Dtsch Med Wochenschr 2008; 133(17): 877
DOI: 10.1055/s-2008-1075663
Editorial

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Prävention des Typ-2-Diabetes - die ungenutzte Chance

Preventing type 2 diabetes - a missed opportunityH. Hauner1
  • 1Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin der Technischen Universität München
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Publication Date:
15 April 2008 (online)

Das Thema Prävention hat in der gesundheitspolitischen Diskussion der letzten Jahre einen festen Platz erobert. Eine gewisse positive Entwicklung wird auch im neuesten Präventionsbericht der Spitzenverbände der Krankenkassen deutlich. Im Jahr 2006 nahmen 1,4 Millionen Deutsche an Primärpräventionskursen der gesetzlichen Krankenkassen teil. Stolz wird darauf hingewiesen, dass die Ausgaben für Präventionsmaßnahmen pro Kopf und Jahr zuletzt auf 3,30 EUR gestiegen sind und damit die gesetzlich vorgeschriebenen 2,74 EUR überschritten wurden. Die gesamten Ausgaben für Präventionsleistungen beliefen sich auf lediglich ca. 0,2 % aller GKV-Ausgaben. In Wirklichkeit lässt sich nur von einem Tropfen auf dem heißen Stein sprechen. Inwieweit diese Angebote überhaupt wirksam sind, ist bislang weitgehend unklar, da zwar von den Präventionsanbietern verschiedene Qualitätsmaßnahmen von meist hohem bürokratischem Aufwand verlangt werden, dabei aber die zentrale Frage der Ergebnisqualität weitgehend ignoriert wird. Wie eh und je scheinen die zahlreichen Krankenkassen mit ihren Angeboten primär PR-Absichten zur Profilierung im Wettbewerb zu verfolgen, moderne wissenschaftlich gut fundierte Erkenntnisse der Präventionsforschung haben kaum Eingang in die Konzepte gefunden. Überhaupt wird auch auf gesellschaftlicher Ebene eine Präventionskultur weiterhin schmerzlich vermisst. Die zukünftige Entwicklung wird zudem durch den jahrelangen parteipolitischen Streit um die Ausgestaltung des geplanten Präventionsgesetzes überschattet. Dieses Vorhaben ist bereits einmal gescheitert und auch derzeit ist keine Einigung in Sicht.

Dabei ist die wissenschaftliche Datenlage zu den Möglichkeiten der Prävention des Typ-2-Diabetes überzeugender denn je. Die Ergebnisse mehrerer Präventionsstudien an Erwachsenen mit gestörter Glukosetoleranz, einer gut identifizierbaren Hochrisikopopulation, zeigen übereinstimmend, dass die Neuerkrankungsrate durch vergleichsweise kostengünstige Präventionsprogramme deutlich gesenkt werden kann [6]. Berücksichtigt man die Compliance der Teilnehmer, wie dies in der finnischen Präventionsstudie geschehen ist, dann fällt das Ergebnis derjenigen, die die Interventionsziele weitgehend erreicht hatten, noch weitaus eindrucksvoller aus [5]. Eine sorgfältige gesundheitsökonomische Analyse ergab zudem, dass sich dieser Mitteleinsatz bereits kurzfristig auszahlt [3]. Damit gibt es längst eine schlüssige Argumentationskette, warum sich Diabetesprävention bei Risikopersonen lohnt. Es kommt nun darauf an, den überfälligen Systemwechsel hin zu evidenzbasierten Präventionsstrategien bei Risikopersonen zu vollziehen. Die erforderlichen Empfehlungen [2] und Instrumente stehen großteils zur Verfügung (www.nafdm.de). Unbestritten besteht aber auch erheblicher Forschungsbedarf, da die Ursachen für die variablen Ansprechraten unklar sind und die begrenzten Ressourcen eine möglichst zielgenaue Identifizierung der Personen erfordern, die von einer solchen Intervention profitieren.

Betrachtet man die Entwicklung der Kosten des Diabetes in Deutschland, dann war in den vergangenen Jahren ein überproportionaler Anstieg unübersehbar. Während im Jahr 2001 rund 12,8 Milliarden Euro direkte diabetesbezogene Kosten ermittelt wurden [4], ergab die Fortschreibung dieser Analyse einen Ausgabenanstieg um 5 - 6 % pro Jahr (I Köster, persönliche Mitteilung). Zwar sind die Ausgaben pro Einzelpatient infolge von Kostendämpfungsmaßnahmen fast stabil geblieben, allein die wachsende Zahl von Menschen mit Diabetes sorgt für steigende Ausgaben. Der eigentliche Kostenfaktor sind dabei die Ausgaben für die vermeidbaren Komplikationen dieser Krankheit, vor allem am Herz-Kreislauf-System. Insgesamt sind die Diabeteskomplikationen für 78 % der Exzesskosten verantwortlich, nur die restlichen 22 % werden für die Behandlung der Grundkrankheit ausgegeben. Vor diesem Hintergrund sollten die gerade publizierten Langzeitdaten der Steno-2-Studie einen Denkanstoß geben, um die unverändert bestehenden Defizite in der Diabetesversorgung zu thematisieren. Dort konnte eindrucksvoll gezeigt werden, dass sich die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität der Betroffenen durch eine intensive multimodale Therapie um weitere 50 bis 60 % senken lässt, sodass noch ein enormes Potenzial für Sekundärprävention verbleibt [1].

Literatur

  • 1 Gaede P, Lund-Andersen H, Parving H -H, Pedersen O. Effect of a multifactorial intervention on mortality in type 2 diabetes.  N Engl J Med. 2008;  358 580-591
  • 2 Hauner H, Landgraf R, Schulze J. et al . Prävention des Typ 2 Diabetes mellitus: Positionspapier des Nationalen Aktionsforums Diabetes mellitus.  Dtsch Med Wschr. 2005;  130 1053-1054
  • 3 Herman W H, Hoerger T J, Brandle M. et al . The cost-effectiveness of lifestyle modification or metformin in preventing type 2 diabetes in adults with impaired glucose tolerance.  Ann Intern Med. 2005;  142 323-332
  • 4 Köster I, Ferber L von, Ihle P. et al . The cost burden of diabetes mellitus: the evidence from Germany - the CoDiM Study.  Diabetologia. 2006;  49 1498-1504
  • 5 Tuomilehto J, Lindström J, Eriksson J G. et al . Prevention of type 2 diabetes by changes in lifestyle among subjects with impaired glucose tolerance.  N Engl J Med. 2001;  344 1343-1350
  • 6 Yamaoka K, Tango T. Efficacy of lifestyle education to prevent type 2 diabetes.  Diabetes Care. 2005;  28 2780-2786

Prof. Dr. H. Hauner

Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin der Technischen Universität München, Klinikum rechts der Isar

Ismaninger Str. 22

81675 München