Univ. Prof. Dr. Reto Bale
Die Arbeitsgruppen aus Graz, Innsbruck und Wien beschäftigen sich mit 3D-Visualisierung,
multimodaler Bildgebung, Navigation, Stereotaxie, Robotik, computerunterstützter
Bildanalyse und virtueller Realität, wobei jede der Gruppen ihre speziellen Schwerpunkte
hat.
Die Aktivitäten wurden anlässlich des ECR 2001, 2003 und 2004 mit dem "Magna cum
Laude Award" für die Präsentation im Rahmen der "Golden Mile" mehrfach international
gewürdigt.
Graz
Graz
Sorantin E. et al., Univ. Klinik für Radiodiagnostik, Medizinische Universität Graz
- "Virtual Liver Surgery Planner" - neue Wege zur Lösung alter Probleme
Die chirurgische Therapie primärer und sekundärer Lebertumoren ist die einzige kurative
Möglichkeit für viele Patienten. Daher erfordert die Planung onkochirurgischer Eingriffe
an der Leber ein interdisziplinäres Team - die Radiologie ist integraler Bestandteil
und Motor dieses Teams. Fragen bezüglich der Lage des Tumors unter besonderer Berücksichtigung
der Segmentanatomie der Leber, der Beziehung zu Blutgefäßen und Gallengängen, des
Sicherheitsabstands zwischen Tumor und gesundem Gewebe sowie des Restvolumens der
Leber nach Resektion müssen durch die Radiologie präoperativ beantwortet werden.
Die heutige Leistungsfähigkeit von bildgebenden Verfahren wie Ultraschall, Computertomografie
(CT) und Magnetresonanztomografie, als auch die verfügbare Rechenleistung von Computern,
erlauben es, neue Wege auf diesem Gebiet zu gehen.
Die Univ.-Klinik für Radiologie Graz hat sich in einem interdisziplinären, internationalen
Team, bestehend aus Radiologen, Chirurgen und Ingenieuren, dieser Herausforderung
gestellt. Ziele sind eine verbesserte präoperative Erfassung der topografischen
Anatomie unter Verwendung von Methoden der virtuellen Realität und Datenhelmen,
die Durchführung einer funktionellen Tumorvolumetrie und die Entwicklung einer intraoperativen
Navigation.
Die Grundlage der Bildverarbeitung sind präoperative CT-Untersuchungen. Aus diesen
CT-Daten werden hochqualitative 3D-Rekonstruktionen angefertigt und mittels eines
Datenhelms unter Verwendung von Methoden der virtuellen Realität visualisiert. Alle
anatomischen Details können inspiziert werden und auch die Lagebeziehungen des Tumors
zu Gefäßen und den einzelnen Lebersegmenten.
Im gleichen Arbeitsschritt ist auch die Operationsplanung möglich, insbesondere welche
Lebersegmente reseziert werden müssen oder ob eine atypische Resektion zur Wahl steht.
Da die Lebersegmente und auch ihr Volumen bereits durch das Verfahren bekannt sind,
kann eine anatomische Volumetrie durchgeführt und damit auch das verbleibende Lebergewebe
erfasst werden. Allerdings entspricht bei Organen mit Vorerkrankungen, beispielsweise
einer Leberzirrhose, das anatomische Volumen nicht dem funktionellen Volumen, da
die Funktion in diesen Organen nicht gleichmäßig verteilt ist. In einem derzeit sich
in Entwicklung befindenden Schritt werden daher die Leber-CT-Daten mit denen einer
szintigrafischen Leberfunktionsuntersuchung überlagert. Dadurch soll auch eine funktionelle
Aussage über das verbleibende Leberparenchym getroffen werden können.
Für die Realisierung der intraoperativen Navigation wurden Vorarbeiten begonnen, in
welchen zuerst Detailfragen, z.B. die Entwicklung einer mathematischen Beschreibung
der Zwerchfellbeweglichkeit oder der durch die Atmung ausgelösten Verlagerung und
Deformierung der Oberbauchorgane, gelöst werden müssen.
