Der Klinikarzt 2007; 36(6): 353
DOI: 10.1055/s-2007-980829
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Schlaganfall-Update - Primär- und Sekundärprävention auf dem neuesten Stand

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Publication Date:
28 June 2007 (online)

 
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Wenn es um die Versorgung von Schlaganfallpatienten geht, schneidet Deutschland im europäischen Vergleich verhältnismäßig gut ab, konstatierte Prof. Roman Haberl, München. So ist sowohl die Mortalität der Schlaganfallpatienten mit 12,2 % als auch die Zahl derer mit bleibender leichter Behinderung mit 41,8 % oder die Blutungsrate mit unter 5 % laut den Ergebnissen des SITS-ISTR[1]-Registers relativ niedrig. "Es versterben aber immer noch nahezu 60 % der Patienten an einem Schlaganfall oder sie bleiben mit einer Behinderung zurück", so Haberl. Seine Kritik: Nach wie vor werde die Thrombolyse zu selten und zu spät durchgeführt.

"In der Realität wird umso mehr Zeit verschenkt, je früher der Patient in die Klinik eingeliefert wird", meinte Haberl. "Wartet man zu lange, wirkt die Lyse nicht mehr!" Denn eine Lysetherapie hat umso weniger Erfolg, je mehr Zeit verstrichen ist. Ideal wäre eine Lyse innerhalb von 60 Minuten nach dem Ereignis. Haberl forderte daher eine konsequente Verzahnung von Prähospital-, Hospital- und Notaufnahmekonzept ohne Reibungsverluste. Die Notaufnahme sollte seiner Meinung nach mit einem Neurologen besetzt sein.

Derzeitige Meilensteine der deutschen Neurologen sind die Steigerung der Einweisungen in Stroke Units auf 80 % aller Schlaganfallpatienten sowie die Lyse in mindestens jedem fünften Fall.

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Thrombozytenaggregationshemmung: Evidenzstarke Leitlinien-Aktualisierung

Mit der erfolgreichen Akuttherapie des Schlaganfalles ist es natürlich nicht getan. Prof. Martin Grond, Siegen, hob daher die Bedeutung einer optimalen Sekundärprävention hervor und verwies in diesem Zusammenhang auf die vor Kurzem aktualisierten gemeinsamen Leitlinien ([1], [2]) der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG).

Hier hat zum Beispiel die Kombinationstherapie mit 25 mg Acetylsalicylsäure (ASS) und 200 mg Dipyridamol (Aggrenox®) mit der höchsten Empfehlungsstärke A für alle Patienten mit einem Rezidivrisiko von mindestens 4 % eine deutliche Aufwertung erfahren. Mit dieser Modifikation reagierten die beiden Gesellschaften auf aktuelle Ergebnisse der ESPRIT[2]-Studie [3] und einer neuen Metaanalyse [4].

"Dipyridamol ist in der Kombination mit ASS doppelt so wirksam wie ASS allein", brachte Grond die Studienergebnisse auf den Punkt. So senkt die Kombinationstherapie das Risiko der Patienten (vaskulärer Tod, Schlaganfall oder Myokardinfarkt) im Vergleich zur ASS-Monotherapie relativ um 18 %, was einer absoluten Risikoreduktion von 3 % entspricht. Das Blutungsrisiko dagegen war auch unter der potenteren Thrombozytenaggregationshemmung nicht höher als unter der ASS-Monotherapie.

Dagegen sprechen sich die aktualisierten Leitlinien gegen eine Sekundärprophylaxe mit der Kombinationstherapie ASS und Clopidogrel aus (Evidenzgrad A). Die duale Plättchenhemmung mit diesen beiden Substanzen sei mit einem erhöhten Blutungsrisiko assoziiert und sei nicht wirksamer als die Monotherapie, erläuterte Grond.

