Aktuelle Dermatologie 2007; 33(11): 436-438
DOI: 10.1055/s-2007-966884
Kasuistik

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dystrophische skrotale Kalzinose

Dystrophic Scrotal CalcinosisH.  Khan Durani1 , N.  Kirchgessner-Kanafani1 , W.  Hartschuh1
  • 1Universitätshautklinik Heidelberg
Further Information

Dr. med. Hendrike Khan Durani

Universitätshautklinik Heidelberg

Voßstr. 2
69115 Heidelberg

Email: hendrike_durani@med.uni-heidelberg.de

Publication History

Publication Date:
23 October 2007 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung:

Die scrotale Kalzinose ist ein seltenes Krankheitsbild mit verkalkenden Knoten der Scrotalhaut. Diese beginnt mit einzelnen meist asymptomatischen Knötchen bei gesunden jungen Männern. Die Noduli können stark an Zahl und Größe zunehmen. In der Literatur wird die Pathogenese der scrotalen Kalzinose kontrovers diskutiert. Eine Einteilung erfolgt in dystrophe skrotale sowie idiopathische Kalzinose. Die eigentliche Ursache der Kalzinose ist bis heute noch unklar, Mikrotraumen werden diskutiert. Die Therapie der Wahl ist die Exzision.

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Abstract

Scrotal calcinosis is a rare disorder with nodules of calcification in the scrotal skin. It starts with asymptomatic, single nodules in healthy young men. The nodules can grow extremely in number and size. In literature the pathogenesis of scrotal calcinosis is discussed controversially. A classification into dystrophic and idiopathic calcinosis exists. The real cause is still unknown, microtraumata are discussed to be a trigger. Standard treatment is the excision of the calcinotic nodules.

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Einleitung

Die scrotale Kalzinose ist ein seltenes Krankheitsbild, das durch das Auftreten vieler verkalkter Papeln und Knoten in der Skrotalhaut geprägt ist. Erstmalig wurde dieses Krankheitsbild 1883 von Lewinski beschrieben [1]. Am Skrotum finden sich einzelne oder multiple, wenige Millimeter bis Zentimeter große, schmerzlose Papeln und Knoten. Diese entstehen durch Ablagerung von Calziumphosphat- und carbonat, ohne dass eine systemische Erkrankung oder Störung des Kalzium- und Phosphat-Stoffwechsels vorliegt [2]. In der Regel sind junge gesunde Männer betroffen. Histologisch lassen sich 2 Formen unterscheiden: die dystrophe und die idiopathische skrotale Kalzinose. Die dystrophe Kalzinose zeigt eine häufig auch fragmentierte Epithelumkleidung der Kalziumkonkremente und Zystenreste. Bei der idiopathischen Variante zeigt sich dagegen keine Epithelauskleidung und es lassen sich nur Kalkmassen nachweisen.

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Fallbericht

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Anamnese

Ein 29-jähriger Patient stellt sich mit multiplen gelblich-weißlich durchscheinenden, symptomlosen Knoten unterschiedlicher Größe im Bereich des Skrotums vor ([Abb. 1] u. [2]). Die Hautveränderungen seien vor 5 Monaten erstmals aufgetreten und seither an Zahl und Größe progredient. In der Familie seien keine ähnlichen Hautveränderungen bekannt. Aus kosmetischen Gründen wünscht der Patient die Entfernung der Knoten.

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Abb. 1 Übersichtaufnahme.

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Abb. 2 Detailaufnahme.

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Dermatologischer Aufnahmebefund

Am unteren Anteil des Hodens zeigen sich beidseits stecknadelkopf- bis kirschkerngroße, kugelige, gelblich-weißlich durchscheinende Papeln und Knoten. Diese sind zur Subcutis gut verschieblich, derb und nicht druckdolent.

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Histologie

Histologisch zeigen sich multiple, zystenartige Verkalkungszonen unterschiedlicher Größe, von denen die größeren keine eindeutige Begrenzung durch Zystenwandepithel aufweisen. Die kleineren Zysten sind von einschichtigem Epithel der Schweißdrüsenausführungsgänge begrenzt. In der unmittelbaren Umgebung der kleineren Zysten ist das kollagene Bindegewebe deutlich verdichtet. Der Verkalkungsprozess konzentriert sich auf die oberen Anteile der Dermis, die tieferen, muskelreichen Anteile sind überwiegend frei ([Abb. 3], [4]).

