Der Klinikarzt 2007; 36(7): 368-369
DOI: 10.1055/s-2007-985326
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Preis des neuen Wohlstands? - Kosten für Diabetes in Indien höher als in England

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Publication Date:
26 July 2007 (online)

 
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Hätten Sie's gedacht? Gerade in Indien ist der Diabetes mellitus eine enorme ökonomische Belastung. Rund 2,1 % des Bruttoinlandprodukts müssen dort für Kosten aufgewendet werden, die im Rahmen eines Diabetes mellitus anfallen (direkte Kosten, einschließlich der Behandlung der Folgeerkrankungen, Kosten aufgrund von Produktivitätsausfällen). In den USA dagegen entsprechen die Kosten für den Diabetes mellitus "nur" 1,3 % des Bruttoinlandsprodukts, Großbritannien und Dänemark folgen mit 0,4 bzw. 0,6 %. All das sind Zahlen aus dem aktuellen Bericht "The Silent Epidemic" ("Die Stille Epidemie") der Economist Intelligence Unit. Das dänische Pharmaunternehmen Novo Nordisk hat die Studie mit einem Forschungsstipendium unterstützt.

"Für politische Entscheidungsträger, welche die effizienteste Verteilung knapper Ressourcen suchen, ist das Verständnis der wahren ökonomischen Kosten des Diabetes von entscheidender Bedeutung", so Rob Mitchell, Verfasser des Berichts. "Unsere Untersuchung zeigt, dass der Diabetes mellitus eine schwere ökonomische Last ist, die weiter zunehmen wird, je mehr die Prävalenzraten weltweit weiter steigen."

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Diabetesepidemie "fegt um die Erde"

Es wirkt fast wie bittere Ironie, dass positive Entwicklungen wie erhöhter Wohlstand, eine bessere Gesundheitsversorgung, eine immer älter werdende Bevölkerung und eine Abnahme der Subsistenzwirtschaft zu höheren Erkrankungsraten führen. Daher geht der Bericht davon aus, dass die Verbreitung des Diabetes mellitus in den nächsten Jahrzehnten vor allem in den Entwicklungsländern stark ansteigen wird.

Zwar ließe sich der häufigere Typ-2-Diabetes meist vermeiden oder nach seiner Manifestation zumindest behandeln, doch dem steht oft viel entgegen:

  • kulturelle Widerstände gegen eine gesündere Ernährung bzw. Lebensweise in der Bevölkerung

  • fehlendes Augenmerk nationaler und internationaler Gesundheitsorganisationen auf chronische Erkrankungen

  • der Fokus auf die kurzfristigen Kosten statt auf langfristige Folgen

  • das Fehlen einer allgemeinen Krankenversicherungspflicht in vielen Ländern (einschließlich der USA).

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Wie ist die Situation in Deutschland?

Leider erfasst der Bericht keine deutschen Daten, so kann man nur vermuten, dass die diabetesbezogenen Kosten etwa im selben Rahmen liegen wie für Großbritannien oder Dänemark. Immerhin ist hierzulande von einer Zahl von fünf bis sechs Millionen Diabetikern auszugehen, rund 90 % davon werden dem Diabetes mellitus Typ 2 zugeordnet, so die Angaben aus dem Weißbuch Diabetes [1] aus dem letzten Jahr. Dazu kommen noch schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen, bei denen die Erkrankung nicht diagnostiziert ist.

Eine noch größere Bevölkerungsgruppe ist stark gefährdet, einen Diabetes mellitus zu entwickeln: Bei mindestens 20 % der 45-65-Jährigen liegt die Risikofaktorenkombination des metabolischen Syndroms vor. Übergewichtig sind sogar rund 50 % der Deutschen, und mehr als 40 % treiben keinen Sport [1]. Ein noch schlimmeres Bild zeichnet eine aktuelle Analyse der "Association for the Study of Obesity" (IASO), laut der in der Bundesrepublik 75,4 % der Männer und 58,9 % der Frauen ein zu hohes Gewicht auf die Waage bringen. Allerdings sind die Angaben der IASO wohl mit Vorsicht zu genießen, da sie aus unterschiedlichen Quellen stammen, die mit verschiedenen Methoden zu unterschiedlichen Zeiträumen erstellt wurden.

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Wehret den Anfängen!

