Rehabilitation (Stuttg) 2007; 46(3): 164-174
DOI: 10.1055/s-2007-973826
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Problemorientiertes Lernen (POL) in der Rehabilitation am Beispiel eines Patienten mit Spondylitis ankylosans

Problem Oriented Learning (POL) in Rehabilitation on the Example of a Patient with Ankylosing SpondylitisK. Horn 1 , M. Gülich 2 , 6 , W. Lay 3 , 6 , M. Morfeld 4 , 6 , S. R. Schwarzkopf 5 , 6 , W. Mau 1 , 6
  • 1Institut für Rehabilitationsmedizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
  • 2Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg
  • 3Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung und Qualitätssicherung in der Rehabilitation, Charité- Universitätsmedizin Berlin, Campus Mitte
  • 4Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, und Fachbereich Humanwissenschaften, Hochschule Magdeburg-Stendal
  • 5Klinik und Poliklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München
  • 6Kommission „Aus-, Fort- und Weiterbildung” der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
21. Juni 2007 (online)

Zusammenfassung

Neue Lehr- und Lernmethoden bieten die Möglichkeit, rehabilitationsrelevante Lehrinhalte effektiv zu vermitteln. Deshalb wird in diesem Beitrag die Entwicklung eines Falls für das Problemorientierte Lernen (POL) in der rheumatologischen Rehabilitation am Beispiel der Spondylitis ankylosans dargestellt. Er ist in Lehrveranstaltungen des Querschnittsbereichs Rehabilitation, Physikalische Medizin, Naturheilverfahren einsetzbar, in dem nach der 9. Revision der Approbationsordnung für Ärzte die curriculare Lehre zur Rehabilitation im Medizinstudium zu vermitteln ist. Darüber hinaus ergeben sich für die vorgestellten Lehrmaterialien grundsätzlich auch andere Einsatzmöglichkeiten wie Wahlfächer oder Lehrveranstaltungen für nichtärztliche Berufsgruppen des multiprofessionellen Rehabilitationsteams. Über erste Erfahrungen mit dem POL-Fall im Studiengang Gesundheits- und Pflegewissenschaften der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wird berichtet.

Abstract

Through innovative teaching and learning methods relevant topics in rehabilitation can be conveyed effectively. Therefore, in this paper a papercase for problem-oriented learning (POL) is presented concerning rehabilitation in rheumatology, exemplified by a patient with ankylosing spondylitis. This papercase can be applied in the integrated course Rehabilitation, Physical Medicine and Naturopathic Treatment, the curricular part of teaching rehabilitation during the medical training according to the 9th revision of the Federal Medical Licensing Regulations (Approbationsordnung). In addition the teaching material presented can be used in other courses, such as elective courses for non-medical professionals of the interdisciplinary rehabilitation team. First experiences gathered with the papercase in the Health and Nursing Sciences study programme of the Faculty of Medicine of Martin-Luther-University Halle-Wittenberg are reported.

