Einleitung
Unter Berufsdermatosen werden Hauterkrankungen zusammengefasst,
die durch berufliche Einflüsse oder Tätigkeiten ausgelöst
und/oder unterhalten werden.
Diese medizinische Definition ist abzugrenzen von der
versicherungsrechtlichen Definition einer Berufskrankheit. Berufsbedingte
Hauterkrankungen nehmen seit Jahren bei den Anzeigen auf Verdacht einer
Berufskrankheit (BK) die Spitzenposition ein. Im Jahre 2004 lag der Anteil der
BK-Verdachtsmeldungen für Hauterkrankungen bei 26,4 %
[1]. Zu über 90 % manifestieren sich
berufsbedingte Hauterkrankungen als Handekzeme unterschiedlicher Genese. Die
häufigsten Ursachen sind irritative oder allergene berufliche Einwirkungen
oder Mischformen aus beidem. Oft besteht zusätzlich eine atopische
Hautdisposition oder auch ein atopisches Handekzem mit einer damit
einhergehenden Minderbelastbarkeit der Haut. Der wichtigste Tatbestand für
eine Berufsdermatose ist demzufolge die BK-Nummer 5101 nach der in der Anlage
zur Berufskrankheitenverordnung (BKV, vom 5.9.2002) aufgeführten
Berufskrankheitenliste: „Schwere oder wiederholt rückfällige
Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben,
die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der
Krankheit ursächlich waren oder sein können”
[1].
Darüber hinaus können auch weitere BK-Nummern für
Berufsdermatosen infrage kommen [1]
[2]:
-
BK 5102: Hautkrebs oder zu Krebsbildung neigende
Hautveränderungen durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen, Pech oder
ähnliche Stoffe
-
BK 1108: Krankheiten durch Arsen oder seine Verbindungen
-
BK 1302: Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe
-
BK 1310: Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder
Alkylaryloxide
-
BK 2402: Erkrankungen durch ionisierende Strahlungen
-
BK 3101: Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im
Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium
tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in
ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war
-
BK 3102: Von Tieren auf Menschen übertragbare
Krankheiten
-
BK 3104: Tropenkrankheiten, Fleckfieber
Derzeit in der Diskussion ist die Anerkennung der durch UV-Licht
beruflich verursachten Hautkrebserkrankungen als Berufskrankheit. Solange
dieser Tatbestand noch nicht in die Berufskrankheitenliste aufgenommen wurde,
ist eine Anerkennung nach der sogenannten „Öffnungsklausel”
(§ 9 Abs. 2 SGB VII) möglich [3].
Einzelfälle wurden nach dieser Klausel bereits anerkannt.
Historische Entwicklung. Historisch war schon
die erste durch Pott 1755 beschriebene Berufskrankheit, der Skrotalkrebs der
Schornsteinfeger, eine Hautkrankheit. Im Laufe der Jahre wurden weitere
Dermatosen im Zusammenhang mit verschiedenen Berufen beschrieben, wie die
Maurerkrätze, die Bäckerkrätze, das chronische Ekzem der
Wäscherinnen oder das Ekzem der Chirurgen. Durch die Etablierung des
Epikutantests und anderer Testverfahren konnten im Laufe des letzten
Jahrhunderts wesentliche Fortschritte in der Diagnostik und damit auch
hinsichtlich der Prävention von Berufsdermatosen gemacht werden.
Aktuell. Handekzeme verursachen weiterhin
beträchtliche individuelle Belastungen. Dies kann sowohl psychisch wie im
sozialen Umfeld von großer Bedeutung sein, aber durch
Funktionseinschränkungen auch die manuellen Tätigkeiten des
täglichen Lebens beeinträchtigen. Für chronische Handekzeme
konnte ein deutlicher Verlust der Lebensqualität gezeigt werden
[4]
[5]. Daneben ist auch die
sozioökonomische Bedeutung der BK 5101 hervorzuheben. Die
Verdachtsanzeigen bei der BK 5101 erreichten 1992 einen Höchstwert mit
22 058 Meldungen, stabilisierten sich in den Folgejahren auf hohem
Niveau und sinken seit 2002 ab. 2004 erfolgten 14 723 Meldungen. Der
Hauptanteil der Verdachtsanzeigen fällt auf die Wirtschaftszweige
Gesundheit, Metall, Nahrungs- und Genussmittel und Bau. Die Anerkennungsquote
(mit oder ohne Rente) der BK-5101-Verdachtsfälle liegt im
langjährigen Verlauf über 46 % [1]. Der Anteil berufsbedingter Hauterkrankungen an den
Gesamtkosten für berufliche Rehabilitationsmaßnahmen der
gesetzlichen Unfallversicherung beträgt fast 60 %
[6]
[7].
Prävention. Die rückläufigen
Zahlen für die BK-Meldungen sind auch auf die Etablierung verschiedener
spezifischer Präventionsmaßnahmen für die BK 5101
zurückzuführen, wie unter anderem das 1972 eingeführte
Hautarztverfahren. Danach ist jeder Arzt verpflichtet, einen Versicherten mit
möglicherweise beruflich verursachten krankhaften
Hautveränderungen unverzüglich einem Hautarzt vorzustellen, der
wiederum unverzüglich den Unfallversicherungsträger durch einen
Hautarztbericht zu informieren hat.
Das Hautarztverfahren ist ein Instrument zur Früherkennung
und Frühintervention und kann bei konsequenter Umsetzung der Entstehung
einer BK 5101 durch geeignete Präventions- und Therapiemaßnahmen
entgegenwirken und so eine Berufsaufgabe verhindern [1].
Ergänzend dazu wurde 2005 das Stufenverfahren Haut bei den
Unfallversicherungsträgern eingeführt. Damit soll erreicht werden,
dass die im Einzelfall notwendigen Präventionsmaßnahmen durch die
Unfallversicherungsträger systematischer und effizienter eingeleitet und
Leistungen nach § 3 BKV möglichst frühzeitig erbracht
werden [6].
