Der Klinikarzt 2008; 37(4): 169
DOI: 10.1055/s-2008-1076673
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Ambulant erworbene Pneumonie - Gründlichkeit geht vor Geschwindigkeit

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Publication Date:
08 May 2008 (online)

 
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    Quelle: Welker JA, Huston M, McCue JD. Antibiotic timing and errors in diagnosing pneumonia. Ach Intern Med 2008; 168 (4): 351-356

    Thema: In den USA gilt die Einleitung der Antibiotikatherapie innerhalb von vier Stunden nach der Einweisung von Patienten mit Verdacht auf eine ambulant erworbene Pneumonie als ein wesentliches Qualitätskriterium, das auch zum Vergleich mit anderen Kliniken herangezogen wird. Doch hat eine solche enge zeitliche Vorgabe tatsächlich einen Effekt auf den Behandlungserfolg?

    Projekt: Diese Frage stellten sich Prof. James A. Welker, Baltimore (USA), und seine Co-Autoren und verglichen retrospektiv den Behandlungserfolg einer innerhalb von acht Stunden initiierten Antibiotikatherapie (Gruppe 1) mit dem Therapieergebnis bei einer Vorgabe von vier Stunden (Gruppe 2) bei insgesamt 548 Patienten, die mit Pneumonieverdacht in ihre Einrichtung aufgenommen worden waren. Anhand der Entlassdiagnosen und der Krankenakten überprüften die Studienautoren, ob sich die Verdachtsdiagnose 'ambulant erworbene Pneumonie' bestätigt hatte. Hierfür hatten sie zuvor klare Kriterien für die Diagnose definiert.

    Ergebnis: Laut ihrer Analyse unterschied sich die durchschnittliche Zeit bis zur ersten Antibiotikagabe zwischen den beiden Patientengruppen nicht signifikant (167,0 versus 157,8 Minuten), in beiden Studienarmen wurde die Vier-Stunden-Marke jeweils deutlich unterschritten. Allerdings hatte die kürzere Zeitvorgabe einen anderen, unerwünschten Effekt: Bei den Patienten, bei denen das vierstündige Zeitfenster gefordert war, war die Aufnahmediagnose 'Pneumonie' nur bei 33,8% der Patienten korrekt gestellt worden. War das Zeitfenster doppelt so lang, war bei 45,9% der Patienten die Aufnahmediagnose korrekt.

    Fazit: Enge Zeitvorgaben erlauben demnach keinen Zeitgewinn bei der Einleitung der Behandlung, verringern aber die Verlässlichkeit der Diagnose. Sie können daher nicht als Qualitätsmerkmal herangezogen werden. Dies macht deutlich, dass der validen Erfassung der Ergebnisqualität gegenüber der Prozessqualität Vorrang gebührt. Zeigt sich dabei eine unerwartete Verschlechterung der Ergebnisqualität, sollte sofort nach den Ursachen gefahndet werden.

    Schlüsselwörter: ambulant erworbene Pneumonie - Ergebnisqualität - Prozessqualität