Aktuelle Dermatologie 2008; 34(10): 357-358
DOI: 10.1055/s-2008-1077667
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wie man eine Kasuistik schreibt

How to Write a Case ReportL.  Kowalzick
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Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick

Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie
HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen GmbH

Postfach 100153
08505 Plauen

Email: lutz.kowalzick@helios-kliniken.de

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Publication Date:
08 October 2008 (online)

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Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick

Fallberichte sind die kleinste Münze der wissenschaftlichen Originalarbeiten. Sie sind mit vergleichsweise geringerem Aufwand zu verfassen als Fallsammlungen und Studien. Dementsprechend stellen sie die mit Abstand meisten zur Publikation eingereichten Arbeiten dar. Allerdings sind unter ihnen auch die meisten abgelehnten Manuskripte [2]. Dieser Artikel will gleichwohl insbesondere junge Kollegen ermutigen, Fallberichte zu verfassen, indem er einige praktische „Kochrezepte” anbietet, wie man zeitökonomisch und erfolgreich Kasuistiken verfasst. Der Geübte kann eine gute Kasuistik in nur ca. 10 bis 12 Arbeitsstunden während ein bis zwei Wochen verfassen. Manche Arbeitgeber, wie die HELIOS Kliniken, honorieren publizierte Kasuistiken auch mit spürbaren Bonuszahlungen, um das wissenschaftliche Engagement gerade des ärztlichen Nachwuchses zu fördern und zu unterstützen. Der Autor selbst lernt sehr viel über Dermatologie beim Verfassen einer Kasuistik; noch nach Jahrzehnten hat man das betreffende, meist seltene, Krankheitsbild stets abrufbar vor Augen.

Kasuistiken können im Wesentlichen zwei Zwecken dienen: Erstens der individuellen ärztlichen Fort- und Weiterbildung der Leser, zweitens – und wichtiger – der Vermehrung des allgemeinen wissenschaftlichen medizinischen Wissens über Krankheitsbilder. Fallberichte können den Anstoß zu weiteren Untersuchungen wie Fallsammlungen oder Studien geben. Ansatzpunkt zum Verfassen einer Kasuistik ist die richtige Fallauswahl. Das beschriebene Krankheitsbild sollte in der täglichen Routine von Praxis oder Klinik ausgesprochen selten sein, oder der Fall sollte selten beschriebene, ungewöhnliche oder neue Aspekte zum klinischen Bild, zu Assoziationen und Komorbidität, zur Ätiologie, zur Diagnostik einschließlich Differenzialdiagnostik oder zur Therapie der Erkrankung aufweisen. „Seltenheit” könnte in diesem Sinne vermutet werden, wenn der langjährige Facharzt in Klinik oder Praxis das Krankheitsbild oder den besonderen Aspekt noch nie persönlich beobachtet hat. Man sollte sich stets auch die Frage stellen, was dieser Fall zur Vermehrung des individuellen oder allgemeinen medizinischen Wissens beitragen kann. Natürlich sollten auch gute klinische Bilder des Falls vorhanden sein und es sollten rechtzeitig die erforderlichen diagnostischen Maßnahmen, insbesondere ggf. histologische, allergologische und einschlägige Laboruntersuchungen veranlasst worden sein, um über alle Informationen, die für die Kasuistik – auch über die Routinediagnostik hinaus – benötigt werden, zu verfügen. Man sollte also möglichst frühzeitig an eine mögliche spätere publikatorische „Verwertbarkeit” des Falles denken.

Auch wenn in der fertigen Kasuistik die Gliederung in der Reihenfolge: Titel, Abstrakt, Schlüsselwörter, Einleitung, Falldarstellung, Diskussion/Besprechung, verwendete Literatur erfolgt, hat sich mir eine andere Reihenfolge bei der Abfassung des Manuskriptes bewährt: Herzstück der Kasuistik ist naturgemäß der eigentliche Fallbericht, der als Erstes verfasst werden sollte. Er kann im Kernbereich auf dem Arzt- oder Entlassungsbrief basieren. Erkrankungsbezogene Anamnese, klinischer dermatologischer Lokal- und Allgemeinbefund und, soweit zutreffend bzw. erforderlich, Histologiebefunde, Laborbefunde, allergologische Testergebnisse, Photodiagnostikresultate und Ergebnisse der apparativen und bildgebenden Diagnostik sollten nacheinander mitgeteilt werden. Allerdings sollten nur solche Befunde aufgeführt werden, die einen direkten Bezug zum präsentierten Fall und seinen möglichen Besonderheiten haben könnten. Dagegen sollten hierfür irrelevante Nebendiagnosen und -befunde, der besseren Lesbarkeit der Arbeit wegen, konsequent ausgespart werden. Gute Bilder des dermatologischen Befundes und ggf. von der Histologie sollten in diesem Abschnitt eingefügt werden. Literaturstellen sollten in diesem Teil der Arbeit nur im Bezug auf die verwendete Methodik verwendet werden.

In der Diskussion oder Besprechung sollten die Besonderheiten des eigenen Falls mit den in der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur vorhandenen Daten verglichen, und aus diesem Vergleich möglichst Schlüsse für die Einordnung des Falls und für die künftige Handhabung vergleichbarer Fälle [1] gezogen werden. Zum Einstieg in die Literaturrecherche empfiehlt sich „PubMed”, die kostenfreie Datenbank des National Institute of Health der Vereinigten Staaten (Link: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/). Diese enthält die Daten aus verschiedenen medizinischen Datenbanken. Nach Eingabe von zwei bis drei Suchbegriffen erhält man Literaturlisten, aus denen man einzelne Arbeiten auswählen und dann oft deren Abstrakt oder Volltext lesen kann. Allerdings sind insbesondere viele wichtige deutschsprachige und ältere Artikel nicht in dieser Datenbank zu finden. Es empfiehlt sich daher, in den Literaturverzeichnissen von auf diesem Wege gefundenen Publikationen nach weiteren einschlägigen Publikationen zu suchen. Die Suchbegriffe sind englischsprachig einzugeben, wobei verschiedene Schreibweisen, besonders bei Medikamentenbezeichnungen vorkommen können, und verschiedene Kombinationen inhaltlich ähnlicher Suchbegriffe eingegeben werden sollten. Auch ein Blick in die großen deutsch- und englischsprachigen Lehrbücher unseres Fachs ermöglicht eine sinnvolle Ergänzung der Literaturrecherche. Alle wesentlichen Aussagen in der Diskussion sollten durch Zitat der einschlägigen Literatur belegt werden.

Die Einleitung sollte kurz sein und zum Thema des Falls und seiner Bedeutung für das individuelle und allgemeine medizinische Wissen [1] hinführen, sodass der Leser weiß, warum er interessiert sein sollte, die Arbeit zu lesen und was ihn erwartet. Einige Literaturstellen können hierfür zitiert werden.

Der Titel der Kasuistik sollte nicht zu lang und prägnant sein, und wenn möglich das Besondere des Falls deutlich machen. Im Abstrakt oder der Zusammenfassung sollten alle wesentlichen Daten der Fallbeschreibung kurz zusammengefasst werden. Die Schlüsselwörter dienen gleichfalls der späteren Auffindbarkeit des Artikels für interessierte Leser nach der Publikation. Diese Teile der Publikation sind meist auch in englischer Übersetzung beizufügen.

Das Literaturverzeichnis sollte entsprechend den Anforderungen der Zeitschrift, an die man des Manuskript senden möchte, erstellt werden. Man kann sich hierfür an bereits erschienen Kasuistiken in diesem Journal orientieren oder die Autorenhinweise zu Rate ziehen, die auch ansonsten Beachtung finden sollten, insbesondere was den Adressaten und die Art der Manuskripteinreichung angeht. Die Hinweise für Autoren finden sich oft nur in einem Heft eines Jahrgangs, oder sind in den Internetseiten des Verlages ersichtlich. Die Einreichung muss je nach Zeitschrift als Online-Manuskript (E-Publishing) oder mehrfach im Papierformat einschließlich Abbildungen per Briefpost erfolgen. Das Manuskript sollte mit einem Begleitbrief an die Redaktion, den Herausgeber oder den Sektionsleiter für Kasuistiken eingesandt werden, in dem noch einmal kurz der Grund aufgeführt sein sollte, warum der Autor den Fall für berichtenswert, und für die Leserschaft speziell dieser Zeitschrift für interessant hält. Herausgeber und Peer Reviewer von Medizinischen Fachzeitschriften achten bei der Entscheidung über die Annahme des Manuskriptes besonders auf die Rationale für die Mitteilung des Falles, die aus ihm abzuleitenden Schlüsse und die adäquate Auswertung der für ihn einschlägigen Literatur [3].

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Literatur

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