Abb. 1 Roboter-System (B-ROB II) mit automatischer Registrierung, modularem Aufbau
und "plug&play"-Konzept.
Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe wurde 2003 und 2004 bereits mit 3 wissenschaftlichen
Preisen ausgezeichnet. Bisher wurden bereits 20 wissenschaftliche Beiträge verfasst
und mehrere Ausstellungen gemeinsam organisiert, zuletzt 2007. Die interdisziplinäre
Arbeitsgruppe wird durch den FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung-
P14897-N04 und P17066-N04) unterstützt.
Innsbruck
Innsbruck
Bale et al., Interdisziplinäres Stereotaktisches Interventions- und Planungs-Labor
(SIP-Labor)
Im SIP-Labor an der Abteilung für Radiodiagnostik I der Medizinischen Universität
Innsbruck werden seit mehreren Jahren neue minimal-invasive interventionelle Techniken
entwickelt und evaluiert. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Bildfusion von MRT-, CT-,
SPECT-, PET- und Ultraschalldaten fuer Diagnostik und interventionelle Eingriffe.
Mehrere Patientenfixierungssysteme, Referenzierungssysteme und multimodale Marker
für Bildfusion und präzise perkutane bildgesteuerte Interventionen von Kopf bis
Fuß wurden entwickelt und patentiert, u.a. das Vakuumzahnabdruck-basierende Vogele-Bale-Hohner
Mundstueck für Kopffixation und Registrierung, ein Doppelvakuumfixationssystem für
Angiografie, extrakranielle Bildfusion und Intervention sowie Zielvorrichtungen
für rahmenlose stereotaktische Punktionen.
Das SIP-Labor versteht sich als Brücke zwischen technischer Entwicklung und klinischer
Umsetzung. Viele der entwickelten Technologien und Methoden haben mittlerweile weltweit
in die Routinearbeit Eingang gefunden. Beispielweise werden die vom SIP-Labor entwickelten
Zielvorrichtungen weltweit an vielen neurochirurgischen Zentren für Gehirntumorbiopsien
eingesetzt. Mittlerweile werden vom SIP-Labor in Zusammenarbeit mit der Univ. Klinik
für Nuklearmedizin ca. 30 MRT-, CT-, SPECT-, PET- und Ultraschalldaten pro Woche
für diagnostische Zwekke durchgeführt und interdisziplinär besprochen.
Ein weiteres Beispiel für die rasche Einführung der Entwicklungen in die klinische
Routine ist die im Rahmen der "Imagine 2007" auf dem ECR in Wien präsentierte rahmenlos
stereotaktische Radiofrequenzablation (RFA) von Lebertumoren. Das Ziel der RFA ist
die Induktion eines thermischen Schadens durch elektrische Energie. Das Ablationsareal
einer einzelnen RFA Sonde ist begrenzt, sodass bei großen Tumoren mehrfache Nadelpositionen
mit überlappenden Nekrosearealen erforderlich sind. Aufgrund der 3D-Problematik und
der schwierigen Zugangswegsituation (Rippen, Lunge, Hohlorgane, Gefäße) ist dies
mit derzeit verfügbaren konventionellen US-, CT- und MR-gezielten Techniken nur
eingeschränkt durchführbar.
Um den Erfolg der Therapie zu optimieren ist eine exakte Planung der 3D-Sondenverteilung
mit ausreichenden Überlappungen der einzelnen Nekrosen erforderlich. Mithilfe rahmenlos
stereotaktischer Navigationssysteme, Zielvorrichtung und Atemtriggerung können RFA
Sonden im Millimeterbereich platziert werden. Damit wird erstmals eine präzise Umsetzung
der virtuellen Planung auf den realen Patienten ermöglicht. Die Bildfusion erlaubt
eine exakte Bestimmung der Punktionsgenauigkeit durch eine Fusion zwischen dem intraoperativen
Planungs-CT Datensatz und dem Kontroll-CT mit liegenden Sonden sowie eine unmittelbare
präzise intraoperative Verifikation des Ablationsergebnisses durch eine Fusion zwischen
dem intraoperativen Planungs-CT-Datensatz und einem intraoperativen Kontrastmittel-unterstützten
Kontroll-CT nach Ablation.
