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DOI: 10.1055/s-2007-992913
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Sepsis bei kritisch kranken Patienten - Bei Verdacht auf systemische Mykose keine Zeit verlieren
Publication History
Publication Date:
20 December 2007 (online)
- Genaue Identifizierung des Erregers kostet Zeit
- Verzögerter Therapiebeginn erhöht die Sterblichkeit
- In der First-line-Therapie auf breites Wirkspektrum setzen
- Nierenverträglichkeit
- Großes Problem bei Sepsispatienten: das Risiko von Interaktionen
- Candida-Biofilm auf zentralvenösen Kathetern
- Empirische antimykotische Therapie kann Leben retten
- Ein Antimykotikum für alle Fälle
- Literatur
Pilzinfektionen wie zum Beispiel Candidämien als Ursache einer Sepsis bei chirurgischen und internistischen Intensivpatienten werden immer häufiger, warnte Prof. Ernst Kuse, Salzgitter. Nach einer Erhebung des Nationalen Referenzzentrums für Systemische Mykosen [1] wurden von Juli 2004 bis August 2005 in Deutschland am häufigsten Candida albicans (58,5 % der Isolate) gefunden, gefolgt von C. glabrata (19,1 %), C. parapsilosis (8,0 %) und C. tropicalis (7,5 %), während C. krusei (1,4 %) eher selten nachgewiesen wurde.
Die Gesamtletalität der invasiven Candidiasis liegt bei 40-49 %, die direkt einer Candidämie zuzuschreibende Letalität bei 20-30 %. Wie hoch die Sterblichkeit ist, hängt entscheidend von Erregertyp und dem APACHE-II-Score als Maß für die Schwere der Erkrankung ab. Mit einer Letalität von rund 70 % bei einem APACHE-II-Score von mindestens 25 bzw. knapp 60 % bei einem Score von 19 bis 24 ist die Situation auch bei C. albicans als Erreger nach wie vor alarmierend. C. tropicalis und C. glabrata sind für Intensivpatienten in ähnlichem Maße gefährlich, während die Letalität bei einer Infektion mit C. parapsilosis weniger hoch ist. Die durch eine Pilzinfektion verursachten zusätzlichen Kosten sind immens. Immerhin steigt der Bedarf an Intensivbehandlung um 13 Tage; die zusätzliche Aufenthaltsdauer im Krankenhaus beträgt etwa 15 Tage.
#Genaue Identifizierung des Erregers kostet Zeit
Da die klinischen Symptome einer Pilzinfektion unspezifisch sind, ist die Diagnose einer invasiven Mykose nicht leicht. Bei einem Intensivpatienten mit septischem Krankheitsbild, dessen Zustand sich durch eine adäquate Breitspektrumantibiotikatherapie nicht bessert, muss man an eine systemische Mykose denken. Die genaue Identifizierung des Erregers kann jedoch im Einzelfall schwierig sein und viel Zeit kosten. Unter Umständen müssen für die mikrobiologische Diagnostik der Sepsis inklusive Resistogramm mehrere Tage veranschlagt werden, machte Prof. Peter-Michael Rath, Essen, deutlich.
Für Blutkulturen bei Sepsispatienten werden normalerweise eine aerobe und eine anaerobe Flasche verwendet. Dabei lohne sich der Einsatz einer zusätzlichen Blutkulturflasche für Pilze. Vor allem die Nachweisrate von C. glabrata verbessert sich dadurch signifikant (37% positiv in der konventionellen Blutkulturflasche, 95 % in der "Pilzflasche").
#Verzögerter Therapiebeginn erhöht die Sterblichkeit
Bei Sepsispatienten erhöht eine falsche Initialtherapie das Risiko zu versterben deutlich, betonte Prof. Tobias Welte, Hannover. Ein wichtiger Faktor, der über das weitere Schicksal der Patienten entscheidet, ist aber auch der Zeitpunkt des Therapiebeginns. So hingen in einer kanadischen Beobachtungsstudie [2] die Überlebenschancen der Patienten, die alle eine Infektion und Hypotension als Zeichen eines septischen Schocks aufwiesen, ganz wesentlich von der Dauer bis zum Beginn einer effektiven antimikrobiellen Therapie ab: Mit jeder Stunde, die die Therapie später verabreicht wurde, stieg die Sterblichkeit der Patienten um etwa 7 %!
Ob grampositive oder gramnegative Bakterien oder Pilze als Erreger: "Immer heißt eine Zeitverzögerung höhere Sterblichkeit," so Welte. Deshalb sollte nach Abnahme der Blutkultur sofort eine antimikrobielle Therapie eingeleitet werden. Die notwendige Strategie zur Therapie der Sepsis fasste Welte prägnant zusammen: "Hit hard and fast!"
#In der First-line-Therapie auf breites Wirkspektrum setzen
Auch Kuse wies auf die entscheidende Bedeutung eines frühen Behandlungsbeginns für den Therapieerfolg hin. Das gelte eben nicht nur für bakterielle Infektionen, sondern gleichermaßen für Mykosen. Wichtig ist dabei, dass man das lokale Erregerspektrum kennt - und die Vorgeschichte des Patienten. Wurde er beispielsweise lange mit Fluconazol vorbehandelt, droht die Selektion von non-albicans-Candida-Spezies.
Laut Kuse ist das bei Intensivpatienten nichts Ungewöhnliches. Er verwies auf die Ergebnisse einer aktuellen Studie [3], in der C. albicans bei Candidämie und invasiver Candidiasis nur noch einen Anteil von 42 % hatte. In 58 % der Fälle waren non-albicans-Candida-Spezies wie C. tropicalis, C. parapsilosis oder C. glabrata die Ursache der invasiven Mykose. Doch Vorsicht: "Das kann in Ihrem Krankenhaus ganz anders aussehen," warnte Kuse. Bei der Auswahl des Antimykotikums für die First-line-Therapie muss daher stets das Keimspektrum bedacht werden.
Als Antimykotikum der ersten Wahl für die Behandlung Schwerstkranker im Bereich der Intensivmedizin, würde sich zum Beispiel das Echinocandin Caspofungin anbieten. Dafür sprächen seine Wirksamkeit, seine gute Verträglichkeit und fehlende Nephrotoxizität sowie sein geringes Interaktionspotenzial.
#Nierenverträglichkeit
Denn gerade die Nephrotoxizität ist häufig ein therapielimitierendes Problem für den Einsatz von Amphotericin B bei Erwachsenen. In der jüngsten Studie zu diesem Thema [5] verschlechterte sich die Nierenfunktion unter konventionellem Amphotericin B bei 65,6 % der Patienten, aber auch liposomales Amphotericin B ließ das Serumkreatinin bei 28,6 % der Patienten ansteigen. Echinocandine weisen dagegen nur eine sehr geringe Nephrotoxizität auf. Unter Caspofungin trat beispielsweise in einer Studie Nephrotoxizität in einer Rate von 1 % auf, so Kuse. Bei Niereninsuffizienz muss die Dosis nicht angepasst werden.
Zudem ist Caspofungin nicht dialysierbar. Auch bei Patienten, die auf der Intensivstation an die Dialyse müssen, ist der erreichte Spiegel daher gut einzuschätzen. Dagegen ist der intravenöse Einsatz von Voriconazol bei Patienten mit Niereninsuffizienz problematisch. Bei einer Kreatininclearance von weniger als 50 ml/min kann der Lösungsvermittler Cyclodextrin kumulieren. Wird - wie immer öfter - die Genius-Dialyse eingesetzt, ist die Frage der Elimination wasserunlöslicher Substanzen bisher nicht geklärt. Die Azolspiegel lassen sich, anders als die Serumspiegel von Echinocandinen, in diesem Fall nicht vorhersehen. "Mit Echinocandinen, wie Caspofungin, sind wir also auf der sicheren Seite," konstatierte Kuse.
#Großes Problem bei Sepsispatienten: das Risiko von Interaktionen
Ein wichtiges Thema im Zusammenhang mit der antimykotischen Therapie ist das Risiko von Interaktionen. Septische Patienten erhalten nicht selten 15 Medikamente oder mehr. In dieser Situation ist theoretisch von weit über hundert Interaktionsmöglichkeiten auszugehen. Damit kann man im Klinikalltag kaum vernünftig umgehen. Für die antimykotische Therapie sollte daher einer Substanz mit wenig möglichen Interaktionen der Vorzug gegeben werden - wie zum Beispiel Caspofungin.
Denn diese Substanz inhibiert in vitro keines der Enzyme 1A2, 2A6, 2C9, 2C19, 2D6, 3A4 des Cytochrom-P450-Systems. Azole dagegen werden wie viele andere Arzneimittel über das Cytochrom-P450-System verstoffwechselt und sind zudem gleichzeitig auch Inhibitoren von jeweils mindestens einem dieser Enzyme, was wiederum die Blutspiegel anderer auf diesem Weg metabolisierter Medikamente beeinflusst. Hinsichtlich dieser Interaktionsmöglichkeiten bedürfen die Azole beim septischen Intensivpatienten daher "erhöhter Aufmerksamkeit", so Kuse.
#Candida-Biofilm auf zentralvenösen Kathetern
Ein weiteres Problem bei Intensivpatienten ist die Bildung eines Candida-Biofilms. Und immerhin seien ein Großteil der Patienten auf deutschen Intensivstationen mit zentralvenösen Kathetern versorgt, meinte Kuse. Er bescheinigte Caspofungin und liposomalem Amphotericin B eine relativ gute Wirkung auf die Pilze im Biofilm, während Azole und konventionelles Amphotericin B hier stark an Wirkung verlieren würden.
#Empirische antimykotische Therapie kann Leben retten
Eine empirische Therapie mit Antimykotika bereits vor dem Ergebnis der Blutkultur erhöht die Überlebenschancen von Patienten mit invasiver Candidainfektion. Kuse verwies auf eine aktuelle Arbeit [4], in der 199 Patienten mit kulturell nachgewiesener invasiver Candidiasis retrospektiv analysiert wurden. Die Patienten aus Akutkrankenhäusern im kanadischen Calgary wiesen eine breite Palette von Grunderkrankungen auf - angefangen von Krebs über Herzkrankheiten, Diabetes mellitus bis hin zum chronischen Nierenversagen. Häufigster Erreger war in dieser Untersuchung C. albicans mit 52 %, gefolgt von C. glabrata (22 %), C. parapsilosis (6 %), C. tropicalis (6 %) und C. krusei (5 %).
Bevor der positive Befund der Blutkultur vorlag, erhielten aber nur 64 Patienten (32 %) eine empirische Therapie mit Antimykotika. Sie wurde später bei 51 Patienten (26 %) als adäquat, also als gegen das Isolat wirksam, eingestuft. Genau bei diesen Patienten fand sich eine signifikante Abnahme der Gesamtletalität verglichen mit den Patienten ohne empirische Therapie bzw. mit den Patienten, bei denen kein adäquater Einsatz der Antimykotika vor dem Ergebnis der Blutkultur stattgefunden hatte (27 versus 46 %).
Angesichts dieser positiven Erfahrungen erwartet Kuse in den nächsten Jahren Diskussionen über eine empirische antimykotische Therapie bei septischen Patienten auf der Intensivstation. Im hämatologisch-onkologischen Bereich ist eine solche Therapie bei Fieber und Neutropenie bereits gang und gäbe.
Quelle: Satellitensymposium "Moderne Behandlungsstrategien der Sepsis bei kritisch kranken Patienten" im Rahmen des 3. Internationalen Kongresses der Deutschen Sepsisgesellschaft DSG e.V., veranstaltet von der MSD SHARP & DOHME GmbH, Haar
#Ein Antimykotikum für alle Fälle
Für die empirische Therapie eignet sich das Echinocandin Caspofungin (Cancidas®) besonders gut, weil es ein breites Erregerspektrum abdeckt - von C. albicans über C. glabrata, C. krusei, C. tropicalis und C. parapsilosis bis hin zu den Aspergillen. Damit werden die klinisch relevanten Erreger systemischer Pilzinfektionen erfasst, und mit dem empirischen Einsatz geht keine wertvolle Zeit verloren: Die Initialdosis von 70 mg sorgt vom ersten Tag an für wirksame Spiegel. In der größten Studie zur empirischen Therapie invasiver Mykosen bei 1095 neutropenischen Patienten mit anhaltendem Fieber trotz Antibiotikatherapie [6] erwies sich Caspofungin als mindestens so effektiv wie liposomales Amphotericin B, aber besser verträglich. Zugelassen ist Caspofungin für
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Dr. Ulrike Wepner, München
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der MSD SHARP & DOHME GMBH, Haar
#Literatur
-
01
Borg-von Zepelin M .
et al .
J Antibicrob Chemother.
2007;
60
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-
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2006;
34 (6)
1589-1596
-
03
Kuse ER .
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2007;
369 (9572)
1519-1527
-
04
Parkins MD .
et al .
J Antimicrob Chemother.
2007;
60 (3)
613-618
-
05
Ullmann AJ .
et al .
Clin Infect Dis.
2006;
43 (4)
e29-e38
-
06
Walsh TJ .
et al .
N Engl J Med.
2004;
351 (14)
1391-1402
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