Krankheitsbilder
Toxisches/irritatives Kontaktekzem
Das toxische oder irritative Kontaktekzem wird unterschieden in
ein akut-toxisches und ein kumulativ-subtoxisches Kontaktekzem. Bei einer
akut-toxischen Einwirkung z. B. von Säuren oder Laugen auf die Haut
kommt es regelhaft zum Auftreten einer Kontaktdermatitis im Kontaktareal ([Abb. 1]). Zur Entwicklung und Unterhaltung eines
kumulativ-subtoxischen Kontaktekzems ist die wiederkehrende oder andauernde
Einwirkung von primär nicht toxischen Faktoren wie z. B. Feuchtarbeiten
oder häufiges Händewaschen über einen längeren Zeitraum
erforderlich. Durch die ständig wiederkehrende Einwirkung irritativer
Noxen kommt es allmählich zu einer Funktionseinschränkung der
Hornschichtbarriere der Epidermis und zur Entwicklung von
Entzündungsherden an den betroffenen Hautstellen. Häufig zeigt sich
die Erstmanifestation eines kumulativ-subtoxischen Kontaktekzems durch
Rötung und Schuppung in den Fingerzwischenräumen ([Abb. 2]). Im weiteren Verlauf kommt es zu einer
Ausdehnung der Ekzemstellen mit Exkoriationen und Erosionen. Oft kommt es auch
zunächst zu Juckreiz und dann zur Bläschenbildung in den betroffenen
Arealen.
Kumulativ-subtoxische Kontaktekzeme stellen die häufigste
Ursache berufsbedingter Hauterkrankungen dar [8]
[9].
Abb. 1 Toxisches
Kontaktekzem.
Abb. 2 Interdigitalraumekzem als typische
Manifestationsform eines beginnenden kumulativ-subtoxischen Kontaktekzems.
2004 war bei über 30 % der
BK-5101-Verdachtsfälle Feuchtarbeit für die Hauterkrankung
verantwortlich oder mitverantwortlich gemacht worden [1].
Durch okklusives Schuhwerk wie Gummistiefel oder Sicherheitsschuhe kann es auch
zu kumulativen-subtoxischen Kontaktekzemen an den Füßen kommen.
Das Vorliegen einer atopischen Diathese mit der damit
einhergehenden Hautminderbelastbarkeit begünstigt die Entstehung eines
kumulativ-subtoxischen Kontaktekzems durch irritative Einwirkungen
[10]. Eine atopische Dermatitis kann durch irritative
Einwirkungen ausgelöst und unterhalten werden. Eine Psoriasis vulgaris
kann sich vor allem durch mechanische
(„Köbner-Phänomen”), aber auch andere irritative
Einflüsse manifestieren oder verschlimmern.
Die Einwirkung irritativer Faktoren als Auslöser der
Hauterkrankung wird angesichts berufsrelevanter Kontaktallergien oftmals
verkannt. Ein kumulativ-subtoxisches Kontaktekzem kann durch die gestörte
Barrierefunktion der Epidermis zur konsekutiven Entwicklung eines allergischen
Kontaktekzems führen (2-Phasen-Ekzem) [2]
[11].
Allergisches Kontaktekzem
Beim allergischen Kontaktekzem handelt es sich um eine
zellvermittelte Allergie vom Spättyp, eine Typ-IV-Reaktion nach Coombs und
Gell, die sich zunächst als Ekzem an der Kontaktstelle, dann aber auch
darüber hinaus manifestieren kann. In seltenen Fällen kann es auch
zur Entwicklung einer systemischen Kontaktdermatitis durch orale oder
parenterale Exposition eines Kontaktallergens kommen. Dies beruht vermutlich
auf einer hämatogenen Aussaat des Allergens mit einer nachfolgenden
Hautreaktion [12]. Bekannte nutritive Auslöser
eines hämatogenen Kontaktekzems sind Metallsalze, vor allem Nickel, und
Perubalsam bzw. dessen Inhaltsstoffe [13]. Bei
hochgradiger Sensibilisierung gegenüber luftgetragenen Allergenen
(z. B. Duftstoffe, Pflanzeninhaltsstoffe, Epoxidharze) kann es auch zu
aerogenen allergischen Kontaktekzemen kommen, die sich typischerweise an den am
Körper frei getragenen Hautstellen wie Gesicht, Händen und Armen
manifestieren [9]
[14]
[15].
Im berufsdermatologischen Kontext ist ein kumulativ-subtoxisches
Kontaktekzem oft wegbereitend für die nachfolgende Entwicklung eines
allergischen Kontaktekzems [16]. Allerdings gibt es auch
Allergene, die bereits innerhalb kurzer Zeit des Kontakts zur Ausbildung von
Kontaktekzemen führen können.
Ein typisches Allergen, das zu frühzeitigen
Sensibilisierungen führen kann, ist Epoxidharz bzw. Komponenten von
Epoxidharz-Systemen [17].
Selten ist eine photoallergische Kontaktdermatitis, bei der ein
Allergen erst durch photochemische Aktivierung entsteht und dann zu typischen
Ekzemveränderungen führt. Von berufsdermatologischer Relevanz
können dabei vor allem Inhaltsstoffe von Sonnenschutzmitteln bei
Arbeitnehmern sein, die im Freien arbeiten. Gelegentlich können auch
bestimmte Duftstoffe eine photoallergische Kontaktdermatitis auslösen.
Davon abzugrenzen ist eine phototoxische Kontaktdermatitis, die im beruflichen
Umfeld am häufigsten als Phytophotodermatitis auftritt. Dabei sind
photosensibilisierende Pflanzeninhaltsstoffe wie Furocoumarine nach
Sonnenlichteinstrahlung Auslöser einer phototoxischen Reaktion mit
Rötung, Schwellung bis hin zur Blasenbildung. Typisch ist eine Abheilung
mit Hyperpigmentierung [18].
Kontakturtikaria
Bei der Kontakturtikaria handelt es sich um eine
vorübergehende urtikarielle Reaktion der Haut an der Kontaktstelle mit dem
Allergen. Es werden 2 Varianten unterschieden: die nicht-immunologische
Kontakturtikaria und die immunologische Kontakturtikaria. Bei ersterer kommt es
durch Kontakt mit einer entsprechenden Substanz über die Freisetzung
vasoaktiver Substanzen wie u. a. Histamin, Bradykinin und Substanz A zur
Entwicklung von Urticae.
Die nicht-immunologische Kontakturtikaria ist häufiger
als die immunologische Kontakturtikaria und hat selten systemische
Auswirkungen.
Typische Auslöser sind Konservierungsstoffe und
Geschmacksstoffe sowie andere Zusätze in Nahrungsmitteln.
Die immunologische Kontakturtikaria tritt bei sensibilisierten
Personen in der Regel im Kontaktareal zu dem Allergen und/oder den angrenzenden
Bereichen auf, kann aber darüber hinaus auch zu systemischen Reaktionen
wie Rhinitis, Asthma oder einem anaphylaktischen Schock führen. Typische
auslösende Allergene sind Latex, verschiedene Nahrungsmittel bzw.
-bestandteile, Mehle, Enzyme, Tierepithelien, Hausstäube,
Pflanzenproteine, Ammoniumpersulfat und Diisozyanate [12]
[19]
[20].
