Der Klinikarzt 2007; 36(7): 415
DOI: 10.1055/s-2007-985411
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Multikinasehemmer wirkt lebensverlängernd - Therapiefortschritt beim hepatozellulären Karzinom

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Publication Date:
26 July 2007 (online)

 
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Fortschritte gibt es bei der Behandlung des Leberzellkarzinoms. Denn eine Phase-III-Studie dokumentiert, dass der Multikinasehemmer Sorafenib (Nexavar®) als erste medikamentöse Therapieoption die Überlebenszeit der Patienten mit fortgeschrittenem Leberzellkarzinom signifikant verlängert.

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Lebertumoren sind häufiger als oft vermutet

"Der Leberkrebs ist der Tumor mit den steilsten Zuwachsraten bei der Häufigkeit und auch bei der Mortalität", erklärte Prof. Stefan Zeuzem, Frankfurt. Das gilt nicht nur für die Entwicklungsländer, sondern ebenso für die Industrienationen. Grundlage der steigenden Inzidenz ist nach Angaben des Hepatologen die steigende Rate an Patienten mit Leberzirrhose, welche dem hepatozellulären Karzinom (HCC) den Weg bereitet. Virale Hepatitiden, ein hoher Alkoholkonsum, aber auch die zunehmende Inzidenz von nichtalkoholischen Steatohepatitiden (NASH) wiederum sind laut Zeuzem ihrerseits die Motoren für die zunehmende Zirrhoseinzidenz.

"Wir betrachten das Leberzellkarzinom immer noch als einen seltenen Tumor", monierte Zeuzem. "Die Realität aber sieht längst anders aus und wir registrieren hierzulande zudem eine Zunahme der HCC-Häufigkeit von etwa 10 % pro Jahr." Vor diesem Hintergrund forderte der Mediziner die Entwicklung effektiver Strategien zur Früherkennung des hepatozellulären Karzinoms. Dies ist von besonderer Bedeutung, da die Mehrzahl der Tumoren nach Zeuzem erst im fortgeschrittenen Stadium entdeckt wird, dann also, wenn durch eine Operation eine kurative Behandlung nicht mehr möglich ist.

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Deutlicher Überlebensvorteil schon vor geplantem Studienende

Dies ist nach seinen Worten auch bei der Bewertung der durch Sorafenib in der SHARP[1]-Studie erzielten Behandlungsergebnisse zu bedenken. In der Studie wurden 602 Patienten mit fortgeschrittenem Leberzellkarzinom doppelblind randomisiert und placebokontrolliert mit 400 mg Sorafenib zweimal täglich behandelt. Nach dem Auftreten der ersten 321 Todesfälle deuteten sich bereits eindeutige Vorteile für Patienten in der Sorafenibgruppe an, weshalb die Studie aus ethischen Gründen vorzeitig beendet wurde. "Die Analyse der Daten ergab signifikante Überlebensvorteile für die mit dem Multikinasehemmer behandelten Patienten", berichtete Prof. Dr. Tim Greten, Hannover.

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Potenzial als neuer Standard beim fortgeschrittenen Leberzellkarzinom

So konnte nach seinen Worten eine Behandlung der Patienten mit Sorafenib die mediane Überlebenszeit hochsignifikant (p = 0,00058) von 7,9 auf 10,7 Monate verlängern, was einer Zunahme des Gesamtüberlebens um 44 % entspricht. Gleichzeitig verlängerte sich unter Sorafenib die Zeit bis zur Tumorprogression - und das ebenfalls statistisch hochsignifikant (p = 0,000007). Nach vier Monaten waren unter Sorafenib noch 62 % der Patienten progressionsfrei gegenüber nur 42 % unter Placebo. "Die Vorteile zeigen sich in allen untersuchten Subgruppen", betonte Greten.

Er hob auch die gute Verträglichkeit des Wirkstoffs hervor, wobei bei den Nebenwirkungen Diarrhöen und Hand-Fuß-Hautreaktionen im Vordergrund standen. "Die Studie belegt damit ein deutlich längeres Überleben der Patienten mit fortgeschrittenem Leberkrebs und eine deutlich längere progressionsfreie Zeit bei zugleich guter Verträglichkeit", betonte der Hannoveraner Mediziner. Der Multikinasehemmer dürfte nach seiner Meinung damit als neue Standardtherapie beim hepatozellulären Karzinom anzusehen sein.

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Antiproliferative und zugleich antiangiogene Wirkung

Grundlage der guten Antitumorwirkung, die zunächst beim Nierenzellkarzinom belegt worden war und bereits zur Zulassung von Sorafenib bei diesem Tumor geführt hat, ist die Hemmung des Ras/Raf-Kinase-Signalwegs. "Die Raf-Kinase ist eine ideale Zielstruktur für die Entwicklung von Antitumorwirkstoffen, da bei rund 30 % der Tumoren eine Störung dieses Signalwegs vorliegt", berichtete Dr. Erich Enghofer von Bayer Schering Pharma.

Wachstumssignale aktivieren das Proto-Onkogen Ras, das sich nach erfolgter Zellteilung in der gesunden Zelle wieder abschaltet. In maligne entarteten Zellen bleibt die Aktivierung jedoch erhalten, und es resultiert ein unkontrolliertes Zellwachstum. Sorafenib wiederum hemmt die von Ras ausgehenden Signale, der Wachstumsstimulus kann nicht mehr weitergeleitet werden. "Wir erreichen somit keine Heilung des Tumors, verhindern aber das weitere Tumorwachstum", sagte Enghofer.

Die Ras/Raf-Kinasehemmung ist nach seinen Worten nicht der einzige Mechanismus, der das Tumorwachstum verhindert. Denn Sorafenib inhibiert auch die Tyrosinkinasen des VEGF- ("vascular endothelial growth factor") und des PDGF-Rezeptors ("platelet derived growth factor") und ist damit ein so genannter Multikinasehemmer. Durch die Hemmung der beiden Wachstumsfaktoren besitzt der Wirkstoff auch eine antiangiogene Wirkung. Der Tumor wird an der Neubildung von Blutgefäßen, die seine Versorgung sichern, gehindert und damit auch an seinem weiteren Wachstum.

Noch ist Sorafenib zur Therapie des hepatozellulären Karzinoms nicht zugelassen. Da es jedoch zurzeit keine alternative Behandlungsmöglichkeit gibt, hoffen die Experten darauf, dass die Behörden aufgrund der positiven Studienergebnisse möglichst schnell reagieren werden.

Christine Vetter, Köln

Quelle: Pressekonferenz "Innovativer Therapieansatz zur Lebensverlängerung beim Leberzellkarzinom", Veranstalter: Bayer Vital GmbH, Bayer Schering Pharma, Leverkusen

Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung der Bayer Vital GmbH, Bayer Schering Pharma, Leverkusen

01 Sorafenib HCC Assessment Randomized Protocol

01 Sorafenib HCC Assessment Randomized Protocol

 
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