Aktuelle Dermatologie 2008; 34(1/02): 52-55
DOI: 10.1055/s-2007-966885
Von den Wurzeln unseres Fachs

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Suche nach dem „Werwolf-Gen”

In Search of the „Werewolf Gene”M.  Reitz
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Dr. Manfred Reitz

Schillerstr. 7

99423 Weimar

Email: reitzmanfred@yahoo.de

Publication History

Publication Date:
29 October 2007 (online)

Table of Contents #

Einleitung

In dem Begriff „Werwolf” steckt die altgermanische Wortwurzel „wer”, was übersetzt „Mann” bedeutet. Ein Werwolf wurde deshalb in der althochdeutschen Sprache auch „Mannwolf” genannt. Heute allerdings ist nur der ältere Begriff „Werwolf” erhalten geblieben. Nach uralten Überlieferungen fürchteten die Menschen zu allen Zeiten den Werwolf, denn auf ihm lastete ein Fluch ([Abb. 1]). Tagsüber lebte er wie ein normaler Mensch und konnte durchaus bei seinen Mitmenschen hoch geachtet sein. Doch hauptsächlich in der Nacht wurde er zur Bestie, nahm die Gestalt eines Wolfes an und terrorisierte ganze Landstriche. Die Vorbilder für die Legende zum Werwolf sind rätselhaft. Einmal waren es sicherlich Menschen mit einem ungewöhnlich starken Haarwuchs, der sich wie ein Fell über den gesamten Körper erstreckte, daneben spielten aber auch vermutlich Mythen eine Rolle, die über viele Jahrtausende zurückreichen konnten.

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Abb. 1 Ein Werwolf raubt ein Kind, Holzschnitt von Lukas Cranach der Ältere, 1512. Der Werwolf hat noch das Aussehen und die Gestalt eines Menschen, läuft allerdings bereits auf allen Vieren.

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Die Legende und ihr Ursprung

Bereits die Menschen der Steinzeit schätzten Mischwesen zwischen Menschen und Tieren. Für die Mitglieder der frühen Jäger- und Sammler-Kulturen war der Jagderfolg überlebenswichtig, denn allein er garantierte eine ausreichende Fleischversorgung. Viele Jäger nahmen sich deshalb für eine erfolgreiche Jagd die großen Raubtiere zum Vorbild. Beliebt waren Wölfe, die geschickt in Rudeln jagten und von denen die Menschen manche Jagdtechniken kopieren konnten. Auf uralten Höhlenmalereien lassen sich immer wieder Mischwesen aus Raubtieren und Menschen nachweisen, die bei rituellen Treffen von den Jägern beschworen wurden, um die eigenen Jagderfolge zu verbessern. In der menschlichen Fantasiewelt gab es schon früh zwischen Menschen und Wölfen zahlreiche Übergänge. Jäger mit Eigenschaften von Raubtieren mussten nach diesen Vorstellungen einfach größere Jagderfolge als durchschnittliche Menschen haben; solche Eigenschaften wurden angestrebt. Manche germanische Krieger hüllten sich zum Kampf in die Felle von Bären oder Wölfen, um die Kraft dieser Tiere zu gewinnen [1].

Der älteste schriftliche Hinweis auf einen Werwolf stammt aus dem Gilgamesch-Epos der frühen Antike. Die Göttin Ishtar verwandelte darin einen Schäfer in einen Wolf. Lykaon, ein mythischer König von Arkadien in Griechenland, wurde einst zur Strafe von Zeus in einen Wolf verwandelt und versucht sich seitdem der Legende nach an jedem zu rächen. Ein Werwolf verkörpert seit diesem Ereignis das Böse an sich. Der römische Schriftsteller Petronius führte in seinem Roman „Satyricon” den Werwolf sogar in die allgemeine Literatur ein. Erkrankten früher Menschen nach Tierbissen an Tollwut und fielen dabei in Krämpfe, wurde ihnen nicht immer geholfen. Mitmenschen fürchteten sich sogar vor ihnen. Häufig wurde angenommen, dass der Biss von einem Werwolf stammte und die Betroffenen gerade dabei waren, selbst zu einem Werwolf zu werden [1].