Literatur

  • 1 Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002.  Bundesgesetzblatt Teil I,. 2002;  44 2405-2435
  • 2 Mau W, Gülich M, Gutenbrunner C, Lampe B, Morfeld M, Schwarzkopf SR, Smolenski UC. Lernziele im Querschnittsbereich Rehabilitation, Physikalische Medizin, Naturheilverfahren nach der 9. Revision der Approbationsordnung für Ärzte.  Rehabilitation. 2004;  43 337-347
  • 3 World Health Organisation .International classification of functioning, disability and health (ICF). Genf: WHO 2001 - verfügbar unter:www.who.int/classification/icfi deutsche Fassung von 2005 verfügbar unter:www.dimdi.de
  • 4 Mau W, Kusak G. Umsetzung der neuen Approbationsordnung für Ärzte im Querschnittsbereich „Rehabilitation, Physikalische Medizin, Naturheilverfahren” an den medizinischen Fakultäten in Deutschland.  Rehabilitation. 2005;  44 129-133
  • 5 Schwarzkopf SR, Morfeld M, Gülich M, Lay W, Horn K, Mau W. Aktuelle Lehr-, Lern- und Prüfungsmethoden in der medizinischen Ausbildung und ihre Anwendungsmöglichkeiten für die Rehabilitation.  Rehabilitation. 2007;  46 64-73
  • 6 Mau W, Listing J, Huscher D, Zeidler H, Zink A. Employment across chronic inflammatory rheumatic diseases and comparison with the general population.  J Rheumatol. 2005;  34 ((4)) 721-728
  • 7 Mau W, Zeidler H. Spondylopathien: Spondylitis ankylosans. In: Zeidler H, Hiepe F, Zacher J (Hrsg): Interdisziplinäre klinische Rheumatologie. 2. Aufl. Heidelberg: Springer 2007
  • 8 Zochling J, van der Heijde D, Burgos-Vargas R, Collantes E, Davis Jr JC, Dijkmans B, Dougados M, Geher P, Inman RD, Khan MA, Kvien TK, Leirisalo-Repo M, Olivieri I, Pavelka K, Sieper J, Stucki G, Sturrock RD, van der Linden S, Wendling D, Bohm H, van Royen BJ, Braun J. ASAS/EULAR recommendations for the management of ankylosing spondylitis.  Ann Rheum Dis. 2006;  65 442-452
  • 9 Thömen D, Pach D, Schnabel K, Stahler K. Anleitung zur Erstellung von POL-Fällen für den Reformstudiengang Medizin. Berlin: Universitätsklinikum Charité, Medizinische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin 2001
  • 10 Moust JHC, Bouhuijs PAJ, Schmidt HG. Problemorientiertes Lernen. Wiesbaden: Ullstein Medical 1999
  • 11 Pfaff M. Problemorientiertes Lernen. Weinheim: Chapman & Hall 1996
  • 12 Bullinger M, Kirchberger I. SF-36. Fragebogen zum Gesundheitszustand. Handanweisung. Göttingen: Hogrefe 1998
  • 13 Haibel H, Rudwaleit M, Sieper J. Outcome-Parameter bei der ankylosierenden Spondylitis.  Z Rheumatol. 2006;  65 131-138
  • 14 Nellessen G. Leistungsdiagnostik und Leistungsprognostik - zentrale Elemente der sozialmedizinischen Begutachtung. Berlin: Mensch und Buch 2002
  • 15 Kohlmann T, Raspe H. Der Funktionsfragebogen Hannover zur alltagsnahen Diagnose der Funktionsbeeinträchtigung durch Rückenschmerzen (FFbH-R).  Rehabilitation. 1996;  35 I-VIII
  • 16 Steiner WA, Ryser L, Huber E, Uebelhart D, Aeschlimann A, Stucki G. Use of the ICF model as a clinical problem-solving tool in physical therapy and rehabilitation medicine.  Physical Therapy. 2002;  82 1098-2008
  • 17 Bönisch A, Ehlebracht-König I, Krauth Ch, Rieger J. Evaluation eines Schulungsseminars für Patienten mit SPA. In: Petermann F (Hrsg): Prädiktion, Verfahrensoptimierung und Kosten in der medizinischen Rehabilitation. Regensburg: Roderer 2005
  • 18 Barrows HS. A taxonomy of problem-based learning methods.  Medical Education. 1986;  20 481-486
  • 19 Schmidt HG. Problem-based learning: rationale and description.  Medical Education. 1983;  17 11-16
  • 20 Barrows HS. Practice-based learning - Problem-based learning applied to medical education. Springfield, Illinois: Southern Illinois University 1994
  • 21 Norman GR, Schmidt HG. The psychological basis of problem based learning: a review of the evidence.  Academic Medicine. 1992;  67 557-565
  • 22 Lloyd-Jones G, Margetson D, Bligh JG. Problem-based learning: a coat of many colours.  Medical Education. 1998;  32 492-494
  • 23 Hitchcock MA, Anderson AS. Dealing with dysfunctional tutorial groups.  Teaching and Learning in Medicine. 1997;  9 19-24
  • 24 Hak T, Maguire P. Group process: the black box of studies in problem-based learning.  Academic Medicine. 2000;  75 769-772
  • 25 Schmidt HG, Norman GR, Boshuizen HPA. A cognitive perspective on medical expertise: theory and implications.  Academic Medicine. 1990;  65 611-621
  • 26 Koens F, Mann K, Custers E, Ten Cate O. Analyzing the concept of context in medical education.  Medical Education. 2005;  39 1243-1249
  • 27 Dolmans D, Gijselaers W, Moust J, De Grave W, Wolfhagen I, Van der Vleuten C. Trends in research on the tutor in problem-based learning: conclusions and implications for educational practice and research.  Medical Teacher. 2002;  24 173-180

Anhang

Im folgenden Text sind die Teile, die für die Tutoren bestimmt sind, farbig hinterlegt. Im Gegensatz zu den zentralen Lernzielen (in [Abb. 1] fett umrandet) sind Grundlagen für weitere Lernzielbereiche im Text mit kleinerer Schrift dargestellt. Aufgabenstellungen für Studierende sind umrandet.

Ein Rücken ohne Bambusstab

1. Aktuelle Beschwerden

Der 46-jährige Herr L. kommt zur stationären Aufnahme in die Reha-Klinik. Auf den ersten Blick fällt eine nach vorn gebeugte Haltung auf, die eine Hyperkyphose der Brustwirbelsäule vermuten lässt.

Auf die Frage, welche Beschwerden im Moment im Vordergrund stehen, antwortet Herr L. nach einem tiefen Seufzer: „Besonders schlimm sind zur Zeit die Schmerzen im Nacken, die in beide Schultern ausstrahlen, und im Bereich der Lendenwirbelsäule, besonders beim Liegen. Ich kann nicht mehr flach im Bett liegen. Zwei Kissen muss ich mir unter Kopf und Nacken legen, um überhaupt schlafen zu können. Morgens werde ich zwischen drei und vier Uhr von den Schmerzen geweckt. Ich muss aufstehen und umhergehen, damit Schmerz und Steifigkeit nachlassen. Auch tagsüber kann ich keine Körperposition lange aushalten, dann muss ich sie verändern. Außerdem kann ich nicht tief einatmen, sodass ich manchmal Atemnot habe.”

