 bis 25 cm distal der Krosse. Die korrekte intraluminale Lage wird mittels Aspiration und mittels Duplexsonographie überprüft. Nachdem die Spritze mit 3 %-igem Sklerosierungsschaum mit der Kanüle verbunden wurde, erfolgt die Injektion am liegenden Patienten. Danach verbleibt die Kanüle noch etwa fünf Minuten intraluminal in der VSM. Duplexsonographisch wird das Aufsteigen der Schaumsäule bis zum Mündungsbereich der VSM verfolgt. Nach Erreichen der Krosse wird durch Elevation des Beines die Ausbreitung des Schaumes über die Krosse hinaus verzögert. Eine nachfolgende duplexsonographisch kontrollierte Sklerosierung variköser Seitenäste und insuffizienter Perforantes mit aufgeschäumten 1 %-igem Polidocanol ist möglich. Eine Gesamtschaummenge von 6 bis maximal 8 ml unabhängig von der Polidocanolkonzentration sollte bei der Schaumverödung nach Tessari pro Sitzung nicht überschritten werden. Im Allgemeinen werden aber deutlich geringere Mengen benötigt.
In einer Studie von Hamel-Desnos et al. wurde gezeigt, dass nach einer einmaligen Injektion von 2 bis 2,5 ml eines 3 %-igen Polidocanolschaumes nach 12 Monaten ein Verschluss der VSM in 80 % auftritt, im Vergleich aber nur bei 25,6 % der mittels 3 %-igem flüssigem Polidocanol behandelten Patienten [20 ]. Frullini et al. konnten mit der Schaumverödung mit der Tessari-Technik eine 93,3 %-ige Verschlussrate von mittelgroßen Varizen und Besenreisern bei einem Follow-up von 20 - 180 Tagen erreichen [21 ]. Günstige Fallberichte liegen auch für die Schaumsklerosierung insuffizienter Perforanten vor [22 ].
Nach der Injektion des Sklerosierungsmittels wird zunächst eine lokale Kompression entlang der verödeten Vene durchgeführt. Je nach Größe der behandelten Varizen erfolgt eine konsequente Kompression der behandelten Extremität für Tage oder Wochen mittels Kompressionsverband oder Kompressionsstrumpf. Im Anschluss an die Sklerosierungssitzung muss der Patient mindestens 30 Minuten gehen, um das Sklerosierungsmittel nach kurzer Einwirkungszeit zu verdünnen. Intensive sportliche Betätigung, heiße Bäder, Sauna und intensive Einwirkung von UV-Licht sind in den Tagen nach der Sklerosierung zu vermeiden. Mögliche Nebenwirkungen unterscheiden sich prinzipiell nicht zwischen der Schaum- und Flüssigsklerosierung ([Tab. 3 ], [4 ]). Hyperpigmentierungen werden in 3 - 10 % beschrieben und bilden sich meistens langsam wieder zurück [23 ]. Unter den seltenen schweren Komplikationen können eine allergische Reaktion vom Soforttyp oder eine versehentliche intraarterielle Injektion zu Notfallsituationen führen [24 ].