Proteinkontaktdermatitis
Die Proteinkontaktdermatitis tritt selten auf. Sie manifestiert
sich typischerweise als chronisch-rezidivierendes Handekzem, wobei es in der
Regel zu einem starken Juckreiz und/oder Brennen innerhalb von 30 Minuten nach
Kontakt mit dem auslösenden Allergen kommt. Die Proteinkontaktdermatitis
wird als eine Kombination aus einer allergischen Soforttyp (Typ I)- und
Spättyp (Typ IV)-Reaktion angesehen [12].
Auslöser sind Nahrungsmittelproteine, die in 4 Gruppen eingeteilt werden
können:
-
Früchte, Gemüse, Gewürze, Pflanzen,
-
tierische Proteine,
-
Getreide,
-
Enzyme [21].
Atopisches Ekzem
Neben dem kumulativ-subtoxischen und dem kontaktallergischen
Ekzem, die beide durch exogene Faktoren ausgelöst werden ([Abb. 3]), kann auch das primär anlagebedingte
atopische Ekzem im versicherungsrechtlichen Sinn relevant werden.
Atopische Handekzeme können durch berufliche
Einflüsse erstmalig manifest oder aber vorübergehend oder
richtungsweisend verschlimmert werden.
Abb. 3 Übersicht
über berufsbedingte exogene Ekzeme.
Die genaue Abgrenzung der anlagebedingten Komponente von den
berufsbedingten Einflüssen kann problematisch sein. Auch bei atopischen
Handekzemen ist ein deutlich arbeitsabhängiger Verlauf möglich.
Allerdings kann es sowohl während der Arbeitstätigkeit wie auch
während arbeitsfreier Zeiten zu einem unvorhersehbaren schubweisen Verlauf
der Erkrankung kommen, wie er auch die atopische Dermatitis mit einem
chronischen oder chronisch-rezidivierenden Verlauf generell kennzeichnet.
Die morphologischen Erscheinungsformen entsprechen denen anderer
Ekzeme. Häufig ist allerdings der Befall der Fingerkanten insbesondere mit
Bläschenbildung, dem oft subjektive Missempfindungen wie Juckreiz oder
Brennen vorausgehen. Atopische Handekzeme können die Hände sowohl
palmar als auch dorsal betreffen und auf die Unterarme übergreifen. Sie
können vergesellschaftet sein mit atopischen Fußekzemen und/oder
anderen Manifestationsformen einer atopischen Dermatitis.
Dyshidrotisches Ekzem
Bei dem dyshidrotischen Ekzem handelt es sich um ein chronisches
oder chronisch-rezidivierendes bläschenbildendes Ekzem der
Handflächen und seltener auch der Fußsohlen.
Mögliche ätiologische Auslöser umfassen eine
Atopie, eine Kontaktallergie (auch systemisch) und mykologische oder andere
mikrobielle Infektionen [22]
[23].
Eine zusätzlich bestehende palmo-plantare Hyperhidrose
begünstigt das dyshidrotische Ekzem [24]
[25]. In Studien zu den konkreten Auslösern eines
vorliegenden dyshidrotischen Handekzems zeigten sich unterschiedliche
Ergebnisse. Während Lodi et al. [25] eine Atopie in
signifikant höherem Ausmaß bei Betroffenen wie bei einer
Kontrollgruppe mit anderen dermatologischen Erkrankungen fanden und dies daher
als wesentlichen prädisponierenden Faktor bewerteten, konnten
Lehucher-Michel et al. [23] keinen signifikanten
Unterschied bei dem Vorliegen einer Atopie bei Patienten mit dyshidrotischem
Ekzem versus Patienten mit anderen Ekzemerkrankungen finden. In beiden Studien
wurde bei einem hohen Prozentsatz der Patienten positive Epikutantestergebnisse
festgestellt. Bei Lehucher-Michel et al. konnten bei 72,8 %, bei
Lodi et al. bei 48,1 % der Betroffenen Kontaktallergien
nachgewiesen werden. Bei letzterer Studie war Nickelsulfat mit
20,2 % das häufigste positive Kontaktallergen. In einer
weiteren Studie konnte das Vorliegen einer Tinea pedis als statistisch
signifikanter Risikofaktor für das Auftreten eines dyshidrotischen Ekzems,
aber keine Assoziation zu einer atopischen Dermatitis oder einer
Nickel-Kontaktallergie gezeigt werden [22]. Die
Bedeutung einer Mykose als auslösender Faktor eines dyshidrotischen Ekzems
wurde in einer Untersuchung von Guillet et al. unterstützt, wo dies als
Ursache bei 10 % der Betroffenen festgestellt wurde.
Hauptauslöser waren in dieser Studie mit 67,5 %
Kontaktallergien, vor allem gegenüber Kosmetik- und
Körperpflegeprodukten (31,7 %) sowie Metallen
(16,7 %). Bei den übrigen Patienten konnte keine konkrete
Ursache festgestellt werden, aber diese waren alle Atopiker (im Gesamtkollektiv
46,7 %) oder litten an einer Hyperhidrose (im Gesamtkollektiv
33,3 %). Eine systemische Reaktivierung durch Nahrungsmittel,
Arzneimittel, Metalle oder Tabak wurde mit 6,7 % der Fälle
als untergeordnet angesehen [24].
Für die unterschiedlichen Ergebnisse dieser Studien kann
auch die Tatsache von Bedeutung sein, dass die Terminologie des dyshidrotischen
Ekzems nicht einheitlich verwendet wird. Durch die fehlende Präzision der
Definition sind die Vergleiche der Ursachenanalysen und der
Therapiemodalitäten in den verschiedenen Studien problematisch
[26].
Diagnostische Maßnahmen
Anamnese
Die Anamnese ist der wichtigste Baustein zur Eingrenzung der
möglichen Ursachen eines Handekzems oder anderer Ekzeme.
Eine detaillierte Arbeitsplatzanamnese und der Verlauf der
Hauterkrankung sind von entscheidender Bedeutung.
Darüber hinaus müssen auch mögliche Ursachen im
privaten Umfeld mit erhoben werden. Oft kann schon das klinische Bild
entscheidende Hinweise für die Genese von ekzematösen
Hautveränderungen liefern. Eine entsprechende Einordnung in ein
kumulativ-subtoxisches, ein allergisches, ein atopisches oder auch ein Ekzem
gemischter Ätiologie ist für die weiterführende Diagnostik
hilfreich.
Typ-IV-Allergie
Entwicklung. Die Typ-IV-Allergie ist eine
zellvermittelte Allergie vom Spättyp, die sich als allergisches
Kontaktekzem manifestiert.
