Z Orthop Unfall 2007; 145(4): 403-404
DOI: 10.1055/s-2007-986514
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rückenschmerz - Körpergewicht und Effekt der stationären konservativen Therapie beim Rückenschmerz

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Publication Date:
02 October 2007 (online)

 
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Als eine Prädisposition für Rückenschmerzen gilt das Übergewicht, was in mehreren Untersuchungen nachgewiesen werden konnte. Jetzt wurde nachgewiesen, dass Patienten ab einem BMI > 24,9 weniger von einer konservativen Rückenschmerzbehandlung profitieren als Normalgewichtige.

Literaturangaben zum Einfluss des erhöhten Körpergewichtes auf das Ergebnis einer konservativen Therapie aufgrund von Rückenbeschwerden fehlen. Wir untersuchten deshalb die Effektivität einer stationären konservativen Behandlung bei Patienten mit Rückenschmerzen unter besonderer Berücksichtigung des Body Mass Index (BMI).

Die konservative Behandlung bei Patienten mit Rückenschmerzen unter stationären Bedingungen ist effektiv, aber nur für kurze Zeit. Nach wenigen Monaten lässt sich in allen drei Scores wieder eine Zunahme der Schmerzen bzw. Beeinträchtigungen feststellen, ohne jedoch den initialen Schweregrad zu erreichen. Ab einem BMI > 24,9 kg/m2 haben die Patienten nicht nur schlechtere Werte in allen drei Scores, sie profitieren auch mittelfristig signifikant weniger von der konservativen Behandlung. Übergewichtigen Patienten sollte deshalb dringend zu einer Reduktion des Körpergewichtes geraten werden. Außerdem scheint eine Fortsetzung der bei der stationären Behandlung eingeleiteten Therapiemaßnahmen besonders sinnvoll.

Wir untersuchten Patienten mit Rückenschmerzen allein oder in Kombination mit Beinschmerzen, die sich trotz Ausschöpfung einer ambulanten konservativen Therapie oder Rehabilitationsmaßnahme therapieresistent zeigten. Ferner wurden Patienten eingeschlossen, die schmerzbedingt ambulant nicht mehr führbar waren. Eine akute oder dringliche Operationsindikation durfte nicht vorhanden sein.

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Physikalische Maßnahmen und Rückenschule

28 Männer und 37 Frauen wurden innerhalb eines Zeitraumes von 11 Monaten aufgrund von Rückenschmerzen stationär konservativ in unserer Klinik behandelt. Das Durchschnittsalter betrug 59,8 Jahre (25,5-87,6 Jahre). Die Patienten gaben an, seit etwa 9,4 Jahren an Rückenschmerzen zu leiden. 46 Patienten litten an zusätzlichen Beinschmerzen über einen mittleren Zeitraum von 3,6 Jahren. Die im Vordergrund stehenden Diagnosen sind in der (Abb. [1]) dargestellt. Die durchschnittliche stationäre Behandlungsdauer betrug 9,8 Tage. Alle Patienten erhielten an ihre Diagnosen individuell angepasste konservative Maßnahmen mit Physiotherapie (Entspannungsübungen in der Akutphase, Muskelkräftigung, Haltungsschulung, Rumpfstabilisierung, Traktionen, manuelle Therapie), physikalischen Anwendungen (Fango, Rotlicht, Heißluft, Massage, Elektrotherapie, Bewegungs- oder Stangerbäder) und Rückenschule. Außerdem wurden diese Maßnahmen medikamentös unterstützt, wofür Analgetika (NSAR, Stufe I-III Analgetika), Muskelrelaxantien, Antidepressiva und Antiepileptika eingesetzt wurden. Zusätzlich wurden Injektionen (Facetteninfiltrationen, periradikuläre Therapie, subkutane Infiltrationen) mit einem Lokalanästhetikum und ggf. mit Zusatz eines Steroids durchgeführt. Bei der Entlassung aus der stationären Behandlung wurde den Patienten eine Fortsetzung der eingeleiteten konservativen Therapie empfohlen.

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Abb. 1 Vorrangige Diagnosen der 65 Patienten, Mehrfachnennungen waren möglich

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Fragebögen

Jedem Patienten wurde ein Fragebogen in dreifacher Ausführung ausgehändigt, der zu folgenden Zeitpunkten ausgefüllt werden sollte:

  1. Vor Beginn der stationären Behandlung

  2. Am Ende der stationären Behandlung

  3. 3 Monate nach der stationären Behandlung

Neben Angaben zu Größe und Gewicht sollten die Patienten ihre aktuelle Schmerzintensität anhand der Visuellen Analog Skala (VAS) (0 = kein Schmerz, 10 = stärkster vorstellbarer Schmerz) einstufen und die jeweiligen Fragen gemäß dem Oswestry Low Back Pain Disability Questionnaire (ODI) und dem Roland-Morris-Score (RM) beantworten.

Die daraus ermittelten Ergebnisse wurden anhand des zeitlichen Verlaufes und in Abhängigkeit des Body Mass Index (BMI in kg/m2) ausgewertet. Signifikante Unterschiede wurden statistisch mittels t-Test (p < 0,05) errechnet. Der BMI wurde gemäß Garrow and Webster in drei Gruppen eingeteilt (< 25 = Normalgewicht; 25,0-29,9 = leichtes Übergewicht; > 29,9 = Adipositas).

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VAS Werte bei Normalgewichtigen niedriger

Der BMI betrug im Gesamtkollektiv im Mittel 27,4 kg/m2 (17,9-45,0 kg/m2). Normalgewichtig waren 22 Patienten, leicht übergewichtig 27, und eine Adipositas zeigten 16 Personen. Zu Beginn der Behandlung betrug die Schmerzintensität durchschnittlich 6,9 auf der VAS, bei Entlassung 3,7 und beim Follow-up 5,5 (Abb. [2]). Ab einem BMI > 24,9 kg/m2 waren zu allen 3 Zeitpunkten die Werte auf der VAS um ca. 2 Grade höher als bei den Normalgewichtigen. Eine ähnliche Tendenz zeigten der ODI und RM mit stärkeren Beeinträchtigungen der Übergewichtigen (Abb. [3], [4]). Außerdem lagen die ermittelten Werte beider Scores zu Beginn der Behandlung jeweils höher (entsprechend einer stärkeren Beeinträchtigung) als bei Entlassung. Nach 3 Monaten stiegen sie zwar wieder an, erreichten jedoch die Ausgangswerte nicht.

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Abb. 2 Verlauf der VAS, *= signifikanter Unterschied (B=Beginn, E=Ende der stationären Behandlung, 3 Mon. = 3 Monate nach stationärer Behandlung)

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Abb. 3 Verlauf des ODI, *= signifikanter Unterschied (B=Beginn, E=Ende der stationären Behandlung, 3 Mon.=3 Monate nach stationärer Behandlung)

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Abb. 4 Verlauf des RM, *= signifikanter Unterschied (B=Beginn, E=Ende der stationären Behandlung, 3 Mon.=3 Monate nach stationärer Behandlung)

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Kurzes Follow-up

Die hier vorgestellte Studie bezieht sich lediglich auf die Ergebnisse nach 3 Monaten, was sicherlich für weitere Schlussfolgerungen einen zu kurzen Zeitraum darstellt. Ein längeres Follow-up von mindestens einem Jahr ist nötig und wird bereits verfolgt. Eine weitere Limitierung bei der Interpretation der Resultate ist die Tatsache, dass eine komplette Beantwortung der Fragen zu den Scores für den ODI und RM zum 2. Befragungszeitpunkt (Ende der stationären Behandlung) nicht in allen Punkten vollständig möglich war. Angaben z. B. zum Gesellschaftsleben oder Reisen / Fortbewegen konnten die Patienten direkt bei der Entlassung natürlich nicht korrekt machen. Schließlich muss man einschränkend anmerken, dass nicht alle Patienten konsequent die Fortführung der konservativen Therapie unter ambulanten Bedingungen praktiziert haben, wofür heutzutage sicher auch die limitierten Budgets der niedergelassenen Ärzte mitverantwortlich gemacht werden können.

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Dr. Dorothea Daentzer

Dr. Dorothea Daentzer,

PD Dr. med. Christian H. Flamme,

Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover, Klinik II im Annastift,

Email: daentzer@tiscali.de

 
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Abb. 1 Vorrangige Diagnosen der 65 Patienten, Mehrfachnennungen waren möglich

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Abb. 2 Verlauf der VAS, *= signifikanter Unterschied (B=Beginn, E=Ende der stationären Behandlung, 3 Mon. = 3 Monate nach stationärer Behandlung)

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Abb. 3 Verlauf des ODI, *= signifikanter Unterschied (B=Beginn, E=Ende der stationären Behandlung, 3 Mon.=3 Monate nach stationärer Behandlung)

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Abb. 4 Verlauf des RM, *= signifikanter Unterschied (B=Beginn, E=Ende der stationären Behandlung, 3 Mon.=3 Monate nach stationärer Behandlung)

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Dr. Dorothea Daentzer