Tab. 3 Kontraindikationen zur Sklerosierungstherapie
Absolute Kontraindikationen
bekannte Allergie auf das Sklerosierungsmittel
akute oberflächliche oder tiefe Venenthrombose
lokale, im Bereich der Sklerosierung gelegene oder schwere generalisierte Infektion
Immobilität oder Bettlägerigkeit
fortgeschrittene PAVK im Stadium III oder IV
Schwangerschaft im ersten Drittel und nach der 36. Schwangerschaftswoche
schwere Systemerkrankung
Relative Kontraindikationen
Beinödem
diabetische Spätkomplikationen, z. B. Polyneuropathie
PAVK im Stadium II
schlechter Allgemeinzustand
Bronchialasthma
ausgeprägte allergische Diathese
bekannte Hyperkoagulabilität
Thrombophilie mit abgelaufener tiefer Beinvenenthrombose
Tab. 4 Komplikationen und Risiken der Sklerosierungstherapie
Mögliche Komplikationen der Sklerosierungstherapie
allergische Reaktion
Hautnekrosen
überschießende Sklerosierungsreaktion mit Venenreizung und Thrombophlebitis
Hyperpigmentierung
Matting (Entstehung neuer feinster Besenreiser)
Nervenschädigung
Flimmerskotome und migräneartige Symptome
Thromboembolie
evtl. ausgedehnte Nekrosen nach intraarterieller Injektion
Weitere konservative Therapiemöglichkeiten
Weitere konservative Therapiemöglichkeiten
An konservativen Behandlungsmöglichkeiten setzen wir z. B. die Kompressionstherapie mittels Kurzzugbinden sowie mittels Manschetten als intermittierende pneumatische Kompression, ein krankengymnastisches Venentrainig und die Vakuumversiegelung chronischer Ulcera crurum ein. Im Folgenden soll auf die bei uns häufig durchgeführte Vakuumversiegelungstherapie eingegangen werden, die als kostengünstige Maßnahme bei zugleich hohem Patientenkomfort entscheidend zur beschleunigten Wundgranulation beiträgt.
Vakuumversiegelung zur Therapie des Ulcus cruris venosum
Vakuumversiegelung zur Therapie des Ulcus cruris venosum
Diese prinzipiell schmerzarme Methode führt zur beschleunigten Wundreinigung, dem Abtransport toxischer Zerfallsprodukte, einer Reduzierung des lokalen Ödems und zu einer Verbesserung der Mikrozirkulation. Ein mit einem Drainagesystem verbundener Polyurethanschwamm (PU) wird in Kontakt mit der Wundoberfläche gebracht, mit einer Polyurethanfolie abgeklebt und an eine Vakuumquelle angeschlossen. PUs mit einer Porengröße von 400 - 600 µm für tiefe Defekte oder von 90 - 120 µm für flachere Ulzerationen werden präzise in das Wundgebiet eingepasst [25 ]. Der erzeugte Unterdruck mit Druckwerten bis ca. 125 mm Hg sorgt für einen gleichmäßigen engen Kontakt zwischen Wunde und PU und für eine kontinuierliche Absaugung von Wundsekret. Bei Schmerzen sollte der Druck reduziert werden. Bei freiliegenden Gefäßen und malignen Entartungen im Bereich der Wunde sollte nur in Ausnahmefällen, bei akuten Blutungen, Osteomyelitis und unklaren Fistelungen dagegen nicht behandelt werden. Eine zusätzlich aufgelegte Fettgaze kann gegebenenfalls Strukturen wie Gefäße und Nerven vor Austrocknung schützen [25 ]. Neben einem computergesteuerten VAC®-Therapiesystem (Vacuum assisted closure) kann ein selbst hergestelltes System mit Redonflaschen verwendet werden. Bei Anwendung eines selbst hergestellten Systems ist zu beachten, dass anfangs möglicherweise sehr große Drücke entstehen können, die später wiederum unter den optimalen Druck absinken können.
Über interdisziplinär positive Erfahrungen mit der Vakuumtherapie wurde von verschiedenen Kliniken auf der 47. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Dermatologie (2005) berichtet. Adili et al. verzeichneten eine um den Faktor 2 - 3 schnellere Wundheilung gegenüber anderen, herkömmlichen Methoden [26 ]. Eine Vielzahl klinischer Einzelfallberichte und unsere eigenen Erfahrungen bei der Behandlung ausgedehnter venöser Ulcera crurum bekräftigt eine zumindest hohe klinische Evidenz für die Wirksamkeit der Methode [27 ]. Nachdem durch die Vakuumpumpentherapie der Heilungsverlauf beschleunigt und eventuell eine Epithelialisation erreicht worden ist, können im Anschluss mit guter Erfolgsaussicht entweder plastische Sekundärmaßnahmen wie die Meshgrafttransplantation, eine Strippingoperation oder eine modifizierte kombinierte Operation nach Linton mit (Teil-)Exhairese der VSM sowie Perforansvenenligaturen und Ulkusdeckung durchgeführt werden [28 ].