Die Entwicklung des allergischen Kontaktekzems ist
abhängig vom Sensibilisierungspotenzial eines Allergens und der
Intensität der Exposition.
Zunächst kommt es zu einer Sensibilisierung. Dafür
gelangt ein Allergen in die Epidermis und wird dort von den
antigenpräsentierenden Zellen der Epidermis aufgenommen. Diese wandern
dann in die regionalen Lymphknoten aus und stimulieren dort naive T-Zellen, die
nach weiterer Aktivierung zu antigenspezifischen T-Lymphozyten proliferieren.
Diese rezirkulieren z. T. als Memory-T-Zellen über das Blut in die Haut.
Die Sensibilisierungsphase verläuft unbemerkt und dauert etwa
10 – 15 Tage um dann in unterschiedlicher klinischer
Ausprägung lebenslang weiter zu bestehen [2]. Bei
erneutem Kontakt mit demselben Allergen erfolgt wiederum die Aufnahme durch
antigenpräsentierende Zellen, die in das regionäre lymphoide Gewebe
wandern und das Allergen den sensibilisierten Memory-T-Zellen
präsentieren. Es kommt dann über eine Freisetzung von Zytokinen und
Chemokinen aus aktivierten Keratinozyten zur Einwanderung von Memory-T-Zellen,
zytotoxischen und anderen T-Zellen aus dem Blut und zur Ausbildung einer
Entzündungsreaktion, die durch die Freisetzung weiterer Zytokine und
Rekrutierung von Leukozyten verstärkt wird. Die Ausbildung dieser
Entzündungsreaktion benötigt ca. 24 – 48 Stunden.
Typische Allergene sind meist Haptene, niedermolekulare Substanzen mit einem
Molekulargewicht < 500 Da [27], die erst durch
Bindung an ein ortsständiges immunogenes Trägermolekül zu einem
vollständigen Antigen werden [28].
Epikutantestung
Typ-IV-Sensibilisierungen werden mit dem Epikutantest
diagnostiziert. Im deutschen Sprachraum ist die Epikutantestung weitgehend
standardisiert. Die Testung sollte den Empfehlungen der Deutschen
Kontaktallergiegruppe (DKG) entsprechend der Leitlinie
„Durchführung des Epikutantests mit Kontakt-Allergenen”
(http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/013-018.htm) folgen. Grundsätzlich
sollte diese Form der Testung möglichst nicht während florider
Ekzemerscheinungen, sondern erst nach Abheilung der Hauterscheinungen
durchgeführt werden.
Eine Epikutantestung ist nach vorheriger UV-Licht-Exposition
im Testareal oder unter einer systemischen Immunsuppression in der Regel nicht
indiziert.
Eine Epikutantestung sollte eine adäquate Dokumentation
der Testsubstanzen, der eingesetzten Verdünnungen, der verwendeten
Vehikel, der Ablesezeitpunkte und Bedeutung der verwendeten Symbole beinhalten.
Die Auswahl der Testsubstanzen sollte individuell durch die Anamnese geleitet
sein. Unabhängig davon sollte in der Regel die Testung der Standardreihe
nach DKG erfolgen, da sich dabei auch bei anamnestisch nicht eingrenzbaren
Auslösern gelegentlich relevante Sensibilisierungen zeigen können.
Zusätzlich sind die Allergene zu testen, mit denen der Betroffene in
Kontakt gekommen sein könnte. Dafür stehen verschiedene
Spezialblöcke nach DKG (z. B. Friseurstoffe, Gummireihe,
Kunstharze/Kleber, Kühlschmierstoffe etc.) bzw. Einzelstoffe dieser Reihen
zur Verfügung. Zur Testung wird die Anwendung von galenisch geprüften
und als Arzneimittel zugelassenen Allergenzubereitungen empfohlen.
Spezielle Substanzen. In
Abhängigkeit von den möglichen Auslösern kann darüber
hinaus die Testung von speziellen Produkten oder Substanzen erforderlich sein,
die nicht als definierte Testsubstanzen zur Verfügung stehen. Dabei ist zu
beachten, dass Stoffe oder Stoffgemische, die chemisch nicht definiert sind
bzw. deren biologische Wirkung unbekannt ist, nicht getestet werden sollten.
Bei definierten patienteneigenen Substanzen ist eine Epikutantestung
möglich. Diese sollte in der Regel in einer geeigneten Verdünnung in
einem geeigneten Vehikel erfolgen. Zur unverdünnten Testung kommen
generell nur Produkte infrage, die dem Hautschutz oder der Hautpflege dienen.
Bei speziellen Fragestellungen kann auch eine offene Anwendungstestung als
„Repeated Open Application Test” hilfreich sein
[29].
Ablauf. Für den Epikutantest
werden die Testsubstanzen okklusiv in Aluminium-Kammern in der Regel auf dem
Rücken des Betroffenen aufgeklebt. Dort verbleiben die Testsubstanzen
für 24 h oder 48 h. Die obligat erforderlichen Ablesungen
auf Reaktionen in den Testarealen erfolgen nach Abnahme der Testpflaster und
nach 72 h ([Abb. 4]). Weitere Ablesungen
können hilfreich sein, falls eine eindeutige Abgrenzung einer Reaktion
hinsichtlich irritativer oder allergischer Reaktion noch nicht möglich
ist. Während eine zunehmende Reaktion (Crescendoverlauf) bis zur
72-h-Ablesung meist als allergische Reaktion zu werten ist, zeigen irritative
Reaktionen eher einen abnehmenden Verlauf (Decrescendoverlauf).
Spätreaktionen 10 – 14 Tage nach der Epikutantestung
können ein Hinweis auf eine mögliche iatrogene Sensibilisierung
sein.
Abb. 4 Epikutantest nach
72 Stunden: p-Toluylendiamin +++, 3-Aminophenol ++,
p-Aminophenol +++, Hydrochinon +++,
Pyrogallat +.
Relevanz. Nach erfolgter
Epikutantestung müssen die nachgewiesenen Sensibilisierungen auf ihre
tatsächliche Relevanz für das Vorliegen einer
Typ-IV-Kontaktsensibilisierung überprüft werden. Dafür
müssen die Hauterscheinungen, die Kontaktmöglichkeiten und der
Verlauf der Hauterkrankungen berücksichtigt werden. Nicht jede
nachgewiesene Sensibilisierung ist für die vorliegende Hauterkrankung
bedeutsam. Insbesondere muss dabei auch eine nicht uneingeschränkte
biologische Reproduzierbarkeit des Testverfahrens berücksichtigt werden.