2. Auswirkungen auf Alltag und Beruf

Herr L. beschreibt daraufhin, wie sich die Krankheit auf Alltagsaktivitäten, Beruf und Privatleben auswirkt:

„Bei meiner Arbeit bin ich zunehmend beeinträchtigt. Beim Bedienen der großen Maschinen fehlt mir die Kraft, von den Schmerzen ganz zu schweigen! Wenn ich mich vorbeugen oder bücken muss, knie ich mich lieber gleich hin, weil mein Rücken einfach zu steif ist. Dann schießen mir oft die Bilder in den Kopf, die ich von anderen Leuten mit meiner Krankheit gesehen habe. Ich will keinen Bambusstab im Rücken haben!

Bis vor wenigen Jahren konnte ich eigentlich alle Aufgaben erfüllen, die von mir als Maschineneinrichter erwartet werden, obwohl ich immer steifer geworden bin. Niemand hat mir etwas angemerkt! Jetzt muss ich mir öfter von Kollegen helfen lassen, und trotz des größer werdenden Zeitdrucks im Betrieb bin ich immer langsamer geworden.

Vor zehn Monaten hatte ich wieder einen Schub. Deswegen habe ich mehr als 60 Fehltage gehabt. In den letzten acht Monaten wollte ich dann auf keinen Fall mehr krankgeschrieben werden. Obwohl ich mich mit meinen Kollegen und Vorgesetzten gut verstehe und auch weiß, dass meine Arbeit geschätzt wird, habe ich manchmal Angst, arbeitslos zu werden!

Schlimm ist auch, dass ich mich kaum noch traue, Auto zu fahren. Beim Ausparken z. B. kann ich mich mit Kopf und Oberkörper nicht mehr weit genug umdrehen, um den von hinten kommenden Verkehr ausreichend sehen zu können. Vor zwei Wochen hätte ich deshalb fast einen Unfall verursacht. Das große Problem dabei ist, dass ich durch die schlechte Anbindung meines Wohnortes an öffentliche Verkehrsmittel auf mein Auto angewiesen bin, um zur Arbeit zu kommen. Auch in anderen Situationen ist das Auto für mich unverzichtbar, z. B. für Einkäufe oder um Freunde zu besuchen. Dass ich nicht lange sitzen kann, ist z. B. im Kino oder bei einem gemeinsamen Essen mit Freunden sehr einschränkend. Allein die Vorstellung, dass ich wegen der Schmerzen aufstehen und rausgehen muss, ist mir unangenehm. Oft entscheide ich mich dann gegen solche Unternehmungen. Auch im Haushalt kann ich immer weniger tun. Einkaufen, staubsaugen und putzen bereiten mir zunehmend Probleme. Zum Glück ist meine Frau sehr verständnisvoll und unterstützt mich soweit sie kann.”

3. Krankheitsgeschichte

Auf die Aufforderung, seine Krankheitsgeschichte kurz darzustellen, erzählt Herr L.:

„Vor 30 Jahren, während meiner Ausbildung zum Maschinenschlosser, bekam ich Schmerzen im Gesäßbereich, die bis in die Oberschenkel ausgestrahlt haben, und immer häufiger Brustschmerzen, besonders beim tiefen Einatmen. Erst nach zehn Jahren, in denen ich bei verschiedenen Ärzten war und verschiedene Therapien ausprobiert wurden, wurde die Diagnose Spondylitis ankylosans gestellt.”

Auf weitere Nachfrage gibt er an, dass damals typische tief sitzende Kreuzschmerzen, die v. a. am frühen Morgen auftraten und sich bei Bewegung besserten, Morgensteifigkeit, allgemeines Schwächegefühl, Verspannungen der Rücken- und Nackenmuskulatur sowie eine später zunehmende Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule bestanden hätten. „Der Verlauf meiner Krankheit geht seitdem rauf und runter. Schwere Schübe hatte ich vor acht und drei Jahren und zuletzt vor zehn Monaten.”

4. Behandlungsverlauf und Reha-Zugang

„Seit der Diagnosestellung nehme ich morgens Arthrex duo® (Diclofenac 75 mg) ein, das hilft am besten. Ein Therapieversuch mit Kortison war erfolglos. Den Gebrauch zusätzlicher Medikamente versuche ich zu vermeiden.

Im Laufe der Zeit habe ich verschiedene andere Methoden ausprobiert. Einige wende ich jetzt relativ häufig an: autogenes Training, Ausdauertraining, Schwimmen und Radfahren. Um morgens in Gang zu kommen und für meine Arbeit fit zu sein, mache ich jeden Morgen etwa eine Stunde Gymnastik.

