Reverse shoulder arthroplasty for the treatment of three- and four-part fractures
of the proximal humerus in the elderly. A prospective review of 43 cases with short-term
follow-up. Bufquin T., Hersan A., Hubert L., Massin P. J. Bone Joint Surg. [Br] 89
(2007) 516-520.
Einleitung
Die inverse Schulteralloarthroplastik auf der Basis der Grundlagen, die von P. Grammont
geschaffen wurden, bietet Lösungsmöglichkeiten für Problemsituationen bevorzugt des
älteren Menschen (z. B. bei nicht anderweitig rekonstruierbaren Rotatorenmanschettendefekten),
die mit Hilfe der konventionellen Schulterprothetik nicht adäquat adressiert werden
können (u. a. Salvagesituationen). Höhergradige Humeruskopffrakturen, insbesondere
bei gleichzeitiger Luxation, des alten Menschen haben eine ernste Prognose aufgrund
des hohen Risikopotenzials (z. B. Humeruskopfnekrose, mechanisch limitierte Verankerungsmöglichkeiten
eines Osteosyntheseimplantats). Die guten mittelfristigen Ergebnisse mit der inversen
Prothese bei degenerativen Erkrankungen der Schulter legen den Schluss nahe, typische
Probleme der primären Osteosynthese, der konventionellen primären und sekundären Hemiarthroplastik
mit Hilfe der Primärimplantation einer inversen Prothese umgehen und auch Zweiteingriffe
vermeiden zu können.
Material und Methoden
In einem 5-Jahreszeitraum wurden 43 Patienten in Folge mit einem mittleren Alter von
78 Jahren (Spannweite 65-97 Jahre) nach einer dislozierten Humeruskopffraktur (5 dislozierte
3-Part-Frakturen nach NEER, 38 dislozierte 4-part-Frakturen, davon 12 Luxationsfrakturen)
mit einer inversen Prothese (Delta) versorgt. 20 Patienten wurden über einen deltoideo-pektoralen
Zugang, 23 über einen antero-superioren Delta-Split-Zugang operiert. Bei 36 Schultern
wurden die Tuberkula nahtrefixiert. Die Patienten wurden in Halbjahresabständen untersucht.
Daneben erfolgten regelmäßig standardisierte Röntgenaufnahmen unter Vergleich mit
der nicht operativ versorgten Schulter. Es kamen die Scores nach Constant und Murley,
ASES und DASH zur Anwendung. Der mittlere Nachbeobachtungszeitraum betrug 22 Monate.
Ergebnisse
Postoperative Komplikationen wurden bei 12 Patienten festgestellt (5 temporäre Nervenläsionen,
3 CRPS II, 2 Frakturen, 2 Dislokationen). Eine Redislokation der Tuberkula war bei
19 Patienten (53 %) manifest mit Fehlstellung bei 5 Patienten (13,8 %) und Pseudarthrose
bei 14 Patienten (38,8 %), ein Notching am Skapulahals bei 10 Schultern (25 %) ohne
Lockerung, heterotope Ossifikationen bei 36 Schultern (90 %) zu verzeichnen. Eine
Komponentenlockerung oder ein Infekt waren nicht festzustellen. Im Mittel konnte eine
aktive Elevation von 97° (kontralaterale Schulter 140°), eine aktive Abduktion von
86° (kontralaterale Schulter 97°) und eine mittlere aktive Außenrotation von 30° (kontralaterale
Schulter 71°) erreicht werden.
Die funktionellen Ergebnisse waren deutlich altersabhängig. Zahlreiche Patienten waren
wenig schmerzgeplagt (12,5 von 15 Punkten im Constant/Murley-Score). Die Absolutwerte
für den Constant/Murley-Score der operierten Schulter lagen bei 44 Punkten (Gegenseite
69 Punkte); der ASES Score betrug für die operierte Seite 9 Punkte (kontralateral
21 Punkte), der DASH Score 44 Punkte. Das Outcome wurde weder vom Zugangsweg noch
von der Tatsache beeinflusst, ob die Tuberkula angeheilt waren. Tendenziell war aber
die Außenrotation bei anatomisch korrekt eingeheilten Tuberkula besser bzw. das Gesamtergebnis
günstiger, wenn das Rotationszentrum des Glenohumeralgelenks verglichen mit der kontralateralen
Schulter nach inferior verschoben war.
Die Autoren schlussfolgern, dass trotz der hohen Komplikationsrate die inverse Schulterprothetik
aufgrund der guten Schmerzkupierung und der manifesten funktionellen Resultate eine
valide primäre Behandlungsoption für die Problemfrakturen des Humeruskopfes des älteren
Menschen darstellt und die geänderte biomechanische Situation der inversen Prothese
(Medialisation und Distalisierung des Drehzentrums) die Konsequenzen einer fehlgeschlagenen
Refixation/Rekonstruktion der Tuberkula limitiert.
Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Mittlmeier
Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Chirurgische Klinik und Poliklinik
der Universität Rostock