In einem Kollektiv arbeitstätiger Personen, für die ein
Hautarztbericht erstattet wurde, konnte nur für 29 % der
positiven Reaktionen gegenüber Allergenen der Standardreihe eine
Berufsrelevanz belegt werden [30]. Es wird vermutet,
dass weniger als 30 % der positiven Epikutantestreaktionen
klinisch relevant für die Krankheitsaktivität sind [9]
[31].
Typ-I-Allergie
Allergische Typ-I-Reaktionen vom Soforttyp nach Coombs und Gell
werden durch IgE vermittelt. Die IgE-Produktion in B-Zellen wird durch
antigenspezifische Th2-Zellen unterhalten. Reexposition mit einem Antigen
führt nach Bindung an zellständiges IgE zur Aktivierung der
Mastzellen und Freisetzung von präformierten und neugebildeten Mediatoren,
die innerhalb von Minuten bis Stunden zu lokalen Symptomen führen und
seltener auch Systemreaktionen auslösen können [28].
Testung. Anamnesegeleitet erfolgen als
diagnostische Maßnahmen zunächst Reibe-, Prick- und Scratchtestungen
sowie die Bestimmung spezifischer zirkulierender IgE-Antikörper und des
Gesamt-IgE im Serum [19]. Auch bei diesen Testungen ist
keine uneingeschränkte Reproduzierbarkeit gewährleistet.
Wesentliche Fehlerquellen der Hauttestungen können
fehlende Negativ- oder Positivkontrollen, Testung unter Einnahme von
Antihistaminika oder systemischen Immunsuppressiva oder auch die Verkennung
einer Urticaria factitia sein.
Latex. Von besonderer Bedeutung bei den
In-vitro-Untersuchungen für berufsdermatologische Fragestellungen ist der
Nachweis von spezifischem IgE auf Latex [32], wo
inzwischen 13 Major- und Minorallergene bei Latexallergien nachgewiesen werden
konnten [20]. Bei Nachweis einer Typ-I-Sensibilisierung
gegenüber Latex ist zur Überprüfung der klinischen Relevanz
gemäß der Leitlinie „Soforttyp-Allergie gegen
Naturlatex” (http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll-na/061–002.htm)
[33] eine stufenweise Expositionstestung beginnend mit
einem angefeuchteten Fingerling aus Naturlatex bis hin zum
Naturlatex-Handschuh-Trageversuch erforderlich. Unabhängig von der
nachgewiesenen klinischen Relevanz ist bei einer Latexsensibilisierung der
Betroffene immer eingehend aufzuklären über eine konsequente Meidung
des Latexkontakts und ein latexallergenfreies Vorgehen bei medizinischer
Versorgung [20]
[34]. Inzwischen
ist das Auftreten von Latexsensibilisierungen durch geeignete
Präventionsmaßnahmen (Reduzierung des Allergengehaltes und
Verwendung ungepuderter Handschuhe) deutlich rückläufig. Als
Auslöser berufsbedingter Hauterkrankungen sind die Werte für Latex
von 1998 bis 2004 auf unter ein Drittel der Ausgangsdaten abgesunken
[1].
Weitere In-vitro-Untersuchungen. Berufsspezifisch können weitere In-vitro-Untersuchungen, z. B. die
Bestimmung von spezifischen IgE bei Verdacht auf allergischen
Soforttypreaktionen auf Medikamente, insbesondere β-Lactam-Antibiotika
sinnvoll sein [32]. Beim Verdacht auf eine
Kontakturtikaria oder eine Proteinkontaktdermatitis sollten neben offenen
Epikutantestungen mit den verdächtigen Substanzen berufs- und
verdachtsspezifische Pricktestungen sowohl mit kommerziell erhältlichen
Extrakten wie auch Prick-zu-Pricktestungen mit den nativen Substanzen erfolgen.
Zusätzlich kann die Durchführung von Scratch-Testungen und
Scratch-Chamber-Testungen mit frischen Materialien zur weiteren Abgrenzung
erforderlich sein [12]. Im Bäckerberuf sollten
z. B. in diesem Zusammenhang Testungen auf Mehle, Backmittel und Enzyme
erfolgen. Auch beim beruflichen Umgang mit Pflanzen und Hölzern sollten
Prick-zu-Prick-Testungen und ggf. weitere Testungen mit frischen Substanzen
durchgeführt werden [20].
Atopische Hautdiathese. Die
Typ-I-Diagnostik kann auch hilfreich sein, um eine möglicherweise
bestehende atopische Hautdiathese zu beurteilen. Dafür gibt es allerdings
derzeit keine allgemein gültigen Standardtestungen. Daher schließen
auch negative oder normwertige Testergebnisse eine atopische Hautdiathese nicht
aus. Zum Atopiescreening eignen sich Pricktestungen mit perennial und saisonal
ubiquitären Inhalationsallergenen (Baumpollen, Gräserpollen,
Schimmelpilzen, Tierepithelien, Hausstaubmilben) und eine entsprechende
IgE-Diagnostik. Im Rahmen des Hautarztverfahrens sollte das Atopie-Screening
auf die Testung der 12 wichtigsten Soforttypallergene mit Positiv- und
Negativkontrolle beschränkt bleiben. Ein weiteres Instrument zur
Einschätzung der atopischen Diathese ist der Erlanger Atopie-Score
[35].
Hautphysiologie
Die verschiedenen verfügbaren hautphysiologischen
Messverfahren dienen der objektiven Bestimmung irritativer Wirkungen von
Substanzen bzw. protektiver Wirkungen von Hautschutzmaßnahmen.
Beispielhaft dafür ist die Bestimmung des transepidermalen Wasserverlustes
als Aussage über die Barrierefunktion der Hornschicht. Dabei steigt mit
zunehmender Schädigung der Hornschichtbarriere der transepidermale
Wasserverlust an. Zur Vergleichbarkeit der Messungen ist ein klimatisierter
Raum mit konstanter Luftfeuchtigkeit erforderlich.
Häufig wird zur Ermittlung einer Hautminderbelastbarkeit
ein Irritationstest angewendet. Hierbei handelt es sich um Testverfahren, die
bisher nicht ausreichend standardisiert und validiert sind. Es sind jedoch
Bemühungen im Gang, eine entsprechende Standardisierung zu erreichen
[36]. Die verschiedenen angewendeten Varianten eines
Alkaliresistenztests wie z. B. der „Differentielle
Irritationstest” zielen darauf ab, über eine genormte irritative
Einwirkung die Reaktion des Hautorgans abzuschätzen und damit die
Hautirritabilität zu beurteilen [37].