Im Mittelalter und auch später wurden die Untaten der Werwölfe oft mit den Aktivitäten von Hexen oder Zauberern in Verbindung gebracht und es gab zahlreiche Prozesse. Allein in Frankreich wurden zwischen 1520 und 1630 rund 30 000 Menschen als Werwölfe verurteilt. In Köln wurde 1589 Peter Stubbe nach einem spektakulären Prozess als Werwolf hingerichtet. Er hatte unter schwerer Folter gestanden, einen Zaubergürtel zu besitzen und sich in einen Werwolf verwandeln zu können [1].

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Menschliche Atavismen

Es gibt während der vorgeburtlichen Entwicklung zeitlich begrenzt ausgebildete Organanlagen, die nur aus der Sicht einer Evolution einen Sinn bekommen. So entsteht im Säugetierfötus zuerst ein primäres Kiefergelenk, das sich jedoch im Verlauf der Schwangerschaft nicht zum eigentlichen Kiefergelenk entwickelt, sondern aus ihm bilden sich die Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel. Das Kiefergelenk eines Neugeborenen entsteht aus dem erst viel später angelegten sekundären Kiefergelenk. Das primäre Kiefergelenk des Säugetierfötus weist große Ähnlichkeit mit dem Kiefergelenk erwachsener Fische auf. Ein weiteres Beispiel liefern Anlagen, die vermuten lassen, der Säugetierfötus würde plötzlich Kiemen bilden. Aus diesen Anlagen entstehen jedoch der Thymus und einige Hormondrüsen [2] [3].

Die ersten Haaranlagen im menschlichen Organismus werden um die zwölfte Woche der Schwangerschaft gebildet. Sie verteilen sich anschließend nach einem bestimmten Muster über die Organismusoberfläche, sodass ein Mensch mit rund 5 Millionen Haarfollikeln zur Welt kommt. Die Haarentwicklung erfolgt nach einem komplizierten Wechselspiel zwischen Zellen des Ektoderms und des Mesochyms. Es ist ein großer Regulationsaufwand und die Aktivität von zahlreichen Genen notwendig, um mit Hilfe von unterschiedlichen Signalstoffen dieses Wechselspiel zu steuern. Über eine bestimmte Phase der vorgeburtlichen Entwicklung besitzt der Mensch sogar ein echtes Fell aus feinen Lanugohaaren, die den Körper bedecken und die an die tierischen Ahnen der Spezies Mensch erinnern. Später verschwinden diese Haare wieder. Bleiben sie erhalten und kommt ein Mensch mit einer Art von Fell einschließlich einer vollständigen Gesichtsbehaarung zur Welt, wird von einem Atavismus gesprochen. Merkmale von genetischen Ahnen einer Spezies, die eigentlich am Ende der Fötalzeit hätten verschwinden müssen, bleiben erhalten. Neben Mutationen können auch genetische Regulationsstörungen die Ursache für einen Atavismus darstellen. Bei Regulationsstörungen beschränkt sich die nachgeburtliche Ausprägung des Atavismus auf das betroffene Individuum, bei Mutationen kann ein Atavismus auch an die Nachkommen weiter vererbt werden [2] [3] [4].

Als Ursache für die vollständige Behaarung von Körper und Gesicht wird ein aktives sogenanntes „Werwolf-Gen” diskutiert. Warum dieses Gen vor der Geburt nicht deaktiviert wird, ist bisher nicht bekannt, im Normalfall ist es am Ende der Schwangerschaft inaktiv. Auch ist nicht geklärt, ob es sich um ein einzelnes Gen oder um eine Gruppe von Genen handelt. Vermutlich befindet sich die genetische Information für eine vollständige Behaarung von Körper und Gesicht auf dem X-Chromosom [2] [3].