Nach dem Schub vor acht Jahren habe ich an einer ersten stationären Reha-Maßnahme teilgenommen. Danach fühlte ich mich für ca. ein Jahr beweglicher und hatte weniger Schmerzen. Ich habe einige wichtige Tipps für den Alltag und eigene Bewegungsübungen bekommen, die ich seitdem durchführe.

Mein Hausarzt hat mir nach der langen Krankschreibung vor einigen Monaten diese zweite stationäre Reha-Maßnahme angeraten, die durch meinen Betrieb mitgetragen wird. Ich hoffe sehr, dass es mir danach besser geht und ich wieder normal arbeiten gehen kann.”

Warum ist die Kenntnis des bisherigen Krankheits- und Behandlungsverlaufs wichtig (für Reha-Ziele, Reha-Plan, Interventionen)?

Was sind wichtige Merkmale des bisherigen Krankheitsverlaufs (z. B. langjährige Krankheitsdauer [30Jahre], schubhafter Verlauf, Schmerzen, bereits bestehende Bewegungseinschränkungen, Einschränkungen in Beruf und Freizeit)?

Bisherige Therapie und Rehabilitation

Welche medikamentösen und welche nicht-medikamentösen Behandlungen haben bisher geholfen (Diclofenac, Bewegungsübungen), welche nicht (Kortisontherapie)?

Welche Maßnahmen führt der Patient selbstständig durch (z. B. Ausdauertraining, Gymnastik)? Welchen Effekt hatte die frühere Reha-Maßnahme (z. B. Schmerzlinderung, Verbesserung der Beweglichkeit, Tipps für den Alltag)?

Reha-Zugang

Wer hat die derzeitige Reha-Maßnahme angeregt (Hausarzt) und unterstützt (Betrieb)? Ist das typisch (ärztliche Anregung häufig, betriebliche Unterstützung nicht typisch)? Von wem bzw. welchen Stellen werden heute Reha-Maßnahmen vorwiegend initiiert (Hausarzt, Krankenhausärzte, privates Umfeld)?

Wer stellt den Antrag auf Rehabilitationsmaßnahmen (Patient)?

Welcher Leistungsträger ist für diese Rehabilitationsmaßnahme zuständig (Rentenversicherung wegen des Erhalts der Erwerbsfähigkeit)?

5. Körperliche und Technische Untersuchungen

Welche körperlichen und technischen Untersuchungen sollten durchgeführt werden?

Bei der Untersuchung der Wirbelsäule werden eine deutlich vermehrte BWS-Kyphose, eine HWS-Hyperlordosierung und eine abgeflachte LWS-Lordose festgestellt. Es besteht eine Druckschmerzhaftigkeit an den Dornfortsätzen der HWS und LWS.

HWS: Streckung/Beugung 30-0-30°, Rotation rechts/links 35-0-35°, Seitneigung rechts/links

20-0-20°, Kinn-Sternum-Abstand 5/15 cm, Hinterhaupt(HH)-Wand-Abstand 8 cm.

BWS/LWS: BWS-Rotation rechts/links 20-0-20°, Schobersches Maß: 10/12,5 cm, Finger-Boden-Abstand: 40 cm.

Atembreite: 1,5 cm.

Laboruntersuchung: BSG 1 h 44 mm; CRP 15,0 mg/l. Alle anderen Werte liegen im Normbereich.

Röntgenaufnahmen der LWS mit Sakroiliakalgelenken, BWS und HWS jeweils in zwei Ebenen zeigen eine partielle Ankylosierung der Sakroiliakalgelenke (Sakroiliitis Grad 3 beidseits), mehrere deutliche Syndesmophyten der LWS und unteren BWS sowie vereinzelt in geringer Ausprägung an der HWS.

6. Assessmentverfahren

Welche Assessmentverfahren sollten eingesetzt werden?

  • Erfassung der Schmerzintensität mit einer numerischen Ratingskala: 8

  • Erfassung der Krankheitsaktivität mit der deutschen Fassung des BASDAI: 5,8

  • Erfassung der Alltagsfunktionen mit dem FFbH-R: 50%

  • Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität mit dem SF-36: In den Bereichen körperliche Funktionsfähigkeit, körperliche Rollenfunktion, Schmerz, Allgemeine Gesundheitswahrnehmung sowie Vitalität zeigen sich bei dem Rehabilitanden Abweichungen verglichen mit entsprechenden Normwerten. Besonders ausgeprägt sind die Einschränkungen in der körperlichen Rollenfunktion. In den Skalen psychisches Wohlbefinden und soziale Funktionsfähigkeit sind geringe Einschränkungen nachweisbar.

  • Zusätzlich kann die Anwendung des IMBA hilfreich sein: Bei der Gegenüberstellung von Fähigkeits- und Anforderungsprofil im konkreten Berufsalltag bestehen deutliche Diskrepanzen zum Beispiel in folgenden Bereichen:

    • 1. Stehen in gebückter Haltung (>>30°): geringe Fähigkeit (2) bei hoher Anforderung (4)

    • 2. Arme in Zwangshaltung: Arme über Kopf beim Sitzen/Stehen: keine Fähigkeit (1) bei hoher Anforderung (4)

    • 3. Rotationsbewegungen des Rumpfes im Stehen und Sitzen: geringe Fähigkeit (2) bei hoher Anforderung (4)

Wie lassen sich

▸ die aus Sicht des Rehabilitanden dargestellten krankheitsbedingten Beschwerden und Einschränkungen,

▸ die Befunde der körperlichen Untersuchung und Assessmentverfahren einordnen in die Bereiche

▹ Körperstrukturen und -funktionen

▹ Alltagsaktivitäten

▹ (Soziale) Teilhabe

- Beruf

- Privatleben

▹ Kontextfaktoren

- umweltbezogene

- personenbezogene

Nehmen Sie Eintragungen im ICF-Blatt ([Abb. 2]) vor.

Zoom Image

Abb. 2 ICF-Blatt mit Zuordnung der Hauptprobleme aus Sicht des Patienten und der zugrunde liegenden, modifizierbaren und messbaren Mediatoren aus der Perspektive des Rehabilitationsteams zu den Komponenten des ICF-Modells (mit freundlicher Genehmigung und Copyright © Dr. Werner Steiner, Zürich [16])

7. Reha-relevante Diagnosen

Spondylitis ankylosans (ICD-10: M45) seit 30 Jahren mit Beteiligung sämtlicher Wirbelsäulenabschnitte, mittlere Krankheitsaktivität, erhebliche alltagsrelevante Einschränkungen der Aktivität und Teilhabe im Beruf und Privatleben vorwiegend durch Schmerzen und Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule.

8. Reha-Bedarf und Reha-Fähigkeit

Welche Anhaltspunkte ergeben sich für den Rehabilitationsbedarf des Patienten?

Welche Voraussetzungen der Rehabilitationsfähigkeit erfüllt der Patient?

Reha-Bedarf: Es bestehen nicht nur vorübergehende alltagsrelevante Einschränkungen der Alltagsaktivität und Teilhabe (siehe 6.), insbesondere eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit aufgrund der Erkrankung.

Reha-Fähigkeit: Aufgrund seiner physischen und psychischen Belastbarkeit kann Herr L. mehrmals täglich aktiv an insgesamt mehrstündigen rehabilitativen Maßnahmen teilnehmen (siehe 10.).

9. Zielmediatoren und Rehabilitationsziele

Auf welche relevanten und modifizierbaren Zielmediatoren sind die Probleme zurückzuführen?

Welche Reha-Zielbereiche können festgelegt werden? Verwenden Sie hierzu auch [Tab. 1]

Tab. 1 Ausgewählte Zielmediatoren der Rehabilitation nach [Abb. 2] mit Dokumentation konkreter Befunde und festgelegten Zielwerten bei der Aufnahme-untersuchung sowie der erreichten Messwerte bei Entlassung

ICF-Komponenten

Assessmentverfahren

Aufnahme

Entlassung: Ziel

Entlassung: erreicht

Körperstrukturen/-funktionen

Krankheitsaktivität

Schmerzintensität gesamt (NRS 0-10)

8

4

4

CRP

15 mg/l

5 mg/l

10 mg/l

BASDAI

5,8

2,6

3,1

Bewegungseinschränkungen

Neutral-Null-Messung

HWS: Rotation re-li: 35-0-35°

HWS: Rotation re-li: 50-0-50°

HWS: Rotation re-li: 45-0-45°

HWS, BWS, LWS

Hinterhaupt-Wand-Abstand

8 cm

6 cm

6,5 cm

Finger-Boden-Abstand

40 cm

30 cm

35 cm

Schobersches Maß

10/12 cm

10/13 cm

10/12,5 cm

Thorax

Atembreite

1,5 cm

2,5 cm

2,0 cm

Aktivitäten/Teilhabe

FFbH-R

50%

70%

62,5%

Nach Erhebung von Anamnese und Untersuchungsbefunden sowie Einordnung in das ICF-Modell werden im Gespräch mit Herrn L. die Reha-Zielbereiche festgelegt.

  • Körperstrukturen/-funktionen:

    • Verminderung der Krankheitsaktivität (Schmerzintensität, CRP; BASDAI)

    • Verbesserung der Beweglichkeit aller Wirbelsäulenabschnitte

    • Kräftigung von Rücken- und Schultergürtelmuskulatur

    • Erhalt bzw. Erhöhung der Atembreite

    • psychische Entlastung

    • Verbesserung der Schmerz- und Krankheitsbewältigung sowie Wissensvermittlung über das Krankheitsbild SPA

    • Aktivität:

    • Verbesserung der Alltagsaktivitäten (Haushaltstätigkeit, Unternehmungen in der Freizeit)

    • Teilhabe:

      • Anpassung des Arbeitsplatzes

      • Erhöhung der Mobilität

      • Kontextfaktoren

        • Stärkung der eigenen Ressourcen (z. B. Gewohnheiten und Krankheitsbewältigung)

10. Interventionen im Reha-Team

Welcher Therapieplan mit konkreten rehabilitativen Interventionen im Reha-Team lässt sich aus den Zielen ableiten? Verwenden Sie hierzu auch [Tab. 2.]

