Z Orthop Unfall 2007; 145(5): 546-549
DOI: 10.1055/s-2007-991589
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Integrierte Versorgung - Halten IV-Verträge, was sie versprechen?

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Publikationsdatum:
23. Oktober 2007 (online)

 
Inhaltsübersicht

Verträge im Rahmen der Integrierten Versorgung beinhalten in der Regel, dass in Frage kommende Patienten schneller als in das "normale Budget" fallende andere Patienten operativ versorgt werden und auch die Vor- und Nachbehandlung einem standardisierten Ablauf unterzogen werden. Die Autoren beschreiben mit dem VITEP®-Programm ein Beispiel für die Hüft- und Knieendoprothetik.

Dem politischen Willen der letzten und der aktuellen Regierung folgend, wurden und werden in Deutschland in den letzten Jahren mehrere tausend Verträge der sog. "Integrierten Versorgung" abgeschlossen. Die Kosten hierfür werden im Bereich der KV NO vorneweg von dem Gesamtbudget für die medizinische Versorgung abgezogen, und gehen somit auch zu Lasten des verbleibenden Budgets für die ambulante fachärztliche und hausärztliche Versorgung. Die Mehrzahl davon betrifft nicht das orthopädische Fachgebiet.

Bei den uns betreffenden Verträgen handelt es sich im Wesentlichen um Vereinbarungen mit der Indikation zur Hüft- und Knieendoprothetik zwischen Akut- und Rehakliniken einerseits und den gesetzlichen Kassen andererseits, ggf. werden auch noch Niedergelassene (Orthopäden, Chirurgen, etc.) hinzugezogen. Das Grundmuster dieser Verträge beinhaltet in der Regel, dass in Frage kommende Patienten schneller als in das "normale Budget" fallende andere Patienten operativ versorgt werden und auch die Vor- und Nachbehandlung einem standardisierten Ablauf unterzogen werden.

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Vorteile beim IV - Vertrag

Die potentiellen Vorteile sind für die Patienten neben der geringen Wartezeit, verringerten oder entfallenden Zuzahlungen und - zumindest von den Kostenträgern propagiert - eine verbesserte/ausführlichere ärztliche Betreuung, wobei dies bisher eher eine Wunschvorstellung bzw. eine Werbeäußerung denn eine gesicherte Erkenntnis sein dürfte. Für den Niedergelassenen ergeben sich aus der verringerten Wartezeit geringere Arzneimittel- und Physiotherapiekosten und somit eine Budgetentlastung, eine zusätzliche Praxis - PR, weniger Arbeitsbelastung postoperativ durch eine abgestimmte und rasche Versorgung sowie eine verbesserte second line bei Problemen. Ein weiterer und für die Teilnahme an solchen Programmen oft auch sehr relevanter Vorteil ist eine zusätzliche und extrabudgetäre Vergütung.

Nachteile dieser Programme sind u. a. ein Mehraufwand für Arzt/Personal sowohl bei der Einführung als auch beim normalen Ablauf, evtl. moralische Bedenken bzgl. der Honorierung, die einen "Griff in den Pott ALLER" darstellen, sowie eine Limitierung der in Frage kommenden Krankenhäuser, da de facto schon eine Weiterleitung nach dem Motto "Patient A aus Kasse A in Krankenhaus A, Patient aus Kasse B in Krankenhaus B; Patient C aus Kasse C ohne entsprechendes Sonderprogramm kann sich das Krankenhaus aussuchen, muss aber länger warten". Im Folgenden sollen die praktischen Erfahrungen am Beispiel des Programms VITEP® erläutert werden.

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VITEP®-Programm (Vital-Total-Endoprothese)

Dieses Programm zur IV-Versorgung Hüft- und Knieendoprothetik existiert seit 01.10.2004 und wurde zunächst zwischen der Dreifaltigkeits - Krankenhaus Köln GmbH (DFK) Klinik für Orthopädie und Sporttraumatologie mit seiner angegliederten Rehabilitationseinrichtung und der Betriebskrankenkasse Ford vereinbart. Zusätzlich findet eine wissenschaftliche Begleitung inkl. der anonymisierten Datenauswertung durch die Rheinische Fachhochschule Köln statt. Zwischenzeitlich sind eine ganze Reihe weiterer Betriebskrankenkassen hinzugetreten (Stand Juni 2007: n = 27), die Namen und der aktuellste Stand können auf der eigenen Homepage http://www.vitep.de nachverfolgt werden. Weiter nehmen an dem Vertrag eine Reihe von eingeschriebenen niedergelassenen Orthopäden (Stand Juni 2007: n = 41, ca. 60 % aus Köln, ca. 40 % im Umkreis bis ca. 50 km Entfernung), elf niedergelassene Physiotherapie-Praxen (Eifel, Köln und Umgebung) und zwei Rehakliniken teil. Der normale Ablauf vollzieht sich in sieben Stufen:

  1. Indikationsstellung anhand der Unterschreitung bestimmter Grenzwerte im Harris-Hip-Score bzw. des Knee-Society-Scores und der Erfüllung von mindestens drei von sechs funktionellen Kriterien (gestörter Nachtschlaf, Beugekontrakturen, Gehstreckenlimitierungen etc., zusätzlich ggf. Einzelbegründungen) und Einschreibung des Patienten durch einen teilnehmenden niedergelassenen VITEP®-Arzt, inkl. einer Teilnahmeerklärung des Patienten, einer Einwilligungserklärung und einer Datenschutzerklärung.

  2. Vorstellung in der Ambulanz des Dreifaltigkeits - Krankenhauses, Bestätigung der Indikation, normales prästationäres Procedere inkl. Anästhesievorstellung und ggf. Eigenblutspende.

  3. Operation und stationäre Behandlung innerhalb von acht Wochen nach Erstvorstellung

  4. ambulante Rehabilitation am Dreifaltigkeits-Krankenhaus Köln.

  5. klinische und radiologische Kontrolle durch den einschreibenden Arzt drei Monate postoperativ.

  6. klinische und radiologische Kontrolle durch den einschreibenden Arzt sechs Monate postoperativ.

  7. klinische und radiologische Kontrolle durch den einschreibenden Arzt zwölf Monate postoperativ.

In ausgesuchten Fällen kann die ambulante durch eine stationäre Rehabilitation in einer der teilnehmenden Rehakliniken erfolgen. Eine ggf. nach Abschluss der Rehamaßnahme noch notwendige ambulante Physiotherapie kann in einer der regional schwerpunktmäßig verteilten Praxen erfolgen. Die Teilnahme erfolgt patientenseitig freiwillig und jederzeit widerrufbar, arztseitig nach eigener Maßgabe, es existiert keine Konkurrenzausschlussklausel bzgl. eines ortnahen ähnlichen IV-Programms zwischen dem Remigius-Krankenhaus Leverkusen sowie der BKK Bayer und der BKK Heilberufe.

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Vertragliche Regelungen

Der Vertrag wurde zwischen der BKK Ford und dem Dreifaltigkeits- Krankenhaus Köln nach § 140 ff SGB V geschlossen. Diesem Vertrag folgten und folgen weitere Betriebskrankenkassen sowie Leistungserbringer (niedergelassene Orthopäden, niedergelassene Physiotherapiepraxen und Rehakliniken) als Netzwerkpartner. Die Rekrutierung und die Vergütungszahlungen dieser Partner obliegt der DFK GmbH, welche für die vertraglich festgelegten und in Behandlungsleitpfaden definierten Leistungen zwei Fallpauschalen für die Akut- und die Rehabilitationsbehandlung erhält. Maßnahmen zur internen und externen Qualitätssicherung inkl. eines Qualitätszirkels sind vereinbart. Die Vertragspartner übernehmen die volle Haftung jeweils für ihre eigenen Leistungen. Sie haften nicht für Leistungen des jeweils anderen Vertragspartners oder für Leistungen anderer Netzwerkpartner. Die DFK GmbH haftet gegenüber den Kostenträgern - auch für die Netzwerkpartner - inkl. einer Gewährleistungspflicht von zehn Jahren, sofern nicht die Implantate selber betroffen sind (MPG-Haftung) oder Patientenfehlverhalten nachweisbar ist. Nachbesserungen erfolgen durch die DFK GmbH und/oder die Netzwerkpartner. Für die teilnehmenden Ärzte besteht eine Zuführungsverpflichtung.