Derzeitige Forschungsschwerpunkte beinhalten die Evaluation der In-vitro- und In-vivo-Genauigkeit
von verschiedenen bilddatengestützten Punktionstechnik (Laserzielgeräte vs. optische
und elektromagnetische 3D-Navigationssysteme vs. Robotik), Evaluierung der Effektivität
von verschiedenen Kombinationen von uni-und multipolaren RFA-Sonden in der perfundierten
und nichtperfundierten Ex-vivo-Rinderleber, die Evaluierung der elektromagnetischen
Navigation für die Steuerung von Angiografiekathetern sowie die Herstellung von
Bohrschablonen für Zahnimplantate auf der Basis von präoperativen CT-Daten.
Recheis et al., Arbeitsgruppe Medical Image Processing Innsbruck (MIPI)
Die Forschungsgruppe um Dr. Wolfgang Recheis konnte heuer am ECR im Rahmen der "Imagine"-Ausstellung
über mehrere Forschungsschwerpunkte berichten. Neue Methoden zur Emphysemquantifizierung
aus nativen low-dose Thorax-Computertomografien ist ein großes Themengebiet der Innsbrucker
Arbeitsgruppe an der Klinischen Abteilung für Radiologie II. In Zusammenarbeit mit
Prof. Hoffman von der University of Iowa werden mehrere bereits bestehende Softwarepakete
auf ihre Tauglichkeit in der klinischen Routine getestet und entsprechend weiterentwickelt.
Abb. 2 Farbkodierte Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Erosion (rot = hoch).
Ebenfalls die Lunge betreffend, ist die Entwicklung und Adaptierung von neuen Algorithmen
für die Fusion von verschiedenen CT-Datensätzen. Hierbei werden neue elastische Registrierungsmethoden,
z.B. Thin-Plate-Splines (TPS) o.Ä. eingesetzt. Ziel dieser Forschungsarbeit ist eine
exakte Fusion von Lungen-CT-Datensätzen unter anderem zur Therapieverlaufskontrolle
bei verschiedenen Lungenerkrankungen. Dieses Projekt wird in Kooperation mit der
Privatuniversität UMIT (Universität für Medizintechnik und Informationstechnologie)
mit Prof. Schubert durchgeführt.
Außerdem wurde der seit Jahren etablierte Bau von Operationsmodellen mittels Rapid
Prototyping um ein weiteres Forschungsprojekt erweitert. Im Rahmen des EU-Projektes
EVAN (European Virtual Anthropology Network) werden neue mathematische Methoden,
kommend aus der Anthropologie, zur Formbeschreibung verschiedener Knochenfunde, z.B.
Statistical Shape Analysis, Geometric Morphometric oder TPS für die Rekonstruktion
von großen Craniofacialdefekten eingesetzt. In Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik
für Neurochirurgie sollen die mathematisch rekonstruierten Schädelimplantate für
den praxisnahen Einsatz im OP optimiert und ein entsprechendes Softwaretool erarbeitet
werden.
3. Forschungsschwerpunkt, ebenfalls in Kooperation mit der Univ. Klink für Neurochirurgie,
ist die Quantifizierung des intraoperativen Brain-Shifts mittels Stereofotogrammetrie.
Bei diesem Projekt wird berührungslos die Deformation und die Verschiebung des Gehirns
während einer neurochirurgischen Intervention gemessen.
