Einleitung
Einleitung
Die Trichoepitheliome zählen zu den gutartigen Tumorformen der Hautanhangsgebilde
und werden innerhalb dieser sehr heterogenen Gruppe zu den nur selten vorkommenden
kutanen Adnextumoren mit follikulärer Differenzierung gezählt. Entwicklungsgeschichtlich
lassen sich Trichoepitheliome als umschriebene, kongenitale Fehlbildungen im Sinne
epithelial-mesenchymaler Hamartome einordnen, die histomorphologische Zeichen
der Haardifferenzierung aufweisen. Folgerichtig werden sie auch als trichogene
Hamartome bezeichnet [1]. Da eine direkte histopathologische Zuordnung einzelner Trichoepitheliome zu
vorbestehenden Haarfollikeln in der Regel nicht möglich ist, erscheint die Vermutung
naheliegend, dass sich Trichoepitheliome von pluripotenten epithelialen Stammzellen
ableiten. Die Stammzellentheorie kann auch als eine Erklärung herangezogen werden
für die große histopathologische Vielfalt der Befunde, deren bisweilen ungewöhnlich
komplexe Zusammensetzung und das multizentrische Auftreten der Tumoren [2].
Das klinische Bild der Trichoepitheliome erlaubt eine Differenzierung von zwei
unterschiedlichen Manifestationsformen. Einzeln vorkommende Trichoepitheliome
treten sporadisch in der Kindheit auf und lassen keinen Vererbungsmodus erkennen.
Hiervon abzugrenzen sind die multiplen Trichoepitheliome, die sich zwischen der
Kindheit und dem jungen Erwachsenenalter in Form einer disseminierten Aussaat
entwickeln und einem autosomal-dominanten Erbgang unterliegen. Darüber hinaus
kann das Krankheitsbild der multiplen Trichoepitheliome, das auch als Epithelioma
adenoides cysticum Brooke oder Brooke-Syndrom bezeichnet wird, in Kombination
mit anderen Adnextumoren auftreten, z. B. mit Zylindromen oder Spiradenomen
[3]
[4]. Auch als Teilmanifestation komplexer kutaner Syndrome - unter anderem mit der
Entwicklung von Basalzellkarzinomen - sind multiple Trichoepitheliome beschrieben
worden [5]
[6]. Diese Assoziationen unterstreichen einerseits die genetische Disposition multipler
Trichoepitheliome und betonen andererseits die Bedeutung ihrer Diagnose, die in
Einzelfällen eine lebenslange Überwachung der betroffenen Patienten ratsam
erscheinen lässt.
Kasuistik
Kasuistik
Anamnese
Im Alter von 9 - 10 Jahren waren bei der jetzt 36-jährigen Patientin erstmals
Papeln im Bereich der Nasolabialfalten aufgetreten. Anschließend kam es bis etwa
zum 25. Lebensjahr zentrofazial und an der Stirn zu einer kontinuierlichen Zunahme
der Befunde. Eine Rückbildung einzelner Papeln war nie beobachtet worden. In der
Familienanamnese konnte bei einer Schwester und einem Sohn der Patientin das Auftreten
identischer dermatologischer Befund erfragt werden. Während die Dermatose bei
den Eltern der Patientin nicht bekannt geworden ist, hatte sich bei ihrer ältesten
Schwester, ebenfalls in der Kindheit beginnend, ein klinisch-morphologisch übereinstimmender
Befund im Gesicht entwickelt. Die übrigen 7 Geschwister (4 Schwestern und 3 Brüder)
sind bis in das Erwachsenenalter erscheinungsfrei geblieben. Von den beiden Kindern
der Patientin ist der 15-jährige Sohn betroffen. Die 12-jährige Tochter hat
bisher keine Hautveränderungen entwickelt.
Dermatologischer Befund
Im Bereich der Nasolabialfalten symmetrisch angeordnete, 2 - 5 mm durchmessende,
gruppiert stehende oder auch konfluierende und dann polyedrische Felder bildende,
hautfarbene Papeln von prall-elastischer Konsistenz. An der Nase, perinasal und
perioral einzeln stehende, an der Stirn diffus verteilte Papeln gleicher Morphologie
([Abb. 1] u. [Abb. 2]).
Abb. 1 Dicht stehende, teilweise konfluierende Trichoepitheliome zentrofazial.
Abb. 2 Detailaufnahme.
Histopathologischer Befund
Im Bereich der oberen Dermis lokalisierter, gleichförmig aufgebauter epithelialer
Tumor, der aus Verbänden basaloider Zellen besteht, die teilweise eine Palisadenstellung
zum Rand aufweisen. Die Zellen sind monomorph, keine Clefts um die Tumorzellverbände,
lockeres bindegewebiges Stroma ([Abb. 3] u. [Abb. 4]).