Je früher effektive Präventionsprogramme ansetzen, desto besser - am besten beginnt man bereits im Kindes- und Jugendalter. Denn dicke Kinder werden meist auch zu dicken Erwachsenen. Der Bedarf ist hoch: Trotz aller Bemühungen wächst der Anteil übergewichtiger Kinder und Jugendlicher viel schneller als vermutet: So brachten bereits im Jahr 2002 so viele Schulkinder zu viel Gewicht auf die Waage wie dies zuvor erst für das Jahr 2010 prognostiziert wurde. In Deutschland sind derzeit etwa 16 % der sieben- bis zehnjährigen Kinder und rund 13 % der 14- bis 17-jährigen Jugendlichen übergewichtig, schätzt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Immer häufiger sind auch bereits Kleinkinder betroffen.

Uni-Kinderklinik Tübingen startet "Mitmachprogramm"

Die Uni-Kinderklinik Tübingen startete vor Kurzem ein Programm für Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 18 Jahren, die ein erhöhtes Risiko für eine Stoffwechselkrankheit aufweisen. Grundpfeiler des Programms sind ernährungs- und sportmedizinische Beratungen, bei denen viel Zeit und Raum für Fragen ist. Die Bewegungstherapie soll zu Hause und im Sportverein erfolgen. Eine medikamentöse Therapie wird nur in Ausnahmefällen eingesetzt. Zu Beginn und dann nach sechs, zwölf und 24 Monaten werden der Stoffwechsel, die körperliche Fitness und die Körperzusammensetzung untersucht.

Mitmachen können Kinder und Jugendliche, wenn einer der folgenden Punkte erfüllt ist:

  • extremes Übergewicht

  • ein Elternteil oder ein Geschwisterkind mit Typ-2-Diabetes bzw. Schwangerschaftsdiabetes oder zwei Großeltern mit Typ-2-Diabetes

  • bei Geburt zu leicht bzw. zu schwer oder zu groß bzw. zu klein

  • Störung der Eierstöcke mit Produktion von zu viel männlichen Hormonen

  • braune Hautverdickung in Achsel und Nacken (Acanthosis nigricans)

  • Kinder und Jugendliche mit bereits nachgewiesener Zuckerstoffwechselstörung.

Wo kann man sich informieren?

Fragen zum genauen Ablauf des Programms beantwortet die Tübinger Uniklinik für Kinder und Jugendmedizin montags bis donnerstags zwischen 14 und 16 Uhr unter der Telefonnummer 07071/29-81395.

Quelle: Presseinformation "Übergewicht im Kindes- und Jugendalter - Uni-Kinderklinik Tübingen startet Mitmach-Programm für gefährdete Kinder und Jugendliche", herausgegeben vom Universitätsklinikum Tübingen

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Effektive Prävention ist gefordert

Da es bislang noch kein Wundermittel für das Problem "Diabetes" gibt, helfen nur innovative Ansätze, um das Anliegen besser in den Griff zu bekommen. So zeigen Programme, welche Leistung am Behandlungseffekt messen, beeindruckende Erfolge. Mittlerweile führen in einigen Entwicklungsländern die innovative Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Interessengruppen und die Anwendung der Prinzipien des Social Enterprise dazu, dass die Behandlung sowohl für die städtische wie auch für die ländliche Bevölkerung zugänglich und erschwinglich wird.

Sicherlich: Die Kosten der Behandlung sind hoch: Allein die USA zum Beispiel geben jährlich 134,8 Milliarden US-Dollar für die Therapie des Diabetes mellitus und seine Folgeerkrankungen aus, das sind immerhin 6 % der dortigen Ausgaben im Gesundheitswesen. Einsparungen bei der Behandlung - oder gar ein "Nichts tun" - sind jedoch keine Option. Wenn die Länder nicht in die Prävention, eine frühe Diagnose und eine wirksame Behandlung investieren, werden die Kosten in der Zukunft drastisch eskalieren. Folgeerkrankungen wie Herzerkrankungen, Erblindung, Nierenversagen oder Amputationen sind weitaus teurer als die optimale Behandlung eines Diabetes mellitus im Frühstadium oder, noch besser, eine erfolgreiche Prävention der Erkrankung!

sts

Quelle: Pressemitteilung "Preis des neuen Wohlstands? Kosten für Diabetes in Indien höher als in England - Neue Untersuchungen der Economist Intelligence über die ökonomischen Folgen von Diabetes in Industrie- und Entwicklungsländern", herausgegeben von der Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz

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Literatur

  • 01 Häussler B . Hagenmeyer PG . Storz P . Jessel S . Weißbuch Diabetes in Deutschland. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 2006. 
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Literatur

  • 01 Häussler B . Hagenmeyer PG . Storz P . Jessel S . Weißbuch Diabetes in Deutschland. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 2006.