Therapie
Der entscheidende Therapieansatz für Handekzeme liegt in
der konsequenten Meidung der auslösenden bzw. unterhaltenden Noxe(n).
Dies ist durch die Elimination bzw. den Austausch der Noxe(n)
oder/und die Anwendung einer geeigneten persönlichen Schutzausrüstung
(Schutzhandschuhe oder andere Schutzkleidung, Hautschutzpräparate,
Hautpflegepräparate), entsprechend der geltenden Arbeitsschutz- bzw.
Hygiene-Bestimmungen möglich [38].
Topische Therapie
Die Behandlung eines akuten Ekzems sollte mit einer
stadiengerechten, antientzündlichen Lokaltherapie erfolgen.
Dazu werden vor allem topische Glukokortikosteroide eingesetzt.
Insbesondere im berufsdermatologischen Kontext, wo eher eine
längerfristige Behandlung zu erwarten ist, sollten primär
Präparate mit einem günstigen therapeutischen Index (günstiges
Wirkungs-/Nebenwirkungsprofil, TIX) zum Einsatz kommen. Dazu verweisen wir auf
die Leitlinie „Topische Dermatotherapie mit Glukokortikoiden –
Therapeutischer Index”
(http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll-na/013-034.htm). Aber auch für
solche Präparate nimmt das Hautatrophierisiko mit der Dauer der Anwendung
zu, sodass von einer Dauerbehandlung möglichst abgesehen werden und eine
ausschleichende oder intermittierende Therapie zur Anwendung kommen sollte.
Neben topischen Glukokortikoiden können auch weitere antiinflammatorische
Wirkstoffe wie z. B. Teere und Schieferöle eingesetzt werden
[31]. In Abhängigkeit vom Befund kann die Anwendung
von antiseptika- oder gerbstoffhaltigen Externa sinnvoll sein.
Je nach Krankheitsstadium ist auf die Auswahl einer geeigneten
Grundlage zu achten. Während im akut-nässenden oder
bläschenbildenden Stadium eher austrocknende Maßnahmen wie
z. B. gerbstoffhaltige Bäder hilfreich sind, sollten im subakuten
Stadium Lotionen und Creme-Zubereitung Anwendung finden. Beim chronischen
Ekzem, das durch ausgeprägte Trockenheit und Schuppung gekennzeichnet ist,
sind fettere Salbengrundlagen zu bevorzugen.
Derzeit ausschließlich zur Anwendung bei der atopischen
Dermatitis zugelassen sind die topischen Calcineurininhibitoren Tacrolimus und
Pimecrolimus. Im Rahmen von Studien oder individuellen Heilversuchen finden
diese Präparate inzwischen auch Anwendung bei anderen Ekzem- oder
Hauterkrankungen. So konnte bei 44 % der Patienten mit einem
milden bis moderaten beruflich bedingten Handekzem durch die lokale Anwendung
von Tacrolimus eine Heilung erreicht werden [39]. In
einer weiteren Studie war die Lokaltherapie mit Tacrolimus genauso wirksam wie
die Anwendung des lokalen Glukokortikosteroids Mometasonfuroat
[40].
Während der Therapie und nach der Abheilung von
ekzematösen Hautveränderungen ist eine regelmäßige
Hautpflege mit geeigneten wirkstofffreien oder auch harnstoffhaltigen
Präparaten zur Verbesserung und Stabilisierung des Hautzustands
unabdingbar.
Systemische Therapie
Bei schweren Handekzemen ([Abb. 5])
kann der Einsatz von systemischen Therapeutika erforderlich werden. Auch hier
wird in erster Linie auf Glukokortikosteroide zurückgegriffen. Bei oraler
Gabe wird die anfängliche Dosis in Abhängigkeit vom Verlauf langsam
reduziert und abgesetzt [41]. Bei therapieresistenten
Verläufen sollte auch der Einsatz von Immunsuppressiva wie Cyclosporin,
Methotrexat, Azathioprin oder Mycophenolatmofetil erwogen werden
[4]
[31]
[41]. Die längerfristige Anwendung dieser
Präparate ist jedoch häufig durch Nebenwirkungen limitiert.
Nach dem Absetzen von Immunsuppresiva kann es zu einem
Rebound-Effekt mit einer deutlichen Verschlechterung des Hautzustands
kommen.
Abb. 5 Schweres
hyperkeratotisch-rhagadiformes Handekzem.
Retinoide können zu einer deutlichen Besserung eines
schweren Handekzems führen [41]
[42]. Während der Einsatz von Acitretin oftmals durch
den austrocknenden Effekt, die lange Halbwertszeit und weitere Nebenwirkungen
begrenzt wird, konnte mit dem 2008 neu in Deutschland zugelassenen Alitretinoin
eine ausgesprochen gute Wirksamkeit mit einer vollständigen oder fast
vollständigen Abheilung bei 48 % der Patienten bei deutlich
geringerem Nebenwirkungsprofil festgestellt werden. Während für
Acitretin wegen der teratogenen Wirkung von Retinoiden bei Frauen im
gebärfähigen Alter eine sichere Kontrazeption 1 Monat vor Behandlung
bis 2 Jahre nach Behandlungsende gewährleitet sein muss, ist dies bei
Alitretinoin für 1 Monat vor Behandlungsbeginn bis 1 Monat nach
Behandlungsende sicherzustellen [43].
UV-Bestrahlung
Der UV-Bestrahlungstherapie kommt ein wesentlicher Stellenwert
in der Therapie von Ekzemerkrankungen zu. Der Einsatz erfolgt oft als
Kombinationstherapie im Rahmen eines multimodalen Therapiekonzeptes. Die
UV-Bestrahlung hat einen gesicherten immunmodulatorischen Effekt, der zu einem
Rückgang der Entzündungsreaktion beiträgt [44]. Weiterhin führt die UV-Bestrahlung zu einer
Verdickung der Epidermis im Sinne einer Lichtschwiele, was zu einer
verbesserten Hautbelastbarkeit beiträgt.
Zur Anwendung bei Handekzemen hat sich vor allem die lokale
Photochemotherapie bewährt, bei der der Photosensibilisator Psoralen als
Bad oder Creme angewendet und nachfolgend mit UVA-Licht bestrahlt wird
(PUVA-Bestrahlung).
