Rofo 2007; 179(9): 982-983
DOI: 10.1055/s-2007-986599
Mitteilungen der DRG
Radiologie und Recht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sonderbedarfszulassung im Schwerpunkt Kinderradiologie?

Further Information

Publication History

Publication Date:
30 August 2007 (online)

 
Table of Contents
Zoom Image

Sind Planungsbereiche für die Zulassung weiterer vertragsärztlich tätiger Radiologen gesperrt, stellt die Beantragung einer qualitätsbezogenen Sonderbedarfszulassung nach Nr. 24 der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte eine Möglichkeit dar, um sich dennoch innerhalb des gesperrten Planungsbereiches niederzulassen.

#

Voraussetzungen der Sonderbedarfszulassung

Nach Nr. 24 Satz 1 darf der Zulassungsausschuss dem Zulassungsantrag eines Vertragsarztes der betroffenen Arztgruppe unbeschadet der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen durch den Landesausschuss entsprechen, wenn eine oder mehrere der folgenden Ausnahmen vorliegen:

  • lokaler Versorgungsbedarf in Teilen eines großstädtischen Planungsbereichs oder eines großräumigen Landkreises,

  • besonderer Versorgungsbedarf, wie er durch den Inhalt des Schwerpunkts, einer fakultativen Weiterbildung oder einer besonderen Fachkunde für das Fachgebiet nach der Weiterbildungsordnung umschrieben ist,

  • Bildung einer Gemeinschaftspraxis mit spezialistischen Versorgungsaufgaben (z. B. kardiologische oder onkologische Schwerpunktpraxen),

  • Versorgungslücke bei der Erbringung ambulanter Operationen.

Voraussetzung für eine Sonderbedarfszulassung nach den beschriebenen Sachverhalten ist demnach, dass die Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze zur Wahrung der Qualität der Versorgung unerlässlich ist. Unter diesen Voraussetzungen ist zu prüfen, inwiefern ein auf den weiterbildungsrechtlichen Schwerpunkt der Kinderradiologie spezialisierter Facharzt für Radiologie in die vertragsärztliche Versorgung aufgenommen werden kann. Die Frage, inwieweit dabei die Tätigkeitsbereiche des Facharztes für Radiologie und die Schwerpunktbezeichnung des Kinderradiologen auseinander fallen, behandelt das Landessozialgericht (LSG) NRW in einem Urteil vom 28.02.2007 (Az.: L 11 KA 82/06).

#

Versorgungsbedarf aufgrund des Schwerpunktes

Ein Arzt, mit den Facharztbezeichnungen "Facharzt für Kinderheilkunde" und "Facharzt für diagnostische Radiologie mit dem Schwerpunkt Kinderradiologie", beantragte im Jahr 2003 die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung für den Bereich der Kinderradiologie in einem für Radiologen gesperrten Planungsbereich. Der Arzt begründete den Antrag auf Zulassung damit, dass im gesamten Planungsbereich gerade kein Arzt mit der Qualifikation Kinderradiologie zugelassen sei.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vor dem Berufungsausschuss wurde der Arzt als Facharzt für diagnostische Radiologie für den Bereich Kinderradiologie zugelassen. Zur Begründung der Beschlussfassung führte der Berufungsausschuss an, dass im Planungsbereich ein Bedarf an kinderradiologischen Leistungen bestehe und definitiv kein Arzt mit einer solchen Qualifikation zugelassen sei. Zudem stützte sich der Ausschuss auf die Erklärung der in der Region zugelassenen Radiologen, welche anführten, wegen der besonderen Qualitätsanforderungen in Bezug auf kinderradiologische Untersuchungen derartige Leistungserbringungen nicht mehr selbst verantworten zu können. Eine Verweisung an den im benachbarten Planungsbereich zugelassenen Kinderradiologen sei somit unumgänglich, weshalb im betroffenen Planungsbereich ein Versorgungsdefizit anzunehmen sei. Des Weiteren wurde angeführt, dass neben dem im benachbarten Planungsbereich niedergelassenen Kinderradiologen nur noch ein weiterer Arzt tätig sei, bei welchem es sich aber um einen ermächtigten Klinikarzt handle, der bei der Beurteilung der Versorgungssituation nicht berücksichtigt werden dürfe.

Der Radiologe stützte seinen Antrag damit inhaltlich auf die Nr. 24 Satz 1 Nr. b) der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte, wonach unter Bezugnahme auf die Inhalte bestimmter Subspezialisierungen des ärztlichen Weiterbildungsrechts (Schwerpunkt, fakultative Weiterbildung oder besondere Fachkunde) ein Sonderbedarf in bestimmten Fällen begründet werden kann.

Voraussetzung ist nach Nr. 24 Satz 1 Nr. b) der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte insbesondere, "dass die ärztlichen Tätigkeiten des qualifizierten Inhalts in dem betreffenden Planungsbereich nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen und dass der Arzt die für den besonderen Versorgungsbedarf erforderlichen Qualifikationen durch die entsprechende Facharztbezeichnung sowie die besondere Arztbezeichnung oder Qualifikation (die Subspezialisierung muss Leistungen beinhalten, die die gesamte Breite des spezialisierten Versorgungsbereichs ausfüllen) nachweist. Eine mögliche Leistungserbringung in Krankenhäusern bleibt außer Betracht."

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen für den Bereich der Kinderradiologie verneinte die Kassenärztliche Vereinigung für den betreffenden Planungsbereich. Im Klageverfahren trug sie vor, der Berufungsausschuss habe seinen Beurteilungsspielraum bei der Prüfung des Sonderbedarfs nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Die Begründung, dass im Planungsbereich kein Kinderradiologe zugelassen sei, reiche allein nicht aus. Vielmehr komme es darauf an, ob die ärztlichen Tätigkeiten aus dem Schwerpunkt nicht bzw. nicht ausreichend erbracht würden. Die gerade bei Kindern im Hinblick auf den Strahlenschutz primär zur Anwendung kommenden bildgebenden Verfahren der Sonografie und Magnetresonanztomografie würden von Fachärzten für radiologische Diagnostik beherrscht. Der Beschluss konkretisiere hingegen jedoch nicht, auf welche kinderradiologischen Leistungen bei der Bejahung eines Sonderbedarfs abgestellt werde. Vielmehr werde offen gelassen, inwieweit die Leistungen des Kinderradiologen eine Besonderheit gegenüber den Leistungen der übrigen Radiologen darstellen. Diesbezüglich könne man davon ausgehen, dass die niedergelassenen Gebietsärzte aufgrund ihres Ausbildungs- und Weiterbildungsstandes in der Lage seien, den Versorgungsanspruch der Versicherten in qualitativer Weise befriedigen zu können. Um dies weiterhin zu unterstreichen, wurde von der Kassenärztlichen Vereinigung angemerkt, dass die Behandlung von Kindern auch in der Vergangenheit ohne Beanstandung von Ärzten für diagnostische Radiologie vorgenommen wurden und eine weiterführende Ausübung in der Zukunft auch nicht ausgeschlossen sei.

Der Kinderradiologe wies in dem Verfahren jedoch auf bestimmte Leistungen in der Kinder- und Jugendradiologie hin, die von keinem niedergelassenen Radiologen im Planungsbereich erbracht würden. Insoweit sei auch das Fachwissen über die kinder- und jugendspezifischen Krankheitsbilder von Bedeutung, die nicht Bestandteil der Erwachsenenradiologenausbildung seien. Gerade diese speziellen kinderradiologischen Fragestellungen seien wegen der nicht als ausreichend erachteten Beurteilungssicherheit in der Vergangenheit an die Kinderklinik im angrenzenden Planungsbereich verwiesen worden. Schon bereits bei der Auswertung "normaler" Röntgenuntersuchungen von Kindern und Jugendlichen sei ein Radiologe mit fundierter kinderradiologischer Ausbildung und Befähigung einem Fachkollegen ohne Zusatzqualifikation überlegen. Die Tatsache, dass nach der Zulassung des Kinderradiologen in der Gemeinschaftspraxis der Anteil der Kinderfallzahlen gestiegen sei, zeige, dass ein zuvor nicht gedeckter Bedarf befriedigt werden müsse.

#

Beurteilungsspielraum der Sozialgerichte

Sowohl das erstinstanzliche Sozialgericht, als auch das Landessozialgericht haben die Klagen der Kassenärztlichen Vereinigung zurückgewiesen und den Sonderbedarf im Bereich der Kinderradiologie bestätigt. Insbesondere das LSG bekräftigte die Entscheidung des Berufungsausschuss, dass eine Bedarfsdeckung durch den angrenzenden Planungsbereich nicht gegeben sei. Grundsätzlich komme es in erster Linie zwar auf die Versorgung im betroffenen Planungsbereich an, allerdings könne bei gegebenen Subspezialisierungen einzelner Fachgebiete auch die Versorgungssituation in räumlich angrenzenden Gebieten für die Prüfung der Notwendigkeit einer Sonderbedarfszulassung ihre Berücksichtigung finden. Aufgrund der Tatsache, dass im angrenzenden Planungsbereich aber lediglich nur ein Klinikarzt ermächtigt sei und sich der nächste zugelassene Kinderradiologe nicht mehr im erreichbaren Umfeld des umstrittenen Planungsbereichs befinde, billigte das LSG dem Berufungsausschuss diesbezüglich eine fehlerfreie Entscheidung zu.

Letztendlich wurde mit der Urteilsbegründung auch das Argument des in der Weiterbildungsordnung geregelten Ausbildungsstandes entkräftet. Für die Weiterbildung zum Facharzt der diagnostischen Radiologie sah diese Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in den zur Grundversorgung erforderlichen radiologischen Maßnahmen im Kindesalter vor. Dies zeige jedoch keinesfalls, dass ein Facharzt für radiologische Diagnostik in der Lage ist, auch den Bereich der kinderradiologischen Leistungen abzudecken.

Insgesamt stimmte das LSG, wie auch schon bereits zuvor das SG, dem Beschluss des Berufungsausschusses zu. Diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Ob nämlich im ambulanten Bereich ein Versorgungsdefizit besteht, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab (z.B. Anzahl und Leistungsangebot der neidergelassenen und ermächtigten Ärzte, Bevölkerungs- und Morbiditätsstruktur, Umfang und räumliche Verteilung der Nachfrage aufgrund der vorhandenen Verkehrsbedingungen), die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander weitgehend unbestimmt sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt daher den Zulassungs- und Berufungsausschüssen ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich daher darauf, ob der Sachverhalt richtig und vollständig ermittelt wurde und ob die gesetzlichen Maßstäbe zur Ermittlung des "besonderen Versorgungsbedarfs" eingehalten wurden.

#

Sonderbedarf für Kinderradiologie und Neuroradiologie

Für Fachärzte für Radiologen mit der Schwerpunktbezeichnung Kinderradiologie besteht im Ergebnis grundsätzlich die Möglichkeit, trotz eines für Radiologen grundsätzlich gesperrten Planungsbereichs, unter den Voraussetzungen der Nr. 24 Satz 1 Nr. b) der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte eine Sonderbedarfszulassung zu erhalten. Dabei dürfte sich die Situation nach der Änderung der Muster-Weiterbildungsordnung im Jahr 2003 und der damit verbundenen Aufwertung der Schwerpunktbezeichnungen noch zugunsten der Kinderradiologie verändern. Während nach der früheren Weiterbildungsordnung, die noch im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung Anwendung fand, im Bereich der Diagnostischen Radiologie zu den eingehenden Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten auch "die zur Grundversorgung erforderlichen Maßnahmen im Kindesalter" zählten, sieht die neue Facharztbezeichnung auf dem Gebiet der Radiologie diesen kinderradiologischen Mindestweiterbildungsinhalt nicht mehr vor. Diese Fertigkeiten werden primär in dem Schwerpunkt der Kinderradiologie vermittelt, sodass zukünftig der Bedarf an kinderradiologischen Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung zunehmen dürfte, weil für diese Leistungen der reine Facharzt für Radiologie nicht hinreichend ausgebildet worden ist. In gleicher Weise dürfte diese Feststellung auf den Schwerpunkt der Neuroradiologie zutreffen. Soweit entsprechende Anträge auf Sonderbedarf im Bereich der Kinderradiologie und Neuroradiologie gestellt werden, sollte allerdings zuvor grundsätzlich auch die Versorgung in diesen Schwerpunktgebieten in den benachbarten Planungsbereichen geprüft werden.

RA Dr. Peter Wigge,

Fachanwalt für Medizinrecht

RA Sebastian Sczuka

Rechtsanwälte Wigge, Münster

Email: kanzlei@ra-wigge.de

www.ra-wigge.de

Zoom Image
 
Zoom Image
Zoom Image