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DOI: 10.1055/s-2008-1077703
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Foudroyanter Verlauf eines Plattenepithelkarzinoms auf chronischer Ulzeration[*]
Foudroyant Course of a Squamous-Cell Carcinoma on Chronic Ulceration
Dr. Ewa Rohde
Klinik für Dermatologie, Venerologie und
Allergologie/Immunologisches Zentrum des Städtischen Klinikums
Dessau
Auenweg 38
06847 Dessau-Roßlau
eMail: ewa.rohde@klinikum-dessau.de
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
28. November 2008 (online)
Zusammenfassung
Bei dem 67-jährigen Patienten bestand seit 3 Jahren eine
chronische, nicht heilende Ulzeration des Zehenzwischenraumes D4/D5 links.
Mehrere Probebiopsien aus dem Ulkus ergaben keinen Hinweis auf Malignität.
Vor vier Wochen Entwicklung eines schnell wachsenden Knotens auf der
Ulzeration. Es erfolgte die Resektion des 4. und 5. Strahles des linken
Fußes, histologisch ergab sich ein sarkomatoides Plattenepithelkarzinom
(G3), pT1NoMo. Regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen waren
unauffällig.
Das Entstehen von Plattenepithelkarzinomen mit
einem untypischen klinischen Verlauf in chronischen Wunden sollte
differenzialdiagnostisch berücksichtigt und histologisch abgeklärt
werden.
Abstract
The 67-years-old patient has been suffering from a chronic ulceration of the interdigital space D4/D5 of the left foot for three years. Multiple exploratory excisions from the ulcer made at different times had always excluded malignity. Four weeks ago a quickly growing node had developed in the region of the left forefoot. The treatment was done by surgical excision. The histological finding showed squamous-cell carcinoma (G3), pT1NoMo. Staging examinations were all free from metastases. The genesis of squamous-cell carcinoma of atypical clinical progress in chronic wounds should be always considered. If necessary, repeated biopsies should be done to exclude malignancy.
#Einleitung
Mit einer Inzidenz von 20 – 30 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner in Mitteleuropa gehören die Plattenepithelkarzinome nach den Basalzellkarzinomen zu den zweithäufigsten Tumoren der Haut. Bei der Entstehung der Plattenepithelkarzinome spielt die kumulative UV-Exposition bei genetischer Disposition (lichtempfindliche Haut vom Typ I und II nach Fitzpatrick) die wichtigste Rolle. Somit entwickeln sich die Tumore vor allem in den sonnenexponierten Arealen, 90 % entstehen im Gesicht. Zu den weiteren Risikofaktoren gehören chemische Karzinogene (Arsen und Teer) sowie Röntgenstrahlen. Seltener entstehen Plattenepithelkarzinome im Bereich der chronischen Wunden und Entzündungen.
Die Plattenepithelkarzinome entwickeln sich erfahrungsgemäß langsam, wachsen typischerweise lokal destruierend und metastasieren selten (5 % der Patienten). Die 5-Jahres-Überlebensrate beim Auftreten der Metastasierung beträgt 25 – 50 %.
#Kasuistik
#Anamnese
Bei dem 67-jährigen Patienten bestand seit drei Jahren eine chronische, therapieresistente Ulzeration des Zehenzwischenraumes D4/D5 links. Nebenbefundlich bestanden eine Polyneuropathie und ein arterieller Hypertonus. Nach mikrobiologischer Diagnostik und histologischem Ausschluss eines Malignoms wurde die Diagnose eines chronischen superinfizierten Ulkus gestellt. Trotz konsequenter Therapie mit desinfizierenden, antibiotischen und antimykotischen Maßnamen sowie zweimaliger Spalthautdeckung zeigte das Ulkus über Jahre keine Heilungstendenz. Engmaschige Kontrollen des Patienten in unserer Ambulanz mit mehrmalig wiederholter umfangreicher Diagnostik (mikrobiologische und histologische Untersuchungen, Röntgen- und MRT-Untersuchung des linken Fußes) ergaben bisher keinen Anhalt für das Vorliegen eines malignen Prozesses. Seit der letzten Vorstellung vor vier Wochen kam es im Bereich des linken Vorfußes zum Entstehen eines schnell wachsenden, exophytischen, erythematösen Knotens mit zentraler Ulzeration.
#Aufnahmebefund
Bei der Aufnahme sehen wir einen 67-jährigen Patienten im guten Allgemeinzustand. Im Bereich des Zehenzwischenraumes D4/D5 links befindet sich die bereits bekannte Ulzeration, die sich auf die beiden angrenzenden Zehen D4 und D5 lateral erstreckt. Das Ulkus ist mit Fibrin belegt und deutlich fötide. Es zeigt sich ein livides Erythem der Ulkusumgebung. Zusätzlich fällt ein im Vergleich zur Voruntersuchung vor 4 Wochen neu aufgetretener Knoten im Bereich des ZZR zum Fußrücken hin ( [Abb. 1]) auf. Dieser ist hautfarben bis erythematös, derb und nicht verschieblich. Eine Vergrößerung der inguinalen Lymphknoten lässt sich klinisch nicht feststellen.




Abb. 1 a Neu gebildeter Knoten im Bereich einer chronischen Wunde (histologisch sarkomatoides Plattenepithelkarzinom, G3, pT1 (b)).
Befunde diagnostischer Untersuchungen
Mikrobiologische Untersuchungen des Abstriches aus dem Ulkusgrund ergaben die Besiedlung mit Proteus mirabilis. Der Abstrich aus Hefe- bzw. Schimmelpilzen war negativ. Das Routinelabor inkl. Blutbild, Diff.-BB, Gerinnungsparameter, Elektrolyte, GOT, GPT, γGT, Creatinin, Harnstoff, Blutzucker, CRP) war unauffällig. Histologische und immunhistologische Untersuchungen der Probeentnahme aus dem Knoten ergaben die Diagnose eines sarkomatoiden Plattenepithelkarzinoms (G3) im Bereich des linken Vorfußes.
#Ergänzende apparative Untersuchungen
Die Röntgenuntersuchung des linken Vorfußes in zwei Ebenen zeigte keinen Nachweis von Osteolysen. Die aktuelle MRT-Untersuchung des linken Fußes zeigte im Bereich der 4. und 5. Zehe li. Weichteilschwellung mit diffusen KM-Anreicherungen und Verdickung der Kutis und Subkutis ohne den Hinweis auf artikuläre oder ossäre Beteiligung. Die Staging-Untersuchungen inkl. Röntgenuntersuchung des Thorax sowie Ultraschalluntersuchung des Abdomens und der Lymphknoten waren bis auf die LK-Sonografie, die die beidseitige inguinale Lymphknotenvergrößerung zeigte, unauffällig. Die histologische Untersuchung des Lymphknotens ergab eine unspezifische Entzündung.
#Therapie und Verlauf
Wir behandelten die bakterielle Superinfektion lokal mit Braunovidon-Lösung und sterilen Verbänden unter Beinhochlagerung und Spreizung des ZZR D4/D5. Systemisch wurde entsprechend dem Antibiogramm mit Rocephin 2 g i. v. pro Tag über 10 Tage therapiert. Die Thromboseprophylaxe erfolgte mit Clexane 0,2 ml s. c. täglich. Die Therapie der Polyneuropathie wurde nach Rücksprache mit Neurologen unseres Hauses mit Gabapentin p. o. neu eingeleitet. Gegen die Schmerzen erhielt der Patient Novalgin-Tropfen 3 × täglich. Insgesamt hatte sich unter dieser Therapie der entzündliche Zustand deutlich gebessert, sodass der Patient bald einer operativen Therapie unterzogen werden konnte. Diese bestand in der Amputation des 4. u. 5. Strahles des linken Fußes.
Regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen waren bisher unauffällig.
#Diskussion
Plattenepithelkarzinome nehmen ihren Ursprung von den epidermalen Stammzellen der intrafollikulären Epidermis. Die bisherigen Untersuchungen machen deutlich, dass Plattenepithelkarzinome molekulargenetische Veränderungen aufweisen, die an verschiedenen Stellen insbesondere die Regulation des Zellzyklus und der Apoptose betreffen und somit die Tumorzellen befähigen, sich der normalen Wachstumskontrolle zu entziehen.
Der wichtigste ätiologische Faktor ist die chronische UV-Exposition insbesondere bei UV-empfindlichen Individuen. Das individuelle Tumorrisiko wird außer durch den Hauttyp und die UV-Exposition auch durch DNA-Sequenzpolymorphismen erheblich mitbestimmt [1].
Zusätzlich zu den genetischen Veränderungen sind wahrscheinlich auch Beeinträchtigungen der T-Zell-vermittelten Immunüberwachung an Ätiologie und Pathogenese beteiligt. Bei Immunsuppression ist die Inzidenz stark erhöht und die Krankheitsverläufe sind ungünstiger. Bei immunsupprimierten Patienten wird die maligne Transformation durch eine erhöhte Infektionsrate mit kanzerogenen humanen Papillomvirustypen getriggert [2].
Neben der malignen Transformation durch UV-Strahlung können bei der Entstehung der Plattenepithelkarzinomen auch andere Faktoren eine Rolle spielen. Dazu gehören Arsenexposition und Röntgenstrahlung sowie chronische Wunden und Entzündungen wie Ulcera crurum, Narben, Verbrennungen, lichenoide Erkrankungen und bullöse Dermatosen [3].
Die Möglichkeit des Auftretens von Plattenepithelkarzinomen auf chronischen Wunden ist mit einer Prävalenz von 1 : 5000 Wunden eher selten. Das klinische Bild – von kaum sichtbaren Veränderungen bis zu ausgedehnten Tumoren – und der Zeitpunkt des Auftretens können dabei sehr unterschiedlich sein [4]. Die Prognose des Plattenepithelkarzinoms ist abhängig von einer Reihe von Faktoren wie Lokalisation und Größe des Tumors, Eindringtiefe und Differenzierungsgrad des Tumors.
Bei dem vorgestellten Fall handelt es sich zum einen um eine seltene Lokalisation und zum anderen um eine ungewöhnlich schnelle Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms im Bereich einer chronischen Wunde. Die in histologischen Untersuchungen nachgewiesene Entdifferenzierung dieses sarkomatoiden Plattenepithelkarzinoms könnte den foudroyanten Verlauf des Tumors erklären.
Da chronische Wunden diverser Genese sehr häufig anzutreffen sind, muss bei länger bestehenden Wunden differenzialdiagnostisch immer an die Möglichkeit der Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms gedacht werden. Engmaschige Kontrollen mit mehrmaligen Probebiopsien erlauben eine rechtzeitige Erkennung des Tumors und tragen wesentlich zu einer besseren Prognose der Erkrankung bei.
#Literatur
- 1 Reifenberger J, Schön M P. Epitheliale Tumoren der Haut: Molekulare Grundlagen und pathogenese-orientierte Therapie. Der Hautarzt. 2003; 54 1164-1170
- 2 Harwood C A, Surentheran T, McGregor J M. Human papillomavirus and non melanoma skin cancer in immunsuppressed and immunocompetent individuals. J Med Virol. 2000; 61 289-297
- 3 Motley R, Kersey P, Lawrence C. Multiprofessional guidelines for the management of the patient with primary cutaneous squamous cell carcinoma. Br J Dermatol. 2002; 141 18-25
- 4 Dalgleish A G, O'Byrne K. Inflammation and cancer: the role of the immune response and angiogenesis. Cancer Treat Res. 2006; 130 1-38
1 Nach einem Vortrag gehalten anlässlich des Symposions „Moderne Aspekte der Dermatoonkologie” organisiert vom Tumorzentrum und der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie – Immunologisches Zentrum, Städtisches Klinikum Dessau, März 2007.
Dr. Ewa Rohde
Klinik für Dermatologie, Venerologie und
Allergologie/Immunologisches Zentrum des Städtischen Klinikums
Dessau
Auenweg 38
06847 Dessau-Roßlau
eMail: ewa.rohde@klinikum-dessau.de
Literatur
- 1 Reifenberger J, Schön M P. Epitheliale Tumoren der Haut: Molekulare Grundlagen und pathogenese-orientierte Therapie. Der Hautarzt. 2003; 54 1164-1170
- 2 Harwood C A, Surentheran T, McGregor J M. Human papillomavirus and non melanoma skin cancer in immunsuppressed and immunocompetent individuals. J Med Virol. 2000; 61 289-297
- 3 Motley R, Kersey P, Lawrence C. Multiprofessional guidelines for the management of the patient with primary cutaneous squamous cell carcinoma. Br J Dermatol. 2002; 141 18-25
- 4 Dalgleish A G, O'Byrne K. Inflammation and cancer: the role of the immune response and angiogenesis. Cancer Treat Res. 2006; 130 1-38
1 Nach einem Vortrag gehalten anlässlich des Symposions „Moderne Aspekte der Dermatoonkologie” organisiert vom Tumorzentrum und der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie – Immunologisches Zentrum, Städtisches Klinikum Dessau, März 2007.
Dr. Ewa Rohde
Klinik für Dermatologie, Venerologie und
Allergologie/Immunologisches Zentrum des Städtischen Klinikums
Dessau
Auenweg 38
06847 Dessau-Roßlau
eMail: ewa.rohde@klinikum-dessau.de




Abb. 1 a Neu gebildeter Knoten im Bereich einer chronischen Wunde (histologisch sarkomatoides Plattenepithelkarzinom, G3, pT1 (b)).