Im menschlichen Organismus gibt es neben der Vollbehaarung von Körper und Gesicht noch weitere Atavismen ([Abb. 2]). Beim weiblichen Fötus kann sich die embryonale Milchleiste erweitern, sodass zusätzliche Brustwarzem wie bei den Säugetieren entstehen. Im Extremfall können Brustwarzen beim Menschen sogar am Oberschenkel vorkommen. Bilden sich Anlagen, die während der Embryonalentwicklung an Kiemen erinnern, vor der Geburt nicht wieder zurück, kann ein Mensch mit einer Halsfistel zur Welt kommen; diese Fistel kann dann mit einer Art offener Kiemenspalte verglichen werden. Daneben kann der Mensch wie manche Affen eine Form von Greiffüßen entwickeln, oder bei der Frau ist in seltenen Fällen wie bei zahlreichen Säugetieren der Uterus doppelt angelegt. Ein Atavismus weist neben der „menschlichen Fellbildung” besonders deutlich auf die tierischen Ahnen des Menschen hin: Es kommt zwar selten vor, aber immer wieder werden neugeborene Kinder mit einem echten Schwanz beschrieben. Die „Schwanzbildung” des Menschen führt etwa 25 Millionen Jahre zurück. Damals trennten sich die Entwicklungswege der menschlichen Vorfahren mit und ohne Schwanz. Die menschliche DNA trägt allerdings noch heute die Information zur „Schwanzbildung”. Menschen mit einem Schwanz hatten es sicherlich im Mittelalter schwer, denn der Teufel wurde in der Kunst stets mit einem Schwanz abgebildet [2] [3].

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Abb. 2 Menschliche Atavismen: a volle Gesichtsbehaarung, b Junge mit Halsfistel, c Frau mit zusätzlichen Brustwarzen, d Junge mit Schwanz (aus: Evolutionsbiologie, siehe Zitat).

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Transplantationsexperimente

Mit Hilfe von molekularbiologischen Techniken lassen sich in der DNA der Zellen von höheren Lebensformen verblüffende und eigentlich für immer abgeschaltete genetische Informationen erneut aktivieren. Fügt man im Experiment die Anlage zur Kieferbildung eines Hühnerembryos mit der Anlage zur Zahnbildung eines Mäuseembryos zusammen, dann tritt ein völlig überraschendes Ergebnis auf. Das Hühnergewebe mit den Mäuseanlagen produziert plötzlich Zähne, die allerdings keine Mäusezähne sind. „Hühnerzähne” sind in der Natur überhaupt nicht vorgesehen, denn alle Vögel der Gegenwart besitzen keine Zähne. „Hühnerzähne” lassen sich nur über eine Evolution erklären, denn Archaeopterix, der vermutliche Urahne aller Vögel, besaß vor etwa 60 Millionen Jahren tatsächlich Zähne, was aus fossilen Funden belegt werden kann. Vögel der Gegenwart verfügen somit noch über das genetische Potenzial zur Zahnbildung, und es scheint, dass ihnen allein das Entwicklungssignal zur Zahnbildung verloren gegangen ist. Es ist schon erstaunlich: Obwohl sich die Entwicklungswege zu den Säugetieren und zu den Vögeln bereits vor rund 300 Millionen Jahren getrennt haben, wirken Entwicklungssignale von Säugetieren immer noch bei Vögeln [2].

Transplantiert man die Epidermis einer Eidechse auf die Dermis einer Maus, bildet diese Schuppen aus, doch die Schuppen sind nach dem Muster der Mäusehaare und nicht wie bei Eidechsen üblich angeordnet. Trotz der großen genetischen Entfernung zwischen beiden Spezies können Signale aus der Säugetierdermis noch von der Reptilienepidermis erkannt werden. Sicherlich gibt es auch im Genom des Menschen viele Informationen, die zwar vorhanden sind, aber nicht genutzt werden können; es fehlt die Möglichkeit, sie zu aktivieren [3].

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Historische und moderne „Haarmenschen”

In der Gemäldegalerie von Schloss Ambras bei Innsbruck hängt als ein besonderes Kuriosum das Bild des „Haarmenschen” Petrus Gonsalvus, dessen Leben recht gut dokumentiert werden kann ([Abb. 3]). Er war einschließlich des Gesichts völlig behaart und vererbte auch diese Eigenschaft. Gonsalvus wurde 1556 auf den Kanarischen Inseln geboren. Zu seinen Vorfahren gehörten Guanchen, die Ureinwohner der Inseln. Aus dieser Tatsache entwickelten später Naturforscher die falsche These, die Guanchen wären wie Affen behaart gewesen. Bereits als Kind kam Gonsalvus vermutlich als Diener an den Hof des französischen Königs Heinrich II., er fiel dort auf und erhielt eine vorzügliche Ausbildung. Nach dem Tod des Königs lebte er am Hof von Margarethe von Parma, die damals Statthalterin der spanischen Niederlande war. Ab 1583 ist sein Aufenthalt in Parma in Italien nachweisbar, wo er sehr geschätzt wurde. Er hatte mit einer normalen Frau mehrere Kinder, von denen vermutlich drei ebenfalls „Haarmenschen” waren. Von zwei seiner Kinder existieren Gemälde, die eine volle Behaarung des Gesichts zeigen ([Abb. 4]). Immer wieder fragten Ärzte und Naturforscher an, die Familie untersuchen zu dürfen. Einige dieser Untersuchungsberichte sind noch heute erhalten [5].

