Dialyse aktuell 2007; 11(7): 12-13
DOI: 10.1055/s-2007-993234
Fachgesellschaften

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Die AB0-inkompatible Nierenlebendspende

Erfahrungen aus dem Transplantationszentrum Freiburg
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Publication Date:
31 October 2007 (online)

 
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Viele Patienten sind durch jahrelange Dialyse und entsprechende Begleiterkrankungen nicht transplantabel, in anderen Fällen ist kein Spender mit passender Blutgruppe verfügbar. Das Transplantationszentrum Freiburg führt daher seit 2004 blutgruppeninkompatible Nierenlebendspenden nach dem Freiburger Protokoll durch. Es ist damit nach dem schwedischen Zentrum das Transplantationszentrum mit den größten Erfahrungen weltweit. Die Erfahrungen sind durchweg positiv, bislang trat noch keine durch Blutgruppenantikörper induzierte Abstoßung auf. Da fast ein Drittel aller potenziellen Nierenspender eine zum Empfänger inkompatible Blutgruppe haben, könnte durch diese Methode die Zahl der Nierenlebendspenden in Deutschland deutlich gesteigert werden.

Die herkömmliche Nierenlebendspende ist nicht immer möglich. Durch jahrelange Dialyse und entsprechende Begleiterkrankungen ist ein Patient möglicherweise nicht transplantabel. In vielen Fällen ist auch kein Spender verfügbar, oder aber ein Spender ist aus medizinischen Gründen nicht nephrektomierbar. Besonders ungünstig ist jedoch, wenn ein geeigneter Spender bereit ist, er allerdings eine inkompatible Blutgruppe besitzt.

Vor diesem Hintergrund hat sich das Transplantationszentrum Freiburg bereits 2004 dazu entschlossen, auch bei solchen Patienten eine Nierenlebendspende durchzuführen, bei denen kein blutgruppenkompatibler Spender vorhanden ist.

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Was spricht dagegen?

Schon in der Vergangenheit hat es einzelne Fälle gegeben, in denen blutgruppeninkompatibel transplantiert wurde. Vielfach ist es dazu akzidentiell durch Fehler bei der Blutgruppenbestimmung oder Fehler bei der Datenübertragung zwischen Spender und Empfänger gekommen. Wie sich bei diesen ersten Fällen überraschenderweise gezeigt hat, wurde bei Patienten, die splenektomiert waren oder zeitgleich mit der Transplantation splenektomiert wurden, ein blutgruppeninkompatibles Organ akzeptiert.

Das man nun aber planmäßig AB0-inkompatibel transplantieren will, ruft viel Kritik auf. Soll man die Risiken einer erhöhten Immunsuppression in Kauf nehmen? Ist nicht schon ein schlechteres Outcome vorhersehbar? Ist die Sache vielleicht zu experimentell? Und ist das Risiko überhaupt kalkulierbar? Letztendlich aber stellt sich die Frage, ob man mit der AB0-inkompatiblen Nierenlebendspende nicht die Grenzen der Medizin überschreitet.

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Mögliche Blutgruppenkonstellationen

Unsere Blutgruppen sind von der Häufigkeit der jeweiligen Konstellation unterschiedlich verteilt. Die Buchstaben "A" und "B" stehen für Zuckermoleküle, die sich auf der Oberfläche fast aller Körperzellen befinden. Personen mit der Blutgruppe "0" haben keine dieser Eigenschaften auf ihren Körperzellen. Im Blut jedes Menschen existieren Antikörper gegen fremde Blutgruppeneigenschaften. So hat zum Beispiel ein Mensch mit der Blutgruppe "A" Antikörper gegen die Blutgruppe "B", ein Patient mit Blutgruppe "B" gegen die Blutgruppe "A". Patienten mit der Blutgruppe "0" besitzen Antikörper gegen "A" und "B".

Nur die Patienten mit der Blutgruppe "AB" besitzen solche Antikörper nicht. So kann "0" allen spenden, aber nur "0" empfangen. Dadurch ist der Patient mit der Blutgruppe "0" immer ein benachteiligter Empfänger. Diese Patientengruppe hat auch eine längere Wartezeit auf ein entsprechendes Organ.

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Das Problem und die Lösung

Wird ein Organ ohne entsprechende Vorbehandlung des Patienten transplantiert, so erkennen die Antikörper des Empfängers die fremde Blutgruppeneigenschaft auf den Zelloberflächen des transplantierten Organs. Sie binden an diese Zellen und lösen in den allermeisten Fällen eine heftige Abstoßungsreaktion aus, die unbehandelt zum schnellen Verlust des Organs führt.

Die Lösung im Freiburger Protokoll umfasst drei Phasen

  • Blockade der Blutgruppen-Antikörperproduktion

  • Entfernung der AB0-Titer

  • Akkomodation.

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Was machen andere Zentren weltweit?

Die größten Erfahrungen liegen in Japan vor, wo schon über 600 Patienten AB0-inkompatibel transplantiert wurden. Dort wird aus religiösen Gründen von der postmortalen Spende abgesehen. Voraussetzung für diese Nierenlebendspende sind dort allerdings eine erhöhte Immunsuppression, mehrfache Plasmapheresen vor und nach der Transplantation sowie eine Splenektomie zeitgleich mit der OP.

Diese Vorbehandlung verursacht aber eine gehäufte Komplikationsrate in der ersten postoperativen Zeit. Es kam in 18% der Fälle zu akuten Abstoßungen und es traten gehäuft schwere Infektionen auf. Daher findet diese Methode weltweit keine breite Anwendung. Mit einer Langzeittransplantatfunktion von 58 % über neun Jahren ist es vergleichbar mit der postmortalen Organspende in Europa.

Unser Zentrum hat das Therapieprotokoll dem der Universitätsklinik in Stockholm angeglichen. Dort wird die Splenektomie ersetzt durch einen bestimmten Antikörper, das sogenannte Rituximab. Zur Anwendung kommt die herkömmliche Trippel-Immunsuppression und es erfolgt eine selektive Immunadsorption.

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Das Freiburger Protokoll

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Blockade der Blutgruppen-Antikörperproduktion durch Rituximab

Rituximab ist ein monoklonaler CD-20-Antikörper, er blockiert die zirkulierenden B-Lymphozyten, welche für die Nachproduktion der Blutgruppen-Antikörper verantwortlich sind. Rituximab ist in Deutschland bisher nur zur Behandlung von Lymphomen zugelassen und die Anwendung erfordert daher eine bestimmte Einverständniserklärung des Patienten. Es kann auch zur Therapie der humoralen Abstoßung eingesetzt werden.

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Entfernung der AB0-TIter durch Immunadsorption

Die Immunadsorption ist eine neuartige Behandlung ähnlich einer Dialyse. Hierbei werden Blutgruppenantikörper im Plasma des Patienten selektiv eliminiert. Wenn die Antikörpertiter nach zwölf Immunadsorptionen nicht wesentlich gesenkt sind, ist keine Transplantation möglich.

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Akkomodation

Die Akkomodation bezeichnet die Toleranzentwicklung der Blutgruppenantikörper des Empfängers gegen das gespendete Organ. Die Antikörpertiter werden in der ersten Woche täglich und in der zweiten Woche zweitätig gemessen. Sind sie erhöht, wird eine Immunadsorption durchgeführt. Nach zwei Wochen steigen die Titerwerte automatisch wieder an, lösen jedoch keine Abstoßung mehr aus.

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Sehr gute Erfahrungen mit AB0-inkompatibler Nierenlebendspende

Mit diesem Protokoll hat Freiburg inzwischen 26 Patienten erfolgreich transplantiert. Damit hat unser Zentrum nach einem schwedischen Zentrum weltweit die größten Erfahrungen mit dieser neuen Methode. Die bisherigen Erfahrungen zur AB0-inkompatiblen Nierenlebendspende sind sehr gut. Im Unterschied zu anderen Therapieprotokollen ist mit dem in Freiburg praktizierten Protokoll bisher in keinem Fall eine durch Blutgruppen-Antikörper induzierte Abstoßung aufgetreten, alle Transplantate funktionierten nach der OP sofort.

Da derzeit 20-30 % aller in Frage kommenden Nierenspender eine zum Empfänger inkompatible Blutgruppe haben, könnte durch diese Methode die Zahl der Nierenlebendspenden in Deutschland deutlich gesteigert werden.

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Tab. 1 Ergebnisse der ABO-inkomatiblen Nierenlebendspende in Freiburg

Rebekka Arhelger,

Krankenschwester Transplantationszentrum Freiburg

 
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Tab. 1 Ergebnisse der ABO-inkomatiblen Nierenlebendspende in Freiburg