Tab. 2 Übersicht der Problem- und Zielbereiche nach ICF-Komponenten, Assessmentverfahren und Interventionen

Problem- und Zielbereiche nach ICF-Komponenten

Assessmentverfahren

Interventionen

Körperstrukturen/-funktionen

▸ Krankheitsaktivität

Entzündungsparameter CRP
Schmerzintensität NRS
BASDAI

medikamentös: Umstellung Diclofenac-Einnahme
physikalische Therapie: Kryotherapie, Bindegewebsmassagen
Entspannungsverfahren, psychologisches Gespräch

▸ Einschränkung der Beweglichkeit
in allen Abschnitten der Wirbelsäule

körperliche Untersuchung: Hinterhaupt-Wand-Abstand, Finger-Boden-Abstand, Schobersches Maß

Physiotherapie: Krankengymnastik, klassische Massagen, medizinische Trainingstherapie, Kletterwand, Schwimmen, WS-gerechte Bewegungsanalyse/Bewegungstraining, Ergotherapie

▸ Thoraxbeweglichkeit

Atembreite

Atemübungen, Thoraxmassagen

▸ psychische Belastung
mangelnde Krankheitsbewältigung
nicht aktuelles Krankheitswissen
(z. T. auch Kontextfaktoren)

SF-36

psychologische Einzelgespräche PatientenschulungsprogrammEntspannungsverfahren

Aktivität/Teilhabe

Einschränkungen in der
Mobilität
im Haushalt
am Arbeitsplatz

SF-36
IMBA

Sozialdienst/Reha-Fachberatung zur Erwerbstätigkeit
ergotherapeutische Unterstützung bei der Planung der Pkw-Umrüstung als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie zum Gebrauch von Hilfsmitteln im Haushalt

Medikamentöse Behandlung:

Die Dosierung von Diclofenac wird erhöht und umgestellt, um die nächtliche und frühmorgendliche Schmerzlinderung zu erreichen: 100 mg Supp. zur Nacht und 50 mg morgens als Tablette.

Physiotherapie:

Der Bewegungstherapie kommt bei der Behandlung der Spondylitis ankylosans eine besonders große Bedeutung zu. Ziel ist es, die Beweglichkeit von Wirbelsäule, Thorax und Gelenken zu verbessern und zu erhalten, die Versteifung hinauszuzögern, die Muskulatur zu kräftigen, Kompensationsbewegungen zu erlernen, Gangsicherheit, Koordination und Gleichgewicht zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Vergrößerung bzw. Erhaltung der Atembreite. Erreicht werden diese Ziele mit folgenden krankengymnastischen Prinzipien:

  • Mobilisation der Intervertebral- und Costotransversalgelenke

  • Dehnung verkürzter Muskelgruppen

  • Kräftigung abgeschwächter Muskelgruppen

  • Atemtherapie

  • Koordinations-, Gleichgewichtstraining (Sturzprophylaxe)

  • Gangschulung

  • Eintrainieren von Eigenübungen

Diese Prinzipien können mit verschiedenen Methoden und Geräten umgesetzt werden.

Herrn L. werden tägliche Einzel- und Gruppentherapien verordnet, darin enthalten sind Übungen am Boden, auf dem Gymnastikball, an der Sprossenwand sowie Atemübungen. Außerdem erhält er klassische Massagen zur Lockerung kontrakter Muskelgruppen und Thoraxmassagen, nimmt an der Medizinischen Trainingstherapie, an Übungen an der Kletterwand und an Schwimmübungen zur Steigerung der Ausdauer und Kräftigung der geschwächten und überdehnten Muskulatur teil.

Ergotherapie:

In der Ergotherapie wird Herr L. über kraft- und wirbelsäulenschonendes Bücken, Heben und Tragen informiert, was hinsichtlich seines Berufes besonders wichtig ist. Bewegungsabläufe werden analysiert, korrigiert und trainiert. Er wird über Erleichterungen in Haushalt und Beruf beraten. Im Selbsthilfetraining werden die Wichtigkeit und Einschätzung der Einschränkungen besprochen.

Die von Herrn L. beschriebenen Schwierigkeiten beim Autofahren durch die eingeschränkte Rotationsfähigkeit von HWS und BWS können durch den Einsatz von zusätzlichen Kfz-Spiegeln ausgeglichen werden. In der Ergotherapie wird der Einsatz der Spiegelsysteme an einem entsprechend ausgestatteten Pkw geübt.

Physikalische Therapie:

Herr L. soll zwei- bis dreimal täglich die Ganzkörperkältekammer benutzen (2-3 Minuten bei -110 °C mit Akrenschutz), was sich sowohl positiv auf die Schmerzen als auch auf die Entzündungsprozesse auswirkt. (Bei Unverträglichkeit der Ganzkörperkältetherapie können auch Rheumabäder verordnet werden.)