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Abb. 3 Petrus Gonsalvus nach einem Gemälde der Kunstkammer von Schloß Ambras bei Innsbruck, um 1580, Künstler unbekannt.

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Abb. 4 Antonietta, Tochter von Petrus Gonsalvus. Gemälde von Lavinia Fontane (1552 - 1614), Parma, Italien.

Am Hof des Königs von Burma lebte Mitte des 19. Jahrhunderts Maphoon, eine Frau mit einer ebenfalls vollständigen Körperbehaarung. Ihr Gesicht war so stark behaart, dass nur Augen und Mund unter langen fellartigen Haaren zu sehen waren. Sie war mit behaarten Ohren geboren worden, und im Alter von sechs Monaten soll ihr Körper bereits komplett behaart gewesen sein. Wahrscheinlich aus dem Jahr 1875 ist ein Foto erhalten, das Maphoon, ihren ebenfalls im Gesicht voll behaarten Sohn und eine im Gesicht voll behaarte Enkeltochter zeigt [5].

Andere „Haarmenschen” hatten im 19. und sogar noch im frühen 20. Jahrhundert keine königlichen Gönner, sondern mussten ihren Lebensunterhalt als „Attraktion” auf Rummelplätzen oder im Zirkus verdienen. Die nur 1,35 Meter große Julia Pastrana musste sich zum Beispiel als die „hässlichste Frau der Welt” begaffen lassen. Sie war sowohl im Gesicht als auch am Körper völlig behaart und besaß zu ihrem Unglück noch einen außergewöhnlich breiten Mund sowie ausgeprägte Stirnwülste und einen weit nach vorne geschobenen Unterkiefer.

In Mexiko lebt in unserer Zeit eine Großfamilie, von der rund 10 Mitglieder im Gesicht und am Körper völlig behaart sind; einige dieser Menschen arbeiten in einem Zirkus ([Abb. 5]). Im Verlauf von 5 Generationen waren etwa 20 Mitglieder (Männer und Frauen) dieser Großfamilie von der völligen Behaarung im Gesicht und am Körper betroffen. Vermutlich befindet sich das bei ihnen aktivierte „Werwolf-Gen” auf dem X-Chromosom, denn bei völlig behaarten Müttern und normalen Vätern beträgt die Wahrscheinlichkeit für die Nachkommen, selbst völlig behaart zu sein, 50 Prozent. Ist dagegen der Vater völlig behaart, sind bei einer normalen Mutter alle seine Töchter völlig behaart und keiner seiner Söhne. Ein Arzt der Großfamilie sammelt zwar Blutproben, Befunde über genetische Analysen liegen allerdings bisher nicht vor. Gegen die X-Chromosom-These als Ort des aktivierten „Werwolf-Gens” sprechen jedoch Beobachtungen bei der Familie von Petrus Gonsalvus. Bei einer normalen Mutter war einer seiner Söhne wie er selbst völlig behaart. Die Position des „Werwolf-Gens” ist somit noch nicht identifiziert und nur durch seine Aktivität kann auf seine Existenz geschlossen werden.

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Abb. 5 Zwei männliche Mitglieder einer mexikanischen Großfamilie mit vollständiger Gesichtsbehaarung, sie treten als „Wolf Boys” in einem Zirkus auf. (Mexican National Circus/www.mexicancircus.com).

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Gene, Pseudogene und Regulationsmechanismen

Das menschliche Genom besteht aus mehr als drei Milliarden DNA-Bausteinen, doch nur etwa 2 % der DNA trägt Informationen zur Synthese von Proteinen. Diese DNA mit aktiven Informationen zur Proteinsynthese verteilt sich nach neueren Schätzungen auf gerade einmal 21 000 Gene. Dazu kommen noch mehr als 19 000 Pseudogene. Es handelt sich bei ihnen um Gene, die den aktiven Genen sehr ähnlich sind, aber nicht funktionieren. Oft waren diese Gene früher einmal aktiv und haben durch Mutationen oder andere Mechanismen mit Schadensfolgen ihre Aktivität verloren. Nur wenige Mutationen reichen aus, um ein Gen „stumm” zu machen. Betrifft eine Mutation etwa den Promotor eines Gens, kann die Transkription der DNA in RNA nicht mehr starten. Insbesondere bei Verlustmutationen können Pseudogene wirksam sein [6] [7].

