Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-2007-986340
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Gefährliche Gartenarbeit
Publication History
Publication Date:
28 March 2008 (online)
Fall 1
Der Notarzt wird in den späten Abendstunden in eine Wohnung gerufen, nachdem einer der Bewohner dort Blut erbrochen hat und kollabiert ist. Bei seinem Eintreffen misst die Mannschaft des RTW gerade einen Blutdruck von 70/40 mm Hg bei einem etwa 40-jährigen Mann, der blutverschmiert auf dem Boden liegt. Auf Ansprache kommen nur unverständliche Laute, auf Schmerzreiz erfolgt jedoch gezielte Abwehr. Inzwischen ist der Betreuer der Wohngemeinschaft psychisch Kranker eingetroffen, der den Patienten als geistig retardiert nach frühkindlichem Hirnschaden beschreibt. Dieser habe jedoch täglich in einem Gartenbaubetrieb unter Anleitung gearbeitet. Ernste körperliche Erkrankungen seien bislang nicht aufgetreten. In den letzten Tagen habe er sich aber über diverse Blutergüsse an beiden Armen des Patienten gewundert, dies jedoch auf dessen Arbeit zurückgeführt.
Nach Legen zweier großlumiger Verweilkanülen und rascher Infusion von 1000 ml Elektrolytlösung wird der Patient deutlich wacher und öffnet jetzt auch auf Ansprache die Augen. Der Blutdruck steigt auf 105/65 mm Hg. Die Herzfrequenz bleibt mit 110/min noch erhöht; die pulsoxymetrische Sättigung ist mit 95 % nicht beeinträchtigt.
Unter dem Verdacht einer gastrointestinalen Blutung mit Bluterbrechen bei ansonsten leerer Vorgeschichte wird der Patient in notärztlicher Begleitung und weiterer Volumenzufuhr in ein nahe gelegenes Krankenhaus mit Notfallendoskopiemöglichkeit transportiert.
Dort erfolgt eine Endoskopie bis zum Duodenum, die vor allem im Magen flächige Schleimhautblutungen ohne den Nachweis umschriebener Blutungsquellen ergibt. Mit der Diagnose „hämorrhagische Gastritis” erfolgt die Übernahme auf die Überwachungsstation, wo zwischenzeitlich Laborergebnisse vorliegen, die eine Anämie von 7,6 g/dl Hämoglobin und eine verkürzte Thromboplastinzeit mit einer INR von 7 zeigen. Die Transaminasen und die nachgeforderte Pseudocholinesterase sind nahezu normal. Eine Sonographie ergibt unauffällige Verhältnisse von Leber und Milz, insbesondere keine Beeinträchtigung der Leberperfusion.
Unter dem Verdacht eines Gerinnungsversagens unbekannter Ursache werden zunächst Vitamin K, Gefrierplasmen und Erythrozytenkonzentrate verabreicht. Nach einem Anstieg des Quickwertes und fast Normalisierung der PTT wird wenige Stunden danach erneut eine INR von 7 nachgewiesen. Ein Anruf beim Betreuer der Wohngemeinschaft ergibt wie schon bei der Befragung durch den Notarzt eine leere Medikamenten- und Alkoholanamnese. Auch die Mitbewohner des Patienten verfügen über keine Medikamente mit Wirkung auf die Blutgerinnung. Daher wird eine Vergiftung durch Cumarinderivate vermutet und eine Blutprobe zur Analytik eingesandt. Diese erbringt tatsächlich den Nachweis von Bromadiolon. Erst später wird bekannt, dass im Gartenbaubetrieb Rattenköder mit diesem Wirkstoff ausgebracht wurden. Wie der Patient mit der Substanz in Kontakt kam, konnte nicht ermittelt werden.
In den folgenden fünf Wochen erhielt der Patient täglich anfänglich 40, später 20 mg Vitamin K oral. Darunter war eine fast normalisierte INR zu messen und es kam zu keinen weiteren Blutungen.
Literatur
- 1 Spahr J E, Maul J S, Rodgers G M. Superwarfarin poisoning: a report of two cases and review of the literature. Am J Hematol. 2007; 82 (7) 656-660
- 2 Grobosch T, Angelow B, Schönberg L, Lampe D. Acute bromadiolone intoxication. J Anal Toxicol. 2006; 30 (4) 281-286
- 3 Zupancic-Salek S, Kovacevic-Metelko J, Radman I. Successful reversal of anticoagulant effect of superwarfarin poisoning with recombinant activated factor VII. Blood Coagul Fibrinolysis. 2005; 16 (4) 239-244
- 4 Caravati E M, Erdman A R, Scharman E J. et al . Long-acting anticoagulant rodenticide poisoning: an evidence-based consensus guideline for out-of-hospital management. Clin Toxicol (Phila). 2007; 45 (1) 1-22
- 5 Olmos V, Lopez C M. Brodifacoum poisoning with toxicokinetic data. Clin Toxicol (Phila). 2007; 45 (5) 487-489
Priv.-Doz. Dr. Frank Martens
Charité, Campus Virchow Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
Email: frank.martens@charite.de