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Sekundärprävention mit stentgeschützter Angioplastie

Bei der stentgeschützten Angioplastie zur Sekundärprävention wurde zudem ergänzt, dass die stentgeschützte Karotisangioplastie im Vergleich zur operativen Therapie ein leicht erhöhtes Kurzzeitrisiko in Bezug auf das periprozedurale Risiko bei der Behandlung symptomatischer Karotisstenosen hat. Da die Komplikationsraten beider Verfahren stark variieren, soll die Komplikationsrate des jeweiligen Therapeuten in die Therapieentscheidung einfließen. Derzeit ist die Karotisendarterektomie die Therapie der ersten Wahl. Beim Stenting verringert die Verwendung von Protektionssystemen die Komplikationsrate.

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Was hat sich noch geändert?

Neu in den Leitlinien ist auch die Empfehlung zu der Statintherapie: Schlaganfallpatienten ohne koronare Herzerkrankung mit einem LDL-Cholesterinwert zwischen 100 und 190 mg/dl sollen 80 mg Atorvastatin erhalten. Zwar können Statine Schlaganfällen bzw. ihren Rezidiven nicht vorbeugen, wohl aber Herzinfarkten, dem plötzlichen Herztod und anderen vaskulären Komplikationen. Änderungen gab es zudem bei den Empfehlungen zu Homocystein, zu Rimonabant, zu Ximelagatran und bei den Patienten mit Vorhofflimmern.

Die komplette Veröffentlichung der Leitlinien-Aktualisierung 2007 kann unter 01805/779090 telefonisch über das Kundenservicecenter von Boehringer Ingelheim kostenlos als Sonderdruck angefordert werden.

Quellen: Presseinformationen "DGN-/DSG-Leitlinien aktualisiert - Aggrenox® jetzt mit höchster Empfehlungsstärke in der Schlaganfall-Sekundärprävention" und "113. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin: Schlaganfall - Das Update!", herausgegeben von der Boehringer-Ingelheim GmbH, Ingelheim

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Literatur

  • 01 Diener HC . Allenberg JR . Bode C . et al . Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und der Deutschen Schlaganfallgesellschaft zur Primär- und Sekundärprävention des Schlaganfalls: Aktualisierung 2007.  Akt Neurol. 2007;  34 (1) 8-12
  • 02 Diener HC . Putzki N . Berlit P . et al . Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 2005. 
  • 03 Esprit Study Group . Halkes PH . van Gijn J . Kapelle LJ . et al . Aspirin plus dipyridamole versus aspirin alone after cerebral ischaemia of arterial origin (ESPRIT): randomised controlled trial.  Lancet. 2006;  367 (9523) 1665-1673
  • 04 Leonardi-Bee J . Bath PM . Bousser MG . et al . Dipyridamole for preventing recurrent ischemic stroke and other vascular events: a meta-analysis of individual patient data from randomized controlled trials.  Stroke. 2005;  36 (1) 162-168

01 Safe Implementation of Thrombolysis in Stroke International Stroke Thrombolysis Register

02 European/Australian Stroke Prevention in Reversible Ischaemia Trial

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Literatur

  • 01 Diener HC . Allenberg JR . Bode C . et al . Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und der Deutschen Schlaganfallgesellschaft zur Primär- und Sekundärprävention des Schlaganfalls: Aktualisierung 2007.  Akt Neurol. 2007;  34 (1) 8-12
  • 02 Diener HC . Putzki N . Berlit P . et al . Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 2005. 
  • 03 Esprit Study Group . Halkes PH . van Gijn J . Kapelle LJ . et al . Aspirin plus dipyridamole versus aspirin alone after cerebral ischaemia of arterial origin (ESPRIT): randomised controlled trial.  Lancet. 2006;  367 (9523) 1665-1673
  • 04 Leonardi-Bee J . Bath PM . Bousser MG . et al . Dipyridamole for preventing recurrent ischemic stroke and other vascular events: a meta-analysis of individual patient data from randomized controlled trials.  Stroke. 2005;  36 (1) 162-168

01 Safe Implementation of Thrombolysis in Stroke International Stroke Thrombolysis Register

02 European/Australian Stroke Prevention in Reversible Ischaemia Trial