Wien
Wien
J. Kettenbach, et al., Univ. Klinik f. Radiodiagnostik, Medizinische Universität Wien
Die Wiener Arbeitsgruppe um Prof. Kettenbach beschäftigt sich mit der Entwicklung
und klinischen Anwendung von Robotern für Ultraschall- und CT-gezielte Interventionen.
Grundanforderung für einen Positionierungsroboter ist die Erhöhung der Zielsicherheit
von Biopsien. Gleichzeitig soll damit auch der Zeitaufwand und ein allfälliges Punktionsrisiko
durch Verletzung kritischer Organstrukturen reduziert werden. Das entwickelte Robotersystem
B-ROB II (Abb. [1]) besteht im Wesentlichen aus einem mehrachsigen passiven Roboterarm zur Vorpositionierung
der beiden Module, die zur Nadelführung 4-Freiheitsgrade zulassen. Nach Registrierung
der Bilddaten (Ultraschall oder CT) kann mit einer speziell entwikkelten medizinischen
Planungssoftware der Eintrittpunkt an der Haut und der Zielpunkt definiert werden.
Die präoperativ definierte Nadeltrajektorie wird anschließend mit Hilfe der Roboter-geführten
Nadelpositionierung exakt eingestellt. Die Punktionskanüle selbst wird manuell unter
exakter Führung eingebracht. Erste Funktionstests zeigen sehr zufriedenstellende
Resultate. Dabei ermittelte Abweichungen vom Zielobjekt (d.h. zwischen geplanter
und tatsächlich erreichter Position der Nadelspitze) betrugen dabei im Durchschnitt
etwa 1,4 ± 1,7 mm. Als Einsatzbereich ist vorerst der Einsatz zur perkutanen Sklerotherapie
geplant, Forschungsgruppen in den USA planen den B-ROB II zur transperinealen Brachytherapie
der Prostata einzusetzen.
Peloschek et al., Univ. Klinik f. Radiodiagnostik, Medizinische Universität Wien
Die Arbeitsgruppe um Dr. Peloschek beschäftigt sich mit der computerunterstützten
Bildanalyse. Die Klassifizierung einer rheumatoiden Arthritis ist eine Herausforderung
an die diagnostische Radiologie, welche mit traditionellen Methoden wie dem Handröntgen
ausgereizt ist. Durch computergestützte Bildanalyse hat diese Auswertung neue Impulse
erhalten. Im Rahmen des Active Appearance Models in Radiology (AAMIR)-Projektes wurde
eine Software entwickelt, die automatisch Gelenkspalten und Erosionen detektiert
und vermisst. Dadurch kann die Effizienz und Genauigkeit zur Befundung von rheumatoiden
Veränderungen am Handskelett optimiert und ein von subjektiven Einflüssen unabhängiges
Scoring-System ermittelt werden. Eine intuitive Visualisierung der Pathologien, z.B.
durch Farbkodierung, verbessert die Darstellung und Umsetzung auf den klinischen
Befund (Abb. [2]). Die von dieser Software verwendete Methodik kann mittlerweile auch auf andere
Modalitäten (z.B. MRT, CT) übertragen werden.
Vom 28. bis 30. August 2008 findet in Wien die 20. Konferenz der Society of Medical
Innovation and Technology (SMIT) statt. Dabei werden u.a. die oben angeführten Themenbereiche
wie Robotik für die Medizin, automatische Bildanalyse, neueste Verfahren zur Tumorablation,
Einsatzmöglichkeiten für Navigationssysteme u.v.a.m. vorgestellt. Details zur Konferenz
sind unter www.smit2008.com abrufbar.
a.o. Univ. Prof. Dr. Reto Bale,
Leiter des SIP-Labors an der Abteilung für Radiodiagnostik I an der Medizinischen
Universitaet Innsbruck,
Leiter der Arbeitsgruppe "Forschung und Innovation" der Österreichischen Radiologischen
Gesellschaft (ÖRG)