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Praxisleistungen

Die Patientenakquirierung erfolgt meist aus dem eigenen Patientengut, vereinzelt auch auf Überweisung von mit dem Programm vertrauten Hausärzten auf Basis der VITEP®-Homepage oder auf Hinweis der Kasse. Die Einschreibung erfolgt auf drei Standardformblättern und auf einem einseitigen Untersuchungsformular, dem Harris hip score bzw. dem knee society score folgend. Hinzu kommen nach Röntgenaufnahmen in zwei bzw. drei Ebenen in vorgegebenen Formaten. Bewährt hat sich folgendes Vorgehen: klinisch und vertragstechnisch in Frage kommende Patienten werden automatisch entsprechend dem vorgegebenen Standard geröntgt bzw. aktuelle bestehende Aufnahmen (z. B. BÜS) ggf. um fehlende Ebenen und/oder Formate ergänzt. Den Patienten werden mit einigen Kurzerläuterungen die Formulare mitgegeben, bei einem zweiten und zeitlich länger geplanten Termin erfolgt dann die Einschreibung. Diese ausgefüllten und unterschriebenen Formulare gelangen dann postalisch zum jeweiligen Kostenträger, von dem dann später eine Einschreibebestätigung erfolgt. Die Patienten erhalten eine Überweisung, zwei der drei Ausführungen des Evaluationsbogens (der dritte Durchschlag und eine Kopie der Einschreibung verbleiben beim Arzt) sowie die Bilder zur Vorstellung im Krankenhaus.

Nach drei, sechs und zwölf Monaten erfolgt eine klinische und radiologische Untersuchung und Dokumentation analog der Einschreibung ohne den Teil der Einschreibung. Die Unterlagen werden dann einzeln oder gebündelt dem Krankenhaus zugeleitet. Die Termine für die Kontrollen werden durch studentische Hilfskräfte in der Praxis vereinbart, bei partiell bestehenden Unstimmigkeiten, wie z. B. zeitlich falsche oder fehlende Einbestellungen, kann auf Wunsch - wie in der Praxis des Erstautors - dies auch in Eigenregie erfolgen. Bewährt hat sich hierbei die Erstellung und jeweilige Aktualisierung einer Tabellenkalkulation auf Excelbasis mit Eintragungen der jeweiligen Namen, Kassen, OP-Art und Datum sowie der Kontrolldaten. Mit Erhalt des OP- und Entlassungsberichtes können dann grob planerisch vorab die drei jeweiligen drei Kontrolltermine eingetragen werden. Am Anfang des Monats erfolgen dann die Einbestellungen der im jeweiligen Monat anstehenden Patienten. Ergänzt wird diese Tabelle durch die Eintragung der Zeitdaten für die erste und zweite Rechnungsstellung und deren Bezahlung (s. u.). Auf diese Weise ist wirkungsvoll sichergestellt, dass kein Patient "vergessen" wird, die Kontrollen zeitgerecht erfolgen, etwaige Verzögerungen rasch erkannt werden (z. B. Patient aus der Praxis nicht bekannten Gründen nicht zeitgerecht operiert) sowie die Leistungen zeitnah bezahlt werden.

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Sonderleistungen

Der "Idealfall" sieht vor, dass der Patient für die meist fünf Quartale (Einschreibung-Abschlusskontrolle ein Jahr postoperativ) nicht "über Chipkarte/Überweisung" behandelt wird, da die Bezahlung mit den beiden Pauschalen abgegolten ist und keinerlei zusätzlicher Bedarf an orthopädischen Behandlungen, Medikamenten und Physiotherapien besteht. Dies basiert auf der IV-systemimmanenten Fehleinschätzung, dass es sich um einen isolierten "Fall" ohne weitere Erkrankungen handelt. Reell erfolgt fast immer eine zusätzliche Einlesung über Karte oder Überweisung, da oft auch parallel bestehende und aktuell behandlungsbedürftige andere orthopädische Erkrankungen bestehen, wie z. B. Erkrankungen der Nachbargelenke und der Wirbelsäule oder auch normale Jahreskontrollen von orthopädischen Implantaten an anderen Stellen, ggf. auch z. B. außerhalb der VITEP®-Kontrollzeit.

Des Weiteren benötigt man EDV-technisch die aktuellen Eintragungen für Medikamentenverordnungen. Praktisch erfolgt dies, dass der Patient ganz normal im jeweiligen Quartal als Kassenpatient mit den Nicht-VITEP®-Diagnosen und Leistungsziffern erfasst wird, ggf. muss man dies dann vor Abrechnung in den selteneren Fällen der ausschließlichen VITEP®-Leistung wieder löschen und ggf. auch die Kassengebühr erstatten. Nötige Hilfsmittel werden durch Krankenhaus oder die Reha Einrichtung gestellt, evtl. Nachversorgungen müssen glücklicherweise selten dann im Krankenhaus nachrezeptiert werden. Ggf. weiter nötige Physiotherapien werden durch ein Netz von teilnehmenden Praxen mit regionalen Schwerpunkten erbracht. Hier erfolgt dann auf der Verordnung ein Hinweis auf eine Liquidation über VITEP®. EDV-technisch sollten diese Verordnungen so eingegeben werden, dass sie nicht in der Leistungsstatistik für das Praxisheilmittelbudget auftauchen. Weitere ärztliche Betreuungen vor und nach der OP außerhalb der vier Standardtermine "gehen in den Pauschalen unter".

