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DOI: 10.1055/s-2008-1075042
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Bovine Tuberkulose - Übertragung von Mensch zu Mensch wahrscheinlich
Publication History
Publication Date:
28 March 2008 (online)
Nachdem in Großbritannien in den 1960er-Jahren die bovine Tuberkulose praktisch ausgemerzt war, steigt seit Ende der 1980er-Jahre wieder die Häufigkeit der Infektionen beim Menschen. Eine Clusteranalyse von Jason T. Evans und Kollegen hat gezeigt, dass dabei auch eine Übertragung von Mensch zu Mensch wahrscheinlich ist. Lancet 2007; 369: 1270-1276
Insgesamt wurden in England, Wales und Nordirland in den Jahren 1994 bis 2004 296 Fälle einer bovinen Tuberkulose erfasst - im Mittel 27 Fälle pro Jahr.
Die Infektion mit Mycobacterium bovis erfolgt in der Regel über nicht pasteurisierte Milch oder den direkten Kontakt mit Rindern. Es wurde bisher davon ausgegangen, dass zumindest bei immunokompetenten Menschen die Übertragung von Mensch zu Mensch sehr selten ist. In einem mikrobiologischen Labor in den Midlands von England wurden die mikrobiologischen Proben erfasst, untersucht und die Stämme analysiert. Aufgrund der DNA-Analysen ließen sich dabei zusammenhängende Cluster identifizieren, die auf einen bestimmten Genotyp von M. bovis zurückzuführen sind.
#Rinder-TB aus dem Nachtclub
Mit Hilfe der DNA-Analysen ließ sich eine Gruppe von 6 Personen abgrenzen, die eine Infektion mit demselben Stamm von M. bovis aufwiesen. Nur in einem Fall lag ein direkter und enger Kontakt mit Rindern vor, und der Patient hatte auch regelmäßig unpasteurisierte Milch getrunken. Bei den übrigen ergab sich nur ein sporadischer oder gar kein Kontakt zu Rindern und unpasteurisierter Milch. Es konnte aber anhand der Lebensbedingungen eine mögliche Infektionskette bei den Patienten, die alle vom gleichen M.-bovis-Stamm infiziert waren, rekonstruiert werden. Patient 1 und 2 hatten engen Kontakt über ihre Stammkneipe, Patientin 3 war die Ehefrau von Patient 2, Patient 4 ein enger Freund der beiden. Patient 5 bediente im Nachtclub, in dem die Patienten 4 und 6 regelmäßig verkehrten. Die Wahrscheinlichkeit, dass nach einer einmaligen Übertragung von Rindern auf den Menschen in der Folge eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung stattgefunden hat, ist damit hoch. Einige Infizierte wiesen Risikofaktoren auf: eine HIV-Infektion, ein insulinabhängiger Diabetes mellitus, Alkoholabusus sowie die Einnahme von Steroiden. Dazu kamen Faktoren, die eine Tröpfcheninfektion fördern, wie der häufige und ausdauernde Aufenthalt in schlecht gelüfteten Gasträumen, in denen aufgrund des hohen Lärmpegels sehr laut gesprochen werden musste und wegen der Rauchbelastung häufig gehustet wurde.
#Besonderheiten des Clusters
Die 6 Patienten unterschieden sich von den in England, Wales und Nordirland insgesamt erfassten Fällen. Alle Patienten waren gebürtige Briten, während sonst in mehr als der Hälfte der Fälle auch im Ausland geborene Menschen betroffen waren. Sie waren zudem relativ jung (zwischen 15 und 44 Jahren alt), während in der gesamten Erhebung jeder 2. Infizierte über 65 Jahren alt war. 5 der 6 Patienten entwickelten eine pulmonale Tuberkulose, ein Patient erlitt infolge der Erkrankung eine Meningitis und verstarb. Der Stamm von M. bovis war nur gegen Pyrazinamid resistent. In den übrigen britischen Fällen kamen auch weitere Resistenzen vor.
#Fazit
Die bovine Tuberkulose kann sich nach dieser Untersuchung - ähnlich wie M. tuberculosis - von Mensch zu Mensch verbreiten. DNA-Fingerprinting und die Überwachung von auftretenden Fällen helfen, Infektionsketten aufzudecken und die weitere Übertragung zu vermeiden.
Friederike Klein, München