Aber auch mit einer Schmalspektrum-UVB-311-nm-Bestrahlung
können gute Erfolge erzielt werden [45]
[46]. Die Hochdosis-UVA1-Therapie ist zur Behandlung des
atopischen Ekzems gut etabliert. In einer kontrollierten Studie zeigte sich,
dass für die Hochdosis-UVA1-Phototherapie in der Behandlung des
dyshidrosiformen Hand- und Fußekzems in der Effektivität kein
Unterschied zur Creme-PUVA-Behandlung besteht. Weitere Untersuchungen belegten,
dass nicht nur die Hochdosis-UVA1-Phototherapie, sondern auch die
Niedrigdosis-UVA1-Phototherapie effektiv in der Behandlung des dyshidrosiformen
Hand- und Fußekzems einsetzbar ist [42].
Wir verweisen auf die Leitlinie „Empfehlungen zur
Phototherapie und Photochemotherapie”
(http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/013-029.htm).
Hyperhidrose
Bei einer Hyperhidrosis kann als wirksame und nebenwirkungsarme
Therapie eine Leitungswasseriontophorese-Behandlung erfolgen. Die
Behandlungsfrequenz kann individuell an die Schwitzneigung angepasst werden und
ist auch als Heimbehandlung durchführbar [47]. Seit
einiger Zeit steht auch eine lokale Injektionstherapie mit Botulinumtoxin zur
Hyperhidrosebehandlung zur Verfügung. Beide Verfahren werden mit gutem
Erfolg auch bei einem dyshidrotischen Ekzem eingesetzt [24]
[45]
[48].
Hautarztverfahren
1972 wurde das „Verfahren zur Früherfassung
berufsbedingter Hauterkrankungen” durch die
Unfallversicherungsträger eingeführt und ist seit Juli 1996 in allen
Bundesländern etabliert [1]
[2]. Eine weitere Verbesserung der Prävention
berufsbedingter Hauterkrankungen ist durch den „optimierten
Hautarztbericht” zu erwarten, der seit 1. 1. 2006
bundesweit mit einer erhöhten Vergütung eingeführt ist
[7]
[49]. Das Hautarztverfahren
dient der möglichst frühzeitigen Erfassung berufsbedingter
Hauterkrankungen, der entsprechenden Diagnostik und Dokumentation sowie der
frühzeitigen Einleitung aller geeigneten Maßnahmen zur
Prävention [50]. Voraussetzung ist, dass der
Betroffene einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen ist
oder ein freiwilliges Versicherungsverhältnis mit einer gesetzlichen
Unfallversicherung besteht.
Jeder Arzt ist verpflichtet, einen Versicherten mit
möglicherweise beruflich verursachten krankhaften Hautveränderungen
unverzüglich einem Hautarzt vorzustellen (Überweisung mit Formular F
2900, Download unter www.hvbg-service.de/cgi-bin/formtext), der wiederum
unverzüglich den Unfallversicherungsträger durch einen
Hautarztbericht zu informieren hat.
Zur Erstattung eines Hautarztberichts ist es ausreichend, dass
die Möglichkeit eines Zusammenhangs der Dermatose
mit den beruflichen Einwirkungen besteht.
Ein Beweis oder ein dringender Verdacht für eine berufliche
Kausalität der Hautveränderungen ist nicht erforderlich. Im Rahmen
der Erstattung des Hautarztberichts ist der Hautarzt berechtigt, diagnostische
Maßnahmen zur Klärung des Ursachenzusammenhangs zwischen der
Hauterkrankung und der beruflichen Tätigkeit durchzuführen. Dabei
sollte sich der Testumfang auf das abzuklärende berufliche
Tätigkeitsfeld beziehen [16]. Auch Ärzte mit
der Gebietsbezeichnung „Arbeitsmedizin” oder der
Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin” dürfen einen
Hautarztbericht erstatten [50] (Erstbericht F 6050,
Verlaufsbericht F 6052, Download als Word-Dateien unter
www.hvbg-service.de/cgi-bin/formtext).
Im Gegensatz zur Erstattung einer BK-Anzeige, die immer dann zu
erstellen ist, wenn der begründete Verdacht des Vorliegens einer BK
besteht und frühzeitige präventive Maßnahmen nicht mehr
indiziert sind, ist zur Erstattung eines Hautarztberichts an den
Unfallversicherungsträger die Einwilligung des Betroffenen erforderlich.
Falls keine Hinzuziehung des Arbeitgebers gewünscht wird, kann dies auf
dem Hautarztbericht entsprechend vermerkt werden. Gleichzeitig ist der
Vertragsarzt nach œ 294 a SGBV zur Meldung an die Krankenkasse
verpflichtet, ohne dass dafür eine Zustimmungspflicht des Patienten
vorgesehen ist. Ist eine weitere dermatologische Behandlung erforderlich, kann
ein Behandlungsauftrag beim zuständigen Unfallversicherungsträger
beantragt werden. Die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung wird nach einer
entsprechenden Kausalitätsprüfung des Unfallversicherungsträgers
in der Regel befristet gewährt. Diese bietet u. a. die
Möglichkeit zur Durchführung außerbudgetärer
Therapiemaßnahmen „mit allen geeigneten Mitteln” inklusive
der Verordnung medizinisch indizierter hautpflegender Externa, ggf. auch
Hautschutzsalben, Hautreinigungspräparate und Schutzhandschuhe. Praxis-
und Rezeptgebühren entfallen dabei. Weiterhin können Maßnahmen
nach § 3 BKV empfohlen werden. Dazu gehören technische und
organisatorische Maßnahmen am Arbeitsplatz, persönliche
Schutzmaßnahmen (Handschuhe, Hautschutzprodukte etc.), medizinische
Maßnahmen (ambulante Therapien und stationäre Heilverfahren) und
gesundheitspädagogische Maßnahmen (z. B.
Hautschutz-Seminare). Nach Gewährung einer berufsgenossenschaftlichen
Heilbehandlung erfolgt in der Regel eine 4-wöchentliche Vorstellung des
Versicherten beim behandelnden Hautarzt, der wiederum ca. 2-monatlich einen
Hautarzt-Verlaufsbericht zur Dokumentation des Verlaufs der Hauterkrankung
erstattet.
Stufenverfahren Haut
Ergänzend zum Hautarztverfahren wurde 2005 das
Stufenverfahren Haut bei den Unfallversicherungsträgern eingeführt.
Damit soll erreicht werden, dass die im Einzelfall notwendigen
Präventionsmaßnahmen durch die Unfallversicherungsträger
systematischer und effizienter eingeleitet und Leistungen nach § 3
BKV möglichst frühzeitig erbracht werden. Dies stützt sich
wesentlich auf die Angaben und Empfehlungen der Hautarztberichte, sodass die
Ergebnisqualität maßgeblich von der Zusammenarbeit der behandelnden
Hautärzte und der Unfallversicherungsträger abhängt. Die
Interventionsstrategie besteht aus Maßnahmen, die sich in ihrer
Intensität allmählich steigern. Zunächst werden niederschwellige
kostengünstige Maßnahmen eingeleitet, die in 3-monatlichen
Abständen anhand der eingehenden Hautarzt-Verlaufsberichte kontrolliert
und dann entsprechend des Verlaufs angepasst bzw. intensiviert werden.
Möglichst zeitnah nach Eingang des Hautarztberichtes bei dem
zuständigen Unfallversicherungsträger erfolgt die Erteilung eines
Behandlungsauftrages an den behandelnden Hautarzt. Häufig wird der
Versicherte auch schon parallel durch den Unfallversicherungsträger bei
einem Hautschutzzentrum vorgestellt oder zur Teilnahme an einem auf die
jeweilige Berufsgruppe abgestimmten Hautschutzseminar eingeladen. Weitere
Maßnahmen wie z. B. die Bereitstellung persönlicher
Hautschutzmaßnahmen, die Einbeziehung des Betriebsarztes, technische und
organisatorische Maßnahmen am Arbeitsplatz und ggf. auch stationäre
dermatologische Heilverfahren erfolgen dann entsprechend der individuellen
Notwendigkeit und des Verlaufs [6]
[7]
[16].
Präventionsmaßnahmen
„Besteht für einen Versicherten die Gefahr, dass eine
Berufserkrankung entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, so hat der
Träger der Unfallversicherung mit allen geeigneten Mitteln dieser Gefahr
entgegenzuwirken…” (§ 3 BKV). Dies verpflichtet die
Unfallversicherungsträger, im Interesse der Versicherten maximal
präventiv tätig zu werden.
Primäre Prävention
Die Primärprävention dient der Gesunderhaltung und
umfasst technische und/oder organisatorische Maßnahmen am Arbeitsplatz,
die zur Beseitigung oder Verminderung von Ursachen führen, die für
die berufsbedingte Hauterkrankung relevant sind.
Es ist gesetzlich vorgegeben, dass technisch-organisatorische
Maßnahmen Vorrang vor persönlichen Schutzmaßnahmen haben.
Dies bedeutet, dass zunächst schädliche Arbeitsstoffe
ersetzt werden sollten. Hierzu zählt z. B. das Verbot des Einsatzes
von Glycerolmonothioglykolat im Friseurhandwerk. Steht kein Ersatzstoff zur
Verfügung, kann der Einsatz von geschlossenen Systemen möglich sein.
Bei Gefahren durch Gase, Dämpfe, Schwebstoffe oder ähnliches sind
Absaugvorrichtungen zu installieren. Erst nach Ausschöpfung dieser
Maßnahmen kommen persönliche Schutzmaßnahmen zum Einsatz, die
die Anwendung geeigneter Schutzhandschuhe sowie Hautschutz- und
Hautpflegepräparate umfasst [51]. Dies ist ein Teil
des Arbeitsschutzes, bei dem der Gesetzgeber dem Arbeitgeber eine
Bereitstellungspflicht und dem Arbeitnehmer eine Anwendungspflicht auferlegt
hat [38].
Hautschutzplan. Innerbetrieblich sollten
zur Umsetzung der persönlichen Schutzmaßnahmen Hautschutzpläne
und die darin empfohlenen Produkte zur Verfügung stehen.
Hautschutzplan
Ein Hautschutzplan umfasst drei Elemente:
-
Hautschutz: Präparat soll vor Arbeitsbeginn
appliziert werden, um die Haut bei hautbelastenden Tätigkeiten zu
schützen
-
Hautreinigung: sollte so mild und so wenig abrasiv wie
möglich erfolgen
-
Hautpflege: soll die Regeneration der epidermalen
Barrierefunktion der Haut fördern
Eine wissenschaftlich fundierte Unterscheidung von Hautschutz-
und Hautpflegepräparaten existiert nicht. Beide Produktgruppen fallen
unter die Kosmetikverordnung und werden damit auf Qualität und
Unbedenklichkeit, aber nicht auf klinische Wirksamkeit geprüft
[52]
Während in verschiedenen Studien kein eindeutiger Nutzen
für die Anwendung von Hautschutzpräparaten gezeigt werden konnte
[53]
[54]
[55], waren in anderen klinischen Untersuchungen nachteilige
Effekte wie die Induktion von Kontaktallergien gegenüber Inhaltsstoffen
der Präparate und die Steigerung der Penetration von Arbeitsstoffen
aufgefallen [56]
[57].
Von Vorteil ist die Anwendung von Hautschutzpräparaten
vor stark verschmutzenden Tätigkeiten, um die Entfernung zu erleichtern
und die Anwendung abrasiver Reinigungsmittel zu reduzieren. Allein durch Ersatz
abrasiver Reinigungsprodukte lässt sich der Hautzustand von
Beschäftigten verbessern [58].
Durch Hautpflegeprodukte ließ sich ebenfalls die
Empfänglichkeit der Haut für Irritantien und Allergene steigern
[59]. Allerdings erwies sich die Anwendung eines
Hautpflegepräparates bei subklinisch geschädigter Haut
[60]
[61] und nach der Arbeit als
vorteilhaft [62].
Gesundheitspädagogik. Im Rahmen der
Primärprävention sind auch gesundheitspädagogische
Maßnahmen sinnvoll, die darauf abzielen, den Arbeitnehmer über
geeignete persönliche Schutzmaßnahmen und deren Anwendung zu
informieren. Neben entsprechenden Berufseingangsberatungen ist hier die
Präventionskampagne Haut 2007 – 2008 in Deutschland zu
erwähnen: Durch die „Deutsche Gesetzliche
Unfallversicherung” und zahlreiche Krankenkassen initiiert, soll die
Bevölkerung unter dem Motto „Gesunde Haut – weniger
Hauterkrankungen” zu Hause und am Arbeitsplatz „zu einem
bewussteren Umgang mit dem größten Organ des Menschen veranlasst
werden” [63].
Sekundäre Prävention
Die sekundäre Prävention zielt darauf ab, initiale
berufsbedingte Hautveränderungen zu erkennen und zu beseitigen um einen
problemlosen Berufsverbleib zu ermöglichen.
Sie umfasst die Früherkennung erster Hautsymptome und
möglicher Ursachen. Dafür ist das Hautarztverfahren von zentraler
Bedeutung. Nach einer zielgerichteten Diagnostik werden alle Möglichkeiten
einer geeigneten Frühintervention genutzt [51].
Hierbei können z. B. konkrete Hautschutzmaßnahmen eingeleitet und
Heilverfahren empfohