Erfahrungsheilkunde 2008; 57(2): 104-108
DOI: 10.1055/s-2008-1044020
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© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Das allergiekranke Kind - Mikroorganismen in der Diskussion

Rainer Schmidt-Fuchs
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Publication Date:
20 February 2008 (online)

Jede Krankheit greift tief in das Immunsystem ein: Darum ist keine Therapie erfolgreich ohne Beistand des Immunsystems!

Prof. Dr. Hans Freiherr von Kress 1974

Sowohl der Laien- als auch der Fachpresse ist zu entnehmen, dass immer mehr Menschen in den westlichen Industrienationen an allergischen Reaktionen leiden. Noch bedeutsamer ist aber, dass sich die Erstmanifestation immer häufiger in das frühe Kindesalter vorverlagert. Bezüglich der Ätiologie allergischer Reaktionen besteht in den meisten Denkschulen Einigkeit darin, dass eine übertriebene Hygiene, der Trend zur Kleinfamilie und damit eine unzureichende Endotoxinexposition als Hauptursachen gelten. Mahnende Worte kommen auch von Ernährungsphysiologen, die die sehr einseitigen Ernährungsweisen der heutigen Zeit mit in die Waagschale werfen. In diesem Zusammenhang geraten auch die Umstände, unter denen Kinder geboren werden, Sectio caesarea, übertriebene Geburtshygiene und der weitere postpartale Verlauf (Stillen oder Ersatznahrung, frühzeitige antibiotische Therapie), immer stärker in das Blickfeld.

Wenig hilfreich für den betroffenen Patienten ist es, wenn von unterschiedlichen Seiten immer wieder darauf verwiesen wird, dass es eine familiäre genetische Disposition gebe, die eine IgE-vermittelte, allergische Erkrankung sehr wahrscheinlich mache. Bis zum heutigen Tag ist aber unklar, was die Plasmazelle tatsächlich dazu veranlasst, Immunglobulin E zu bilden. Viele Patienten folgen aufgrund dieses Umstandes dem von den Hochschulen vorgezeichneten Therapieweg einer Immunsuppression (= Unterdrückung der überschießenden entzündlichen Reaktionsweise), anstelle immunmodulierender Verfahren.

Mit Ausnahme von Kontaktallergien der Haut nehmen allergische Reaktionen normalerweise ihren Ausgang an der Schleimhaut, die den menschlichen Organismus wie ein Schlauch durchzieht. Hier befinden sich auch die meisten immunkompetenten Zellen, die in ihrer Gesamtheit das Mukosaimmunsystem (MIS) bilden. Spezielle Schutzsysteme, die sowohl luminal, als auch mukosal wirken, verhindern normalerweise eine Schädigung der Schleimhaut und dadurch auch eine Fehlreaktion des sehr komplex regulierten Mukosaimmunsystems.

Aktuelle wissenschaftliche Publikationen [Kalliomäki et al, 2001] haben den Beweis erbracht, dass die Anzahl an Neuerkrankungen (Inzidenz) der atopischen Dermatitis (sogenannte Neurodermitis) eindrucksvoll durch den präventiven Einsatz von probiotischen Kulturen gesenkt werden kann. Hierdurch öffnet sich ein weites Indikationsfeld auch für andere schleimhautassoziierte Krankheitsbilder.

Die Schleimhaut mit ihren unterschiedlichen Schutzsystemen steht aber auch für diejenigen Patienten im Fokus, die bereits unter den verschiedensten allergischen Reaktionen leiden. Hier setzt sich mittlerweile die Erkenntnis durch, dass diese Schutzsysteme durch verschiedenste Faktoren gestört werden oder gänzlich versagen und eine gesteigerte Darmpermeabilität die Folge sein kann (leaky gut). Um weiteren Schaden vom Organismus abzuwehren, wird eine entzündliche Abwehrreaktion gestartet, die sich bei einem Patienten mit entsprechender Disposition verselbstständigt, wenn die Permeabilitätsstörung nicht behoben wird.

Es genügt daher nicht, das überschießend reagierende Immunsystem (= Allergie) mit dafür geeigneten Medikamenten zu unterdrücken (= Immunsuppression). Das sollte der Behandlung akuter Zustände vorbehalten bleiben. Vielmehr kann mit den verschiedensten integrativen Heilverfahren einer Chronifizierung der Allergiebereitschaft dadurch entgegen getreten werden, dass die Integrität der Schleimhaut wieder hergestellt wird. Ja mehr noch: Eine sinnvolle Kombination dieser besonderen Therapierichtungen vermag den Allergiekranken wieder in eine normale Grundregulation zurückzuführen.

Literatur beim Verfasser

    Korrespondenzadresse

    Dr. R. Schmidt-Fuchs

    Arzt für Pathologie, Kinder- und
    Jugendmedizin, Allergologie
    Arbeitskreis für Mikrobiologische
    Therapie AMT

    Beilsteiner Str. 22

    35764 Sinn

    Email: dr.schmidt-fuchs@arcor.de

    URL: http://www.AMT-Herborn.de