Diagnose: Trichoepitheliom
(Dr. C. Diaz, Einsendungslabor für Dermatopathologie, Freiburg).
Abb. 3 Kleinknotige, gleichförmig konfigurierte, basaloide Zellformationen; teilweise
im zentralen Lumen Hornmaterial [HE × 100].
Abb. 4 Knotige basaloide Zellproliferation mit Differenzierung in eine Papille [
HE × 400].
Therapie und Verlauf
Therapie und Verlauf
Innerhalb eines Probeareals nasolabial links erfolgte zunächst ein Behandlungsversuch
mit dem Argon-Laser. Trotz wiederholter Behandlungen konnte keine kosmetisch befriedigende
Rückbildung der Papeln erreicht werden (Strahlungsleistung 4 - 5 W, Impulsdauer
0,2 sec, Strahlungsdurchmesser 0,25 mm). Eine anschließende Therapie mit dem
CO2-Laser zeigte eine deutlich bessere Wirkung. Dabei konnten die oberflächlichen
Anteile der Trichoepitheliome auf das Niveau der umgebenden Haut eingeebnet werden
(Strahlungsleistung 4 W, Impulsdauer 0,1 sec, Strahlungsdurchmesser 1 mm). Das
Langzeitergebnis bleibt jedoch abzuwarten, da die tiefen Anteile der Tumoren
vor dem Hintergrund einer Narbenbildung möglicherweise nicht vollständig vaporisiert
werden konnten. Ein erneutes Tumorwachstum kann somit nicht ausgeschlossen werden.
Diskussion
Diskussion
Die Trichoepitheliome können aufgrund klinischer Befunde in zwei verschiedene
Formen eingeteilt werden. Dabei lassen sich zunächst solitär auftretende von multiplen
Trichoepitheliomen unterscheiden. Die solitären Trichoepitheliome, die häufiger
als die multiplen Tumorformen beobachtet werden, entwickeln sich in der Regel
im jungen Erwachsenenalter [7]. Sie treten sporadisch auf und lassen keinen Vererbungsmodus erkennen. Von wenigen
Ausnahmen abgesehen, findet man solitäre Trichoepitheliome im Gesicht, wobei die
Nase, die Wangen und die obere Lippenregion als bevorzugte Lokalisation gelten
[8]. Nur vereinzelt wurden solitäre Trichoepitheliome in anderen Bereichen am Integument
beschrieben, z. B. an den Extremitäten, perianal oder an der Vulva [9]
[10]
[11]. Das klinische Bild solitärer Trichoepitheliome zeigt sich in Form hautfarbener
Papeln oder Knoten von derber Konsistenz, die einen sehr unterschiedlichen Durchmesser
aufweisen können. In den meisten Fällen handelt es sich um kleine, maximal
4 - 5 mm durchmessende, halbkugelige Papeln. Vereinzelt und dann typischerweise
in extrafazialer Lokalisation finden sich auch größere, plaqueförmig erhabene
oder plattenartig eingesunkene Tumoren, die in Einzelfällen einen Durchmesser
von bis zu 9 cm erreicht haben. Diese großen Exemplare werden auch als Riesentrichoepitheliome
bezeichnet [10]
[11]
[12]. Als eine weitere Sonderform der solitären Trichoepitheliome gelten die desmoplastischen
Trichoepitheliome, die ebenfalls fast ausschließlich im Bereich des Gesichtes
auftreten. Klinisch finden sich wenige Millimeter durchmessende, hautfarbene Papeln,
die sich charakteristischerweise durch eine zentrale Atrophie und einen aufgeworfenen
Rand auszeichnen [13].
Das Krankheitsbild der multiplen Trichoepitheliome manifestiert sich im Allgemeinen
erstmals in der Kindheit oder der Adoleszenz. Bei zunächst kontinuierlicher oder
schubweiser Zunahme der Befunde wird im Erwachsenenalter ein konstantes klinisches
Bild erreicht. Zu den Prädilektionsstellen der multiplen Trichoepitheliome zählen
die zentrofazialen Areale, hier besonders die Nasolabialfalten, die periorale
Region und die Stirn. In Einzelfällen können zusätzlich das Kapillitium, der Nacken,
das vordere Dekolleté und die proximalen Bereiche der Extremitäten betroffen
sein. In Übereinstimmung mit den solitären Trichoepitheliomen ist auch die Einzelmorphe
der multiplen Trichoepitheliome eine kleine, wenige Millimeter durchmessende,
hautfarbene Papel von derber Konsistenz, die in den Prädilektionsstellen jedoch
gruppiert oder wie häufig an der Stirn auch in disseminierter Verteilung auftritt.
Nasolabial können die einzelnen Papeln konfluieren und dann pflastersteinartige
Felder bilden [14]
[15]
[16]
[17]
[18]. Als weitere Besonderheit der multiplen Trichoepitheliome ist deren Auftreten
bei verschiedenen Syndromen zu werten. Das Brooke-Spiegler-Syndrom ist durch
multiple Trichoepitheliome in Kombination mit Zylindromen gekennzeichnet [3]. Gelegentlich finden sich auch Berichte über das gemeinsame Vorkommen von multiplen
Trichoepitheliomen und ekkrinen Spiradenomen [19]
[20]. Multiple Trichoepitheliome in Verbindung mit multiplen Basalzellkarzinomen
finden sich beim Bazex-Dupré-Christol-Syndrom und beim Rombo-Syndrom, wobei hier
eine Vielzahl weiterer kutaner Fehlbildungen vorliegt, z. B. Atrophodermien,
Hypotrichosen und umschriebene oder generalisiert auftretende Störungen der Schweißsekretion
[5]
[6]. Die multiplen Trichoepitheliome werden autosomal-dominant vererbt mit einer
verminderten Penetranz und Expressivität des Gendefektes bei Männern [21]. Diskutiert wird der Defekt eines Tumor-Suppressor-Gens, das der Chromosomenregion
9p21 zugeordnet wird [22]. Der mit dem Gendefekt verbundene Verlust der Heterozygotie könnte dabei ursächlich
für die Tumorentstehung verantwortlich sein [14]
[23]. Die histopathologischen Merkmale der Trichoepitheliome sind vielschichtig
[1]. Typischerweise finden sich in der oberen Dermis basaloide Zellkomplexe und
mit Hornmassen gefüllte Zysten, deren Verhornungsmodus dem der äußeren Wurzelscheide
entspricht. Ausgehend von den basaloiden Zellformationen können piläre Strukturen
imitiert werden, z. B. in Form rudimentärer Haarpapillen oder abortiver Haarfollikel.
Die epithelialen Zellstrukturen werden von einem faserreichen Stroma umgeben,
das den Tumor verstärkt und durch die häufig auftretenden Schrumpfungsartefakte
deutlich vom umgebenden Bindegewebe abgrenzt [7]
[8]. Die histopathologischen Befunde der solitären und der multiplen Trichoepitheliome
sind identisch, während sich das desmoplastische Trichoepitheliom zusätzlich durch
ein besonders kompaktes und zellarmes Bindegewebe auszeichnet [13]. Die klinischen Differenzialdiagnosen der multiplen Trichoepitheliome umfassen
papulöse Dermatosen des Gesichtes. Dabei muss insbesondere das Adenoma sebaceum
berücksichtigt werden, das sich ebenfalls bevorzugt zentrofazial in Form dicht
stehender, derber Papeln manifestiert [24]. Die differenzialdiagnostische Abgrenzung der klinisch-morphologisch sehr ähnlich
aussehenden Dermatosen wird immer anhand histopathologischer Untersuchungen erfolgen
müssen. Zu weiteren Differenzialdiagnosen der multiplen Trichoepitheliome zählen
Syringome, eruptive Milien, multiple Fibrofollikulome, die Osteosis cutis
multiplex und das Gorlin-Goltz-Syndrom [15]
[25]
[26]
[27]
[28]
[29]. Die Behandlung der multiplen Trichoepithelome ist schwierig. Medikamentöse
Behandlungsversuche mit topischen Glukokortikoiden oder Retinoiden führten
zu keiner Rückbildung der klinischen Befunde [30]
[31]. Bei umschriebenen Manifestationen konfluierender Papeln, die im Bereich der
Nasolabialfalten kosmetisch als besonders störend empfunden werden, kann eine
chirurgische Exzision erwogen werden, zumal die komplette Exzision der Trichoepitheliome
Rezidive ausschließt. Auch über erfolgreiche kryochirurgische oder elektrokaustische
Behandlungen umschrieben lokalisierter Befunde wurde berichtet, wobei diese Patienten
bei Nachbeobachtungszeiten von 1 - 2 Jahren keine Rezidive entwickelt hatten
[30]
[32]. Eine weitere Behandlungsmöglichkeit, die auch bei flächenhafter Ausdehnung
multipler Trichoepitheliome empfohlen wird, ist die Laser-Therapie. Neben dem
Argon-Laser, mit dessen Einsatz bei der hier vorgestellten Patientin kein
überzeugendes Behandlungsergebnis erzielt werden konnte, wird heute die Vaporisation
mit dem CO2-Laser als Behandlungsoptimum angesehen [32]
[33]
[34]
[35]. Unproblematisch ist die Behandlung mit dem CO2-Laser jedoch nicht. Die notwendige Tiefe der Vaporisation und die für die multiplen
Trichoepitheliome typische zentrofaziale Lokalisation gelten als Risikofaktoren
für die Entstehung hypertropher Narben und postinflammatorischer Pigmentierungen,
so dass die probeweise Behandlung eines umschriebenen Areals dringend zu empfehlen
ist [36].