Sicherlich sind bei der Entwicklung, Verteilung und dem Wachstumsverhalten der Haare auf der menschlichen Haut zahlreiche Gene aktiv. Es ist durchaus denkbar, dass bei der terminalen Behaarung viele spezifische Gene, die bei Tieren mit Fell noch funktionieren, beim Menschen zu Pseudogenen geworden sind und deshalb den Fellverlust ausgelöst haben. Genetisch sind der Mensch und der Schimpanse Vettern und stimmen bis auf weniger als zwei Prozent in ihren DNA-Sequenzen überein. Es könnten somit zur Haarbildung Gene existieren, die beim Schimpansen aktiv und beim Menschen inaktiv sind.

Pseudogene müssen nicht für immer inaktiv bleiben. Geht ihr Aktivitätsverlust auf eine Punktmutation zurück, kann eine weitere Punktmutation an gleicher Stelle durchaus den alten Zustand wieder herstellen und das Gen ist dann wieder aktiv. Daneben können Pseudogene durch Genumlagerungen auf den Chromosomen in den Einflussbereich von starken Genpromotoren geraten und werden dann ebenfalls wieder aktiviert. Schließlich können auch prozessierte Pseudogene von Bedeutung sein. Diese Gene entstehen, wenn die bereits gespleißte RNA nicht zu den Syntheseapparaten im Zellplasma wandert, sondern erneut in DNA zurück überschrieben wird. Als prozessiertes Pseudogen wird diese DNA anschließend in das Genom eingebaut. Für 80 Gene für ribosomale Proteine konnten beispielsweise bisher rund 2000 prozessierte Pseudogene nachgewiesen werden, die alle durch Rücküberschreibung von RNA in DNA gebildet wurden.

An erneut aktivierten Pseudogenen kann ebenfalls RNA transkribiert werden. Diese RNA wandert allerdings nicht zu den Syntheseapparaten für Proteine, sondern kontrolliert wahrscheinlich die Dosierung der RNA aus regulär aktiven Genen. Der genetische Informationsfluss vom Zellkern zum Zellplasma lässt sich durch solche Wechselbeziehungen effektiv steuern. Beim Menschen werden bisher mindestens zwei Dutzend Pseudogene verdächtigt, durch eine erneute Aktivierung den Fluss der RNA zu den Syntheseapparaten zu beeinflussen. Möglicherweise gelten solche Überlegungen auch für die genetische Grundlage der fehlenden oder tatsächlich existierenden Haarbildung des Menschen nach der Geburt. Das noch nicht identifizierte „Werwolf-Gen” wäre somit kein einzelnes aktiviertes Gen, sondern ein höchst komplizierter molekularer Mechanismus, der fehlerhaft arbeitet [6] [7].

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Literatur

Dr. Manfred Reitz

Schillerstr. 7

99423 Weimar

Email: reitzmanfred@yahoo.de

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Literatur

Dr. Manfred Reitz

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Abb. 1 Ein Werwolf raubt ein Kind, Holzschnitt von Lukas Cranach der Ältere, 1512. Der Werwolf hat noch das Aussehen und die Gestalt eines Menschen, läuft allerdings bereits auf allen Vieren.

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Abb. 2 Menschliche Atavismen: a volle Gesichtsbehaarung, b Junge mit Halsfistel, c Frau mit zusätzlichen Brustwarzen, d Junge mit Schwanz (aus: Evolutionsbiologie, siehe Zitat).

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Abb. 3 Petrus Gonsalvus nach einem Gemälde der Kunstkammer von Schloß Ambras bei Innsbruck, um 1580, Künstler unbekannt.

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Abb. 4 Antonietta, Tochter von Petrus Gonsalvus. Gemälde von Lavinia Fontane (1552 - 1614), Parma, Italien.

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Abb. 5 Zwei männliche Mitglieder einer mexikanischen Großfamilie mit vollständiger Gesichtsbehaarung, sie treten als „Wolf Boys” in einem Zirkus auf. (Mexican National Circus/www.mexicancircus.com).