Einleitung
Zu den primär kutanen Lymphomen, die zu der Gruppe der extranodalen Non-Hodgkin-Lymphome zählen, gehören neben den mit ca 70 % häufigsten kutanen T-Zell Lymphomen und den mit ca. 25 % vertretenen kutanen B-Zell Lymphomen auch die hämatologischen Vorläuferneoplasien. Einziger Vertreter dieser Klasse ist die CD56+ CD123 + hämatodermale Neoplasie (HN). Wir zeigen in dieser Kasuistik einen solchen Fall.
Kasuistik
Anamnese
Aufnahme eines 80-jährigen dementen adipösen Patienten in gutem AZ mit vorbekanntem Diabetes mellitus Typ II (mit Polyneuropathie, Retinopathie, Katarakt), COPD und Silikose, arterieller Hypertonie, kompensierter Herzinsuffizienz, chronischer kompensierter Niereninsuffizienz, BPH und Hyperurikämie.
Der Patient gab an, seit ca. 8 Wochen unter pruriginösen Plaques am gesamten Rumpf und im Gesicht zu leiden. Im Pflegeheim sei keine Lokaltherapie erfolgt, nach einer Vorstellung beim Hautarzt kam es zunächst zur ambulanten Vorstellung bei uns und daraufhin zur stationären Aufnahme.
Dermatologischer und körperlicher Aufnahmebefund
Am gesamten Integument sowie an der Stirn zeigten sich disseminierte, scharf begrenzte, nummuläre, teilweise derb infiltrierte, livide Plaques von bis zu 4 cm Durchmesser ([Abb. 1 a - d]). Axillär beidseits waren derb vergrößerte, nicht schmerzhafte Lymphknoten palpabel. Die weiteren Lymphknoten zervikal und inguinal beidseits stellten sich nicht vergrößert dar. Nebenbefundlich bestanden Unterschenkelödeme beidseits mit beginnender Stauungsdermatitis und ein Druckulkus am rechten Fußrücken.
Abb. 1 Am gesamten Integument mit Betonung des Kopfes und des Stammes zeigen sich in den Hautspalten liegende derbe infiltrierte Plaques und Knoten.
Histologische Befunde
Hist. J. Nr. 5432/07: Unter einer unauffälligen Epidermis zeigen sich im gesamten Corium kompakte Infiltrate aus großen lymphoiden Zellen mit pleomorphen Zellkernen und atypischen Mitosen ([Abb. 3 a]). Die atypischen Infiltrate dringen deutlich in das subkutane Fettgewebe ein, hier ausgeprägtes „Rimming” ([Abb. 3 b]).
Abb. 3
a Kompakte Infiltrate aus atypischen lymphoiden Tumorzellen und deutlicher Beteiligung des Fettgewebes (b) und CD56 Expression (c).
Immunhistologisch sind die Zellen positiv für CD56 ([Abb. 3 c]) und CD4, hingegen überwiegend negativ für den Pan-T-Zellmarker und den Pan-B-Zellmarker sowie CD8. Die Proliferation mit Ki67 ist hoch. Nur einzelne Blasten exprimieren das Ki1 Antigen.
Passt zu einer Infiltration der Haut durch ein CD56 positives sog. NK-Lymphom. Hiervon rein (immun)histologisch nicht abzugrenzen ist eine CD56 positive hämatodermale Neoplasie.
Pathologisch anatomische Begutachtung durch das Referenzzentrum für Lymphknotendiagnostik und Hämatopathologie Prof. Dr. Feller in Lübeck:
Histologie: relativ dichtes, angedeutet bandartiges in der Tiefe auch fleckförmiges lymphoidzelliges Infiltrat. Relativ monomorphe Population aus intermediär großen Zellen mit irregulär geformten hellen Kernen und kleinen Nukleolen. Das Zytoplasma weit und hell. Immer wieder eine Mitose. Einzeln eingestreute reife Mastzellen. Kein Nachweis PAS-positiver Pilzhyphen oder -sporen.
Immunhistochemie: Positivität für CD56, CD4, Negativität gegenüber CD8, CD2, CD5, CD34, KP1. Keine Expression von CD3, kein vermehrter Nachweis von TIA 1 oder CD30. Nur wenige eingestreute CD20 positive B-Zellen. An den MiB 1 positiven Zellen gemessene erhöhte Proliferationsrate von 50 %.
Molekulargenetische Analyse/Klonalitätsanalyse (TCR): In der Untersuchung des T-Zell-Rezeptor-Gamma-Ketten-Gen-Locus zeigte sich ein reproduzierbarer monoklonaler Peak in polyklonalem Hintergrund in der MIXB-PCR.
In der Zusammenfassung passt der Befund zu einer Infiltration der Haut durch ein T-NK-Zell-Lymphom.
Knochenmarkshistologie: Der histologische KM-Befund entspricht einer hochgradigen subtotalen Infiltration des Knochenmarks durch das bekannte Lymphom mit Verdrängung der Hämatopoese.
Knochenmarkszytologie: Der zytologische KM-Befund ist schwierig zuordenbar, am ehesten handelt es sich um eine subtotale Infiltration durch eine hämatologische Neoplasie, am ehesten durch ein Lymphom niedrigen Malignitätsgrades mit Verdrängung der Hämatopoese.
Labor bei Aufnahme
Routine Labor:
(Diff-)Blutbild: Hb 12,9 g/dl, Hkt 37,5 %, Erys 4,29 Mio/μl, 33 % Segmentkernige, 11 % Monozyten, 10 % Stabkernige Granulozyten, 4 % Metamyelozyten
klin. Chemie: LDH 400 U/l, Krea 1,6 mg/dl, Hs 12 mg/dl, HST 38 mg/dl.
Lymphozytentypisierung/FACS Analyse aus peripherem Blut:
erhöht - CD4/CD8 Ratio aufgrund prozentual verminderter zytotox. T-Zellen. Atypische Zellpopulation (15 % aller kernhaltigen Zellen im Lymphozytenfenster) mit Expression von HLA-DR+, CD56+, CD4+, CD117+ und fraglich CD33.
Apparative Diagnostik
Röntgen Thorax: grenzwertig großes Herz in seitlicher Projektion, Hili beidseits kräftig, jedoch gefäßartig auffasernd. Das obere Mediastinum mäßig verbreitert. V. a. Struma ohne Trachealpelottierung. Keine Stauungszeichen oder Pleuraerguss, keine Infiltrate. Leichter dorsaler Zwerchfellhochstand links. Spondylosis deformans und vordere Längsbandverkalkung der BWS.
CT Thorax und Abdomen nativ: Es finden sich axillär bds. sowie vor allem inguinal bds. vergrößerte suspekte Lymphknotenpakete, paraaortal und parailiacal keine suspekten Lymphknoten.
Therapie und Verlauf
Während des stationären Aufenthaltes bei uns erfolgte die top. Therapie des Integuments mit initial Betamethason 0,1 % in Ungt. Leniens, bei Entlassung Triamcinolon 0,1 % in Ungt. leniens jeweils in Kombination mit Chinosol 2 % in Ungt. leniens.
Zusätzlich begannen wir nach einer augenärztlichen Kontrolluntersuchung mit einer systemischen PUVA (Mo - Fr) mit Gabe von 5 Tabletten Meladinine® 2 Stunden vor UV-Exposition.
Zur Therapie der Stauungsdermatitis wurden Kompressionsverbände nach Pütter angelegt, das Druckulkus behandelten wir mit Hydrokolloidverbänden.
Unter dieser Therapie zeigten sich die oben beschriebenen Hautveränderungen nur minimal rückläufig.
Nach Diagnosestellung und hämatologischer Rücksprache wurde die systemische palliative Chemotherapie nach dem KNOSPE-Schema eingeleitet:
Chlorambucil 0,7 mg/kg Körpergewicht verteilt über 3 Tage p. o.
Prednisolon 75 mg Tag 1, 50 mg Tag 2, 25 mg Tag 3 p. o.
Die Empfehlung der Onkologen war, zunächst 8 - 10 Zyklen durchzuführen.
Nach zwei Zyklen zeigten sich die Hautveränderungen deutlich rückläufig ([Abb. 2 a, b]). Trotz umfangreicher Aufklärung des Patienten und seiner Angehörigen wurde eine weitere Therapie abgelehnt.
Abb. 2 Deutliche Remission nach zwei Zyklen Knospe-Schema.
Diskussion
Aufgrund des klinischen Bildes kam zunächst das ganze Spektrum der kutanen Lymphome in Betracht. Nach Eingang des Differenzialblutbildes zeigte sich rasch, dass es sich um eine hämatologische Systemerkrankung handelte, dies bestätigte sich dann in der Bildgebung sowie der Knochenmarksdiagnostik und der FACS-Analyse. Entscheidend für die endgültige Diagnosefindung war letztendlich die Histologie mit der typischen Einbeziehung des subkutanen Fettgewebes sowie die Immunhistologie. Wie in der Literatur beschrieben, handelt es sich bei der CD4+/CD56+ hämatodermalen Neoplasie um eine seltene Leukämie CD123+ prädendritischer Zellen mit typischer rascher Remission der Hautveränderungen unter initialer Chemotherapie, die in Diskrepanz steht zu der schlechten Prognose bezüglich des Gesamtüberlebens. Dies wird mit 12 - 14 Monaten angegeben. Typisch ist eine regelhaft therapeutisch schlecht zu beeinflussende terminale leukämische Phase.
Bei unserem Patienten zeigten sich unter der milden Chemotherapie die kutanen Infiltrate erwartungsgemäß rasch rückläufig, ebenso der Puritus. Dennoch ist die Prognose quoad vitam mit Vorsicht zu stellen.