Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie der Morbus Crohn sind systemische
Erkrankungen, die vor dem Hintergrund einer genetischen Disposition durch eine hohe
Aktivierung des lokalen Immunsystems gekennzeichnet sind. Wie Prof. Andreas Raedler
aus Hamburg sagte, nimmt die Zahl der an M. Crohn erkrankten Patienten insbesondere
in den Schwellenländern stetig zu. Nach Schätzungen von Experten sind derzeit ungefähr
150 000 Menschen betroffen. Wie Raedler weiter ausführte, geht der M. Crohn zumeist
mit starken abdominalen Schmerzen, massiven Durchfällen, starkem Gewichtsverlust,
Fieber sowie Übelkeit und Erbrechen einher. Charakteristisch ist der schubförmige
und chronische Verlauf. Für die Patienten besonders belastend ist die Ungewissheit
über den Zeitpunkt und die Ausprägung des nächsten Schubes.
Therapeutisches Management
Therapeutisches Management
Wichtigstes Therapieziel ist nach wie vor, die "Entzündung" im Darm zu stoppen. Wie
Prof. Axel-Uwe Dignaß aus Frankfurt ausführte, ist man in der Vergangenheit insbesondere
auf Steroide, 5-ASA, Azathioprin, Methotrexat und seit einiger Zeit auf den TNF-Antagonisten
Infliximab angewiesen. Wenngleich diese Substanzen wirksam sind, weisen sie dennoch
ein zum Teil erhebliches Nebenwirkungsspektrum auf. Insbesondere unter einer Therapie
mit Steroiden kommt es häufig zu Stoffwechselstörungen, Osteoporose, Wassereinlagerung,
Akne oder sogar zu Psychosen.
Infliximab ist ein biotechnologisch hergestellter Wirkstoff, der sich gegen den Tumornekrosefaktor
alpha (TNF-alpha) richtet. Anti-TNF-Wirkstoffe zeichnen sich vor allem durch einen
raschen Wirkungseintritt sowie eine gute Wirksamkeit bei Komplikationen, beispielsweise
Fisteln, aus. Unerwünschte Reaktionen und ein Wirksamkeitsverlust durch Antikörperbildung
gegen das Medikament, sowie ein fragliches erhöhtes Neoplasierisiko gehören zu den
negativen Begleiterscheinungen dieser Therapieoption. Wenngleich die Leitlinien der
DGVS auch den Einsatz von TNF-Antagonisten vorsehen, werden in Deutschland noch vergleichsweise
wenige Patienten mit einem Wirkstoff aus dieser Substanzklasse behandelt.
Im Fokus: die neue Substanz Certolizumab Pegol
Im Fokus: die neue Substanz Certolizumab Pegol
Mit Certolizumab Pegol wird demnächst auch in Deutschland ein innovativer TNF-Antagonist
zur Verfügung stehen. Wie Prof. Stefan Schreiber aus Kiel ausführte, ist Certolizumab
Pegol ein Repräsentant einer neuen Gruppe hochaffiner Moleküle gegen TNF, die für
eine subkutane Gabe optimiert wurden. Verglichen mit konventionellen monoklonalen
Antikörpern weist Certolizumab Pegol nur noch minimale Proteinanteile auf. Das Fc-Fragment
wurde durch eine PEGylierung ersetzt, sodass die neue Substanz nur noch aus einem
anti-TNF-bindenden Fab-Fragment besteht. Aus klinischem Blickwinkel bedeutsam ist
die lange Halbwertszeit von 14 Tagen, die dem Wunsch nach einer stabilen, monatlichen
Dosierung entgegen kommt. Dass die neue Substanz hoch wirksam und dabei gut verträglich
ist, belegen die Ergebnisse zweier erst kürzlich im New England Journal of Medicine
erschienenen Studien (PRECISE I und II, Pegylated Antibody fragment Evaluation in
Crohn's Disease Safety and Efficacy). Wie Schreiber sagte, hat sich als optimale Dosis
die subkutane Gabe von 400 mg alle vier Wochen herausgestellt. Im Rahmen einer Induktionstherapie
wird eine zusätzliche Dosis nach zwei Wochen gegeben.
Studienergebnisse unterstreichen hohen Stellenwert
Studienergebnisse unterstreichen hohen Stellenwert
Wie Schreiber sagte, unterstreichen die jetzt publizierten Ergebnisse der PRECISE
I- und II-Studie, den klinischen Stellenwert des neuen TNF-Antagonisten nachhaltig.
Demnach konnte in der PRECISE II-Studie, an der 668 Patienten teilgenommen hatten,
gezeigt werden, dass Certolizumab Pegol nach sechs Wochen ein Therapieansprechen bei
64 % der Patienten und eine Remission bei 43 % der Patienten induzierte. Ein Therapieansprechen
ist definiert als ein Abfall des CDAI (Crohn's Disease Activity Index) um mindestens
100 Punkte. Hierzu wurde Certolizumab Pegol als Induktionstherapie zu den Zeitpunkten
0, 2 und 4 gegeben. Eine sich anschließende Erhaltungstherapie über einen Zeitraum
von 26 Wochen mit 400 mg Certolizumab Pegol alle vier Wochen zeigte eine statistisch
signifikante Überlegenheit gegenüber Placebo. "Klinisch wichtig ist, dass die Wirkung
von Certolizumab Pegol durch eine simultane Behandlung mit Immunsuppressiva oder Steroiden
nicht beeinflusst wird", sagte Schreiber. Auch bereits mit Infliximab vorbehandelte
Patienten profitierten von der Gabe von Certolizumab Pegol. Dies bedeutet zugleich,
dass eine Monotherapie mit Certolizumab Pegol möglich ist. Auch die PRECISE I-Studie
unterstreicht die gute Effektivität von Certolizumab Pegol. Im Rahmen dieser Studie
wurde Certolizumab Pegol für 26 Wochen mit Placebo verglichen. In Woche sechs sprachen
35 % der Patienten in der Verum-Gruppe auf die Behandlung an, verglichen mit 27 %
in der Placebo-Gruppe (p = 0,02). Der Prozentsatz jener Patienten, die sowohl in Woche
sechs als auch in Woche 26 ansprachen, betrug 23 % unter Certolizumab Pegol im Vergleich
zu 16 % unter Placebo. Insgesamt, so Schreiber, handelt es sich bei Certolizumab Pegol
um einen gut verträglichen Wirkstoff. Die in den Studien beobachteten Begleiterscheinungen
sind für TNF-Antagonisten typisch und beinhalten insbesondere ein erhöhtes Infektionsrisiko.
"Vor allem die lokale Verträglichkeit war gut - es zeigten sich kaum Reaktionen an
der Einstichstelle", sagte der Experte. Mittlerweile liegen darüber hinaus auch schon
Zwischenergebnisse aus Langzeitstudien vor, die darauf hindeuten, dass es unter stabilen
Dosen von Certolizumab Pegol auch zu einem langfristigen Ansprechen von bis zu 18
Monaten kommt.
Alexander Wehr, Hamburg