Teilnahme an einem Patientenschulungsprogramm:

Herr L. verfügt über ein recht gutes Basiswissen über seine Erkrankung. Da er sich neue Anregungen wünscht, sein Wissen ergänzen sowie den Erfahrungsaustausch mit anderen an Spondylitis ankylosans Erkrankten suchen möchte, erscheint die Teilnahme an dem Schulungsprogramm der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie sinnvoll.

Mit einem interdisziplinären Ansatz (ärztliche, psychologische, physiotherapeutische und ergotherapeutische Module) werden verschiedene Themen in Seminarform bearbeitet. Entscheidend sind hierbei der Einbezug und die aktive Mitarbeit der Teilnehmenden. Das Schulungsprogramm umfasst folgende Module:

  • Modul 1: Krankheitsbild, Ursachen, Verlauf und Diagnostik

  • Modul 2: Krankengymnastik

  • Modul 3: Hilfen zur Bewältigung chronischer Schmerzen

  • Modul 4: Behandlungsmöglichkeiten inklusive physikalische Therapie

  • Modul 5: Wirbelsäulengerechtes Verhalten im Alltag

  • Modul 6: Alltags- und Krankheitsbewältigung

Außerdem soll Raum für Fragen und den Austausch der Teilnehmer untereinander gegeben werden.

Psychologische Betreuung:

Im Einzelgespräch werden Aspekte der Krankheits- und Schmerzbewältigung besprochen, wobei u. a. das im Voraus geführte Schmerztagebuch herangezogen wird.

Sozialdienst und Reha-Fachberatung zur Erwerbstätigkeit:

Herr L. ist aufgrund seiner langen Berufserfahrung und Zuverlässigkeit ein geschätzter Mitarbeiter im Betrieb mit ca. 100 Mitarbeitern. Besondere Bedeutung wird der Anpassung des Arbeitsplatzes beigemessen. Herr L. hat seinen Arbeitgeber bislang nicht über seine Erkrankung aufgeklärt, obwohl er einige an ihn gestellte Anforderungen immer schlechter erfüllen kann. Bei der Wartung und Reparatur von Maschinen muss er z. B. häufig mit den Armen in Zwangshaltungen über Kopf bzw. gebückt arbeiten sowie Rotationsbewegungen des Rumpfes im Stehen und Sitzen ausführen.

Die Gegenüberstellung des Fähigkeits- und Anforderungsprofils im IMBA zeigt, dass vor allem das häufig notwendige Heben von schweren Maschinenteilen nicht möglich ist. Deshalb wird mit dem Betrieb und der Rentenversicherung die Einrichtung einer geeigneten Hebevorrichtung als technische Hilfe aus dem Bereich der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (früher berufsfördernde Maßnahmen) geklärt, die auf Antrag von der Rentenversicherung finanziert werden kann.

Die Sozialarbeiterin berät Herrn L. bez. der Beantragung eines Schwerbehindertenausweises. Es ist wahrscheinlich, dass eine Anerkennung als Schwerbehinderter sowohl für ihn als auch für den Betrieb Vorteile bieten würde:

  • für Herrn L. vor allem einen Kündigungsschutz und Zusatzurlaub neben einzelnen steuerlichen Vergünstigungen,

  • für seinen Betrieb die Verminderung der sonst notwendigen Ausgleichsabgabe für die Nichterfüllung der 5%-Beschäftigungsquote von Menschen mit Schwerbehinderung.

Herr L. entschließt sich nach Beratung mit den Ärzten der Rehabilitationsklinik zur Beantragung eines Schwerbehindertenausweises. Die Entscheidung über die Anerkennung mittelgradiger Krankheitsauswirkungen mit dauernden erheblichen Funktionseinbußen und Beschwerden als Voraussetzung eines Grads der Behinderung (GdB) von mindestens 50 obliegt dem Versorgungsamt auf Antrag des Betroffenen. Im Rahmen der Amtshilfe werden die Entlassungsbriefe der Rehabilitationskliniken zur Einschätzung des GdB mit herangezogen.

11. Reha-Verlauf und Reha-Erfolg

Wie kann der Rehabilitationserfolg gemessen/abgeschätzt werden? Welche Parameter und Untersuchungsbefunde sollten (erneut) erhoben werden, um festzustellen, ob die Rehabilitationsziele erreicht werden konnten? (Entlassungswerte der Zielmediatoren nach festgelegten Reha-Zielen)

Subjektiv fühlt sich Herr L. besser und kräftiger als zum Beginn der Reha-Maßnahme. Die Schmerzen konnten reduziert werden, wenn auch keine Schmerzfreiheit erreicht werden kann. Auf der Schmerzskala (1-10) gibt er einen Wert von 4 an.

Die Morgensteifigkeit konnte etwas vermindert werden, sodass er „schneller in Gang kommt”. Die Beweglichkeit konnte insgesamt verbessert werden, wie folgende Untersuchungsbefunde verdeutlichen: Finger-Boden-Abstand 35 cm, Schobersches Maß: 10/12,5 cm, Hinterhaupt-Wand-Abstand 6,5 cm, HWS-Rotation rechts/links 45-0-45°, die Atembreite konnte auf 2 cm erhöht werden.

Erhebliche Bewegungseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule bleiben jedoch aufgrund der bereits erfassbaren Ankylosierung bestehen. Im Rahmen der Patientenschulung konnte er nach eigenen Angaben viele nützliche Informationen und Anregungen sammeln.

Durch die Einleitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises fühlt sich Herr L. hinsichtlich seiner beruflichen Sorgen bereits etwas entlastet.

12. Sozialmedizinische Begutachtung

Welches positive bzw. negative Leistungsbild im Sinne der sozialmedizinischen Begutachtung lässt sich aus den erhobenen Befunden erstellen?

Herr L. wird arbeitsfähig entlassen.

Qualitatives Leistungsvermögen:

  • Positives Leistungsbild: leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in möglichst wechselnden Körperhaltungen

  • Negatives Leistungsbild: keine schwere körperliche Arbeit, keine häufigen Zwangshaltungen, keine Überkopfarbeit, kein Zeitdruck wie z. B. Akkordarbeit, ohne zusätzliche Belastungsfaktoren wie Nässe, Kälte, Zugluft

Quantitatives Leistungsvermögen:

Es wird keine Erwerbsminderung festgestellt (durchschnittliche Tätigkeit mindestens 6 Stunden pro Tag).

13. Nachsorge

Welche Aspekte sind hinsichtlich der Nachsorge wichtig? Erstellen Sieeinen Behandlungsplan für die Nachsorge.

Um den medizinischen Rehabilitationserfolg zu erhalten, wird gemeinsam überlegt, wie die während des Aufenthaltes in der Reha-Klinik entwickelten Therapiekonzepte und persönlichen Vorstellungen praktikabel in den Alltag integriert werden können. Um die Resultate im Bereich der Körperfunktionen im Sinne der Tertiärprävention zumindest zu erhalten, wird Herrn L. zweimal pro Woche für 6 Monate ein Funktionstraining (Krankengymnastik in der Gruppe unter Leitung eines Physiotherapeuten) verordnet, das von der Rheumaliga in Wohnortnähe angeboten und von der Rentenversicherung finanziert wird. Das Gymnastikprogramm, das er selbstständig täglich absolviert, wird er durch einige neu erlernte Übungen ergänzen und weiterführen können.

Die Kontaktadresse der Selbsthilfegruppe der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew sowie weitere wohnortnahe Beratungsstellen werden ihm vermittelt, wohin er sich bei Bedarf wenden kann. Die nächste Vorstellung beim betreuenden Rheumatologen wird vereinbart. Die Medikation wird beibehalten. Wegen der deutlichen Besserung der initial hohen Krankheitsaktivität ist die Einleitung einer Therapie mit Biologika (Anti-TNF) zur Zeit nicht notwendig. Sie ist aber in Zukunft zu diskutieren, falls die Entzündungsaktivität langfristig wieder hoch ist.

14. Ausblick

Innerhalb des Folgejahres haben sich die Schmerzen nicht wieder verstärkt. Herr L. fühlt sich weiterhin beweglicher als vor der Rehabilitationsmaßnahme. Er wird nur noch ein- bis zweimal pro Woche frühmorgens von Schmerzen wach und kann dann besser als früher wieder einschlafen.

Es ist eine Anpassung des Arbeitsplatzes mit Finanzierung durch die Rentenversicherung erfolgt. Eine Hebehilfe wurde montiert, mit der Herr L. schwere Maschinenteile bewegen kann. Von seinen Kollegen wird er weiterhin unterstützt. Da sein Pkw mit Spiegelsystemen ausgestattet wurde, kann er wieder sicher mit dem Auto zur Arbeit fahren, womit seine Mobilität und Flexibilität weiterhin gewährleistet sind. Herr L. hat einen Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 50 erhalten. Somit konnte die berufliche Situation verbessert werden und die anfänglichen Befürchtungen einer möglichen Erwerbsminderung aus dem Weg geräumt werden.

Hin und wieder nimmt Herr L. an den angebotenen Veranstaltungen der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew teil. Zu einigen Erkrankten, die er beim Schulungsseminar kennen gelernt hat, besteht weiterhin Kontakt. Alles in allem ist Herr L. mit seiner Situation zufrieden. Er äußert sich zuversichtlich, auch in Zukunft trotz der Einschränkungen mit seiner chronischen Erkrankung leben zu können. „Dafür muss ich eben auch etwas tun.”

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Wilfried Mau

Sprecher der Kommission „Aus-, Fort- und Weiterbildung” der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften

Institut für Rehabilitationsmedizin

Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

06097 Halle (Saale)

eMail: wilfried.mau@medizin.uni-halle.de