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Abb. 3 HE × 25 Kalkkonkrement von Zystenwand umgeben.

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Abb. 4 HE × 10 Kalkkonkrement.

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Labor

Bis auf einen erhöhten Wert für Bilirubin gesamt mit 1,7 mg/dl und einen leicht erniedrigten Wert für MCV mit 80 fl zeigten sich keine Auffälligkeiten im Routinelabor. Auch die Kalziumwerte waren unauffällig.

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Therapie und Verlauf

Die Exzision multipler Knoten erfolgte in Lokalanästhesie. Zunächst wurden die Exzisionen im Bereich des rechten Scrotums durchgeführt ([Abb. 5]). Nach 4 Monaten stellte sich der Patient erneut vor, um die kontralaterale Seite behandeln zu lassen. Bisher haben sich in einem Beobachtungszeitraum von 4 Jahren keine Rezidive gezeigt.

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Abb. 5 Die rechte Skrotalhälfte nach Abheilung.

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Diskussion

Als Ausgangsstrukturen der dystrophen skrotalen Kalzinose wurden Epidermal- und Trichilemmalzysten sowie zystisch erweiterte Drüsenausführungsgänge (sog. ekkrine Drüsenausführungsgänge) beschrieben. Andere Autoren berichten über Verkalkung von Muskeln der Tunica Dartos des Skrotums, von Xanthomen oder von Fibromen [3]. Bei der idiopathischen Kalzinose des Skrotums lässt sich dagegen keine Epithelauskleidung nachweisen. Daher wird bei dieser Form von einer de novo Entstehung ausgegangen. Seit Prägung des Begriffes der idiopathischen Kalzinose durch Shapiro et al. 1970 wird die Pathogenese in der Literatur kontrovers diskutiert.

In aktuellen Veröffentlichungen wird darauf hingewiesen, den Terminus „idiopathische Kalzinose” zu vermeiden, da davon ausgegangen wird, dass die Kalkablagerung nicht de novo entsteht, sondern sukzessiv aus Kalzifizierung vorbestehender epithelialer Strukturen hervorgeht [4]. Dieser Prozess geht langsam vor sich, sodass möglicherweise bei neu aufgetretenen Papeln Epithelumrandungen nachweisbar sind, bei länger bestehenden jedoch nicht mehr [5] [6]. Auch bei unserem Patienten zeigte sich histologisch bei größeren Papeln keine eindeutige Begrenzung durch Zystenwandepithel und nur bei den kleineren Verkalkungen eine Begrenzung mit einschichtigem Epithel.

Die eigentliche Ursache der Verkalkung ist bis heute nicht geklärt. Mikrotraumen als pathogenetischer Faktor wurden erwogen, die über eine lokale Entzündungsreaktion direkt zur Ausbildung von Kalziumknoten führt [7]. Eine weitere Annahme ist, dass durch Mikrotraumen die Zysten bzw. die Ausführungsgänge zerstört werden und nachfolgend eine Kalkeinlagerung erfolgt [8]. Gegen die Hypothese von Mikrotraumata als pathogenetischer Faktor spricht die Seltenheit dieser Erkrankung.

Insgesamt kann nach heutigem Wissensstand nicht endgültig entschieden werden, ob Zysten oder Drüsenausführungsgänge in jedem Fall Ausgangspunkt der skrotalen Kalzinose sind. Bei unserem Patienten ließ sich fokal eine epitheliale Auskleidung nachweisen, sodass von einer dystrophen skrotalen Kalzinose auszugehen ist.

Die Therapie der Wahl ist die Exzision. Die kosmetischen Ergebnisse sind gut, Rezidive treten selten auf, allerdings wurden bisher noch keine Langzeitergebnisse evaluiert. Differenzialdiagnostisch muss an Epidermalzysten des Skrotums, die sich palpatorisch prall elastisch darstellen, Lipome und Fibrome gedacht werden [9].

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Literatur

  • 1 Lewinski H M. Virchows Arch.  Pathol Anat. 1883;  91 371
  • 2 Shapiro L, PLann N, Torres-Rodriguez V M. Idiopathic calcinosis of the scrotum.  Arch Dermatol. 1970;  102 199-204
  • 3 Schmidt E, Rose C, Benoit S, Hamm H. Multiple Papeln und Knoten am Skrotum eines 34jährigen Patienten.  JDDG. 2003;  5 295-397
  • 4 Shah V, Shet T. Scrotal calcinosis results from calcification of cysts derived from hair follicles: a series of 20 cases evaluating the spectrum of changes resulting in scrotal calcinosis.  Am J of Dermatopathol. 2007;  29 172-175
  • 5 Ruiz-Genao D P, Rios-Buceta L, Herrero L, Fraga J, Aragues M, Garcia-Diez A. Massive Scrotal Calcinosis.  Dermatol Surg. 2002;  28 745-747
  • 6 Tosun Z, Karacor Z, Özkan A, Toy H, Savac N. Two scrotal calcinosis cases with different causal mechanisms.  Plastic and reconstructive Surgery. 2005;  116 1834-1835
  • 7 Turksoy O, Ozcan N, Tokgoz H. Extratesticular scrotal calcifications: their relationship with sports.  J Ultrasound Med.. 2005;  24 911-917; quiz 919
  • 8 Stolp A, Poweleit H. Calcinosis cutis scrotalis (idiopathica). Dermatol.  Monatsschr. 1984;  170 256-261
  • 9 Saladi R N, Persaud A N, Phelps R G, Cohen S R. Scrotal calcinosis: Is the cause still unknown?.  J Am Acad Dermatol. 2004;  51 97-101

Dr. med. Hendrike Khan Durani

Universitätshautklinik Heidelberg

Voßstr. 2
69115 Heidelberg

Email: hendrike_durani@med.uni-heidelberg.de

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Literatur

  • 1 Lewinski H M. Virchows Arch.  Pathol Anat. 1883;  91 371
  • 2 Shapiro L, PLann N, Torres-Rodriguez V M. Idiopathic calcinosis of the scrotum.  Arch Dermatol. 1970;  102 199-204
  • 3 Schmidt E, Rose C, Benoit S, Hamm H. Multiple Papeln und Knoten am Skrotum eines 34jährigen Patienten.  JDDG. 2003;  5 295-397
  • 4 Shah V, Shet T. Scrotal calcinosis results from calcification of cysts derived from hair follicles: a series of 20 cases evaluating the spectrum of changes resulting in scrotal calcinosis.  Am J of Dermatopathol. 2007;  29 172-175
  • 5 Ruiz-Genao D P, Rios-Buceta L, Herrero L, Fraga J, Aragues M, Garcia-Diez A. Massive Scrotal Calcinosis.  Dermatol Surg. 2002;  28 745-747
  • 6 Tosun Z, Karacor Z, Özkan A, Toy H, Savac N. Two scrotal calcinosis cases with different causal mechanisms.  Plastic and reconstructive Surgery. 2005;  116 1834-1835
  • 7 Turksoy O, Ozcan N, Tokgoz H. Extratesticular scrotal calcifications: their relationship with sports.  J Ultrasound Med.. 2005;  24 911-917; quiz 919
  • 8 Stolp A, Poweleit H. Calcinosis cutis scrotalis (idiopathica). Dermatol.  Monatsschr. 1984;  170 256-261
  • 9 Saladi R N, Persaud A N, Phelps R G, Cohen S R. Scrotal calcinosis: Is the cause still unknown?.  J Am Acad Dermatol. 2004;  51 97-101

Dr. med. Hendrike Khan Durani

Universitätshautklinik Heidelberg

Voßstr. 2
69115 Heidelberg

Email: hendrike_durani@med.uni-heidelberg.de

Zoom Image

Abb. 1 Übersichtaufnahme.

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Abb. 2 Detailaufnahme.

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Abb. 3 HE × 25 Kalkkonkrement von Zystenwand umgeben.

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Abb. 4 HE × 10 Kalkkonkrement.

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Abb. 5 Die rechte Skrotalhälfte nach Abheilung.