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Honorierung

Die Honorierung erfolgt in zwei Tranchen, u. z. je 100 € nach Einschreibung und nach erfolgter dritter Kontrolle. Voraussetzung hierfür ist eine vorliegende vollständige Dokumentation inkl. Röntgenbildern sowie eine ärztliche Rechnungslegung. Hierbei sind u. a. folgende Sonderfälle denkbar, welche z. T. auch schon eingetreten sind und wie folgt gehandhabt werden:

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Tab. 1 Bei diesen Zahlen ist eine Reihe von Umständen zu beachten:

  1. Einschreibung mit aktuellen Röntgenfremdbildern erfolgt = Einschreibegebühr in voller Höhe auf Kulanz.

  2. Einschreibung erfolgt, es kommt nicht zur Operation im Rahmen des VITEP®-Programms (z. B. "Rückzieher" des Patienten vor Operation generell oder an diesem Krankenhaus, Ablehnung durch Anästhesie wg. mangelnder OP-Fähigkeit, Operation als "Non-VITEP®-Fall" wg. erhöhter Risiken und potentiell zu großer Gefahr im Rahmen der Gewährleistung, etc." → Einschreibegebühr in voller Höhe.

  3. fehlende oder nur partiell durchgeführte Kontrollen → anteilige Bezahlung.

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Vergleich mit ähnlichen Verträgen

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige Vergleichszahlen: Ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige Vergleichszahlen:

  • BEK Raum Berlin: 35 € nach Reha, 60 € nach 1/2 Jahr, 50 € nach 3, 4/5 Jahren, Vergütung für alleinige Nachuntersuchungsleistung ohne Röntgen

  • DAK-Klinikum Saarbrücken je 50 € nach 1/4, 1/2, 1, 2, 3 und 5 Jahren mit jeweils Aufnahmen in zwei Ebenen Knie bzw. Hüfte

  • BEK/Medi Baden-Württemberg: 105 € prästationär, 90 € poststationär inkl. Röntgen

  • Primärkassen-Johanna-Etienne-Krankenhaus Neuss/Kreiskrankenhaus Dormagen/Krankenhaus Neuwerk Mönchengladbach: GKV-Honorar + zusätzlich 25 € Einschreibung/15 € im 1./2. und 3. Quartal p.o.

  • AOK Hessen: GOÄ-angelehnte Zusatzvergütung + EBM

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Ertragsvergleich GKV - VITEP® - BG - PKV

Bei der Fragestellung, wie die finanzielle Honorierung im Vergleich mit anderen Abrechnungssystemen aussieht, ergeben sich unter den u. g. Prämissen folgende Ergebnisse:

  • GKV: angenommener Punktwert 3,5 ct, angesetzte Ziffern 18211 bzw. 18212 (Ordination < bzw. ab 60 Jahren), bei Einschreibung zusätzlich 18220 (Beratung lang), 01601 (ausführlicher Brief), 34233 (Röntgen Hüfte/Knie zwei Ebenen), bei KTE-Patienten dazu 34230 (Röntgen Knie dritte Ebene)

  • Ab. 01.01.2007 für Hüftpatienten Ersatz der Ziffer 34233 durch die neue Ziffer 34237 (Röntgen Teile des Beckens in mindestens zwei Ebenen) mit 385 Punkten

  • VITEP®: theoretische Drittelung des Ertrages pro Kontrolle

  • BG: angesetzte Ziffern 6 (ausführliche Ordination),137 analog (Ergänzungsbericht Knie), 5030 (Röntgen Hüfte bzw. Knie zwei Ebenen), bei KTE-Patienten dazu 5031 (Röntgen Knie dritte Ebene)

  • PKV: Faktor 2.3 bzw. für 1.8 medizinische bzw. technische Leistungen, Schreibgebühr Faktor 1.0, angesetzte Ziffern 34 (Beratung lebensverändernde Umstände) bei Einschreibung bzw. 3 (ausführliche Beratung) bei Kontrollen, 7 (Untersuchung Organsystem), 75 (ausführlicher Brief), 95 (Schreibgebühr), 5030 (Röntgen Hüfte bzw. Knie zwei Ebenen), bei KTE-Patienten dazu 5031 (Röntgen Knie dritte Ebene)

  • Die Umsätze dürfen nicht mit dem Verdienst vor Steuern verwechselt werden

  • Die Umstellung auf Regelleistungsvolumina mit Abstaffelungen oberhalb von Durchschnittswerten ist bis mindestens bis zum dritten Quartal 2007 (Stand März 2007) verschoben (falls diese überhaupt kommen werden)

  • Die Praxisbudgetierung bewirkt, dass nach Überschreitung des Budgets keinerlei Erträge mehr eingehen, somit also bei gleichen Kosten ein ausschließlicher Verlust entsteht

  • Selbiges gilt für Konsultationen "außer der Reihe". Dies ist nur dadurch vermeidbar, dass man solche Fälle auf das nächste Quartal - soweit möglich - verschiebt, wodurch sich natürlich dann gegen Ende des Quartals dasselbe Problem wieder stellt.

  • Dem gegenüber ist das Ausfall- bzw. Kürzungsrisiko bei den anderen drei Systemen eher geringer.

  • Der Zahlungseingang der GKV erfolgt für die dritte und vierte Rate mit einer Zeitverzögerung von fünf Monaten, verbunden mit Zinsverlusten

  • Beim VITEP®-Programm drohen noch Ertragsminderungen, da ggf. auftretende Zwischenkonsultationen vor und nach OP außerhalb der regulären Termine nicht zusätzlich honoriert werden.

  • Die Kosten für die Untersuchungen sind im Vergleich der Abrechnungssysteme materialseitig und personalseitig gleich, der ärztliche Aufwand ist durch die Ausfüllung der Kontrollbögen höher (d. h. man arbeitet also länger oder macht stattdessen einen Kurztermin mit einem anderen Patienten weniger)

  • Der Aufwand der Rechnungslegung ist praxisindividuell. Bei der GKV-Abrechnung via KV sind im Vergleich zu den anderen drei Systemen ein geringerer Zeit- und Personalaufwand anzuführen, bei den anderen Systemen sind noch erhöhte Onlinekosten (BG, PVS o. ä.) und Porto- und/oder Transportkosten - speziell bei VITEP® erhöht durch die Röntgenbilder - durch die separate Abrechnung einer geringen Fallzahl (versus Zinsverluste bei späterer Abrechnung einer höheren Fallzahl) zu nennen.

  • Weitere Kosten entstehen für die Abrechnung durch die GKV bzw. eine Abrechnungsgesellschaft, die Kosten für die Buchführung von weiteren Einnahmeposten sowie ggf. resultierenden zusätzlichen Folgekosten für den Zeitaufwand für Zahlungseingangskontrolle, Schriftverkehr, Mahnungen, Anwalt, Prozess, Komplettausfall etc. bei gekürzten oder ausbleibenden Zahlungen.

  • Selbiges gilt für ggf. anstehende Regresse im Medikamenten- und Heilmittelbudget oder aus dem Vergleich mit den Mittelwerten der anderen Leistungserbringer, welche nur bei der GKV drohen.

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Mehr Geld bei etwas mehr Leistung

Den politischen Vorgaben folgend und in Hoffnung auf zusätzliche Erträge, werden zunehmend Verträge der sog. "Integrierten Versorgung" ins Leben gerufen. Der Fachbereich Orthopädie ist hierin bislang weniger aktiv, gleichwohl aber über die aus dem Gesamtbudget der ärztlichen Versorgung vorweg entnommene Anschubfinanzierung wie alle anderen Fachgruppen betroffen. Die meisten orthopädischen IV-Verträge betreffen Absprachen zwischen den Kassen einerseits und Krankenhäusern andererseits, es existieren aber auch Verträge unter Einbindung der Niedergelassenen. Am Beispiel des VITEP®-Programms zwischen dem Dreifaltigkeits-Krankenhaus Köln und einer Reihe von Betriebskrankenkassen werden hier Zugangswege, Vor- und Nachteile, spezielle Probleme und eine betriebswirtschaftliche Bewertung - auch im Vergleich mit den drei anderen Abrechnungssystemen GKV Standard, BG und PKV dargestellt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die normale GKV-Versorgung folgende Merkmale aufweist:

  • geringster Zeitaufwand

  • kostengünstige Abrechnung über eine hohe Fallzahl via KV

  • geringes Zahlungsausfallrisiko

  • finanzielle Risiken durch Budgetüberschreitungen für die Bereiche Patientenversorgung allgemein, Medikamente und Heilmittel sowie sonstige Individualregresse

  • Zinsverluste durch partiell lange Zahlungsfristen

  • verlängerte Warte- und Leidenszeiten für die Patienten bis zur erfolgten Versorgung

Die VITEP®-Versorgung weist folgende Merkmale auf:

  • erhöhter Zeit- Kostenaufwand durch Dokumentation, Transport, Abrechnung etc.

  • geringes Zahlungsausfallrisiko

  • zusätzliche Umsätze, 37 % - 76 % höher als GKV im GKV-günstigsten Fall, ohne Budgetrisiko

  • ggf. Ertragsminderung durch Patientenversorgung außerhalb "der Reihe"

  • meist relativ rasche Zahlung nach Rechnungslegung

  • im Vergleich zur GKV noch längere Zahlungsfrist von >= neun Monaten für die erste Kontrolluntersuchung (durch Zahlung erst nach der dritten Kontrolle), etwas längere Frist von >= sechs Monaten für die zweite Kontrolluntersuchung und geringer Frist bei der Abschlusskontrolle

  • schnellere Patientenversorgung

  • Erwerbstätige Patienten profitieren von optimierten Arbeitsunfähigkeitszeiten

  • Verringerte Wartezeiten zwischen Einzelleistungen unterschiedlicher Leistungserbringer

  • Die wesentlichen Behandlungsunterlagen erhält der Patient auf einer CD, so dass die Informationen jederzeit vorliegen und auch für den Patienten eine zufrieden stellende Transparenz schaffen.

Für die beiden anderen Vergleichssysteme BG und PKV gilt ähnliches wie für VITEP®, jedoch mit folgenden weiteren Merkmalen:

  • ggf. etwas höheres Ausfall/Folgekostenrisiko im Bereich PKV durch Individualvertrag Arzt/Patient

  • variable, jedoch meist schnellere Zahlung als bei den anderen Systemen je nach Art der eigenen Rechnungslegung (mehrere kleine - eine große Rechnung)

  • geringfügig (BG) bzw. mehr als doppelt so hoher (PKV) Umsatz.

Zusammenfassend erkennt man folgende Ansätze, dass man als Niedergelassener im Vergleich kein (bei Überschreitung der Budgets) bzw. wenig Geld für fast gleiche Leistung (GKV), mehr Geld bei etwas mehr Leistung (Dokumentation bei VITEP®) und mehr bzw. deutlich mehr Geld bei GKV-Leistung bei Kostenträger BG (im Falle z. B. einer posttraumatischen Arthrose) oder PKV erhält. Hierbei ist im IV-Bereich allerdings auch die Größenordnung zu nennen: bei der Zuführung eines Patienten im Monat (dies ist eher oberhalb des Durchschnitts) und unter Kalkulation mit dem in 2005 erreichten (jetzt weniger) durchschnittlichen GKV-Umsatz der orthopädischen Praxen in Nordrhein von ca. 51 000 €/Quartal und einer angenommenen Punktlandung auf Budget ohne weitere sonstige Verluste werden im Vergleich zum GKV-Umsatz lediglich Mehreinnahmen in der Größenordnung von ca. 500-900 € (entsprechend 1/4-1/2 Prozent Umsatzplus) erreicht. Die finanziellen Risiken sind unterschiedlich bei den verschiedenen Systemen, durch die regelmäßige Budgetüberschreitung am höchsten im am schlechtesten bezahlten System GKV. Hier besteht v. a. durch die langen Wartezeiten auch die schlechteste Patientenversorgung im Gegensatz zu den anderen Systemen.

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Autoren

Dr. Stephan Grüner, Köln,

www.dr-gruener.de,

stv. Leiter AK 18 Neue Medien DGOOC

Dr. Holger Haas,

Chefarzt Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie am Gemeinschaftskrankenhaus St. Elisabeth/St. Petrus Bonn,

www.gk-bonn.de,

Leiter DGOOC der Kommission 17 Integrierte Versorgung der Allianz Deutscher Orthopäden

 
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Tab. 1 Bei diesen Zahlen ist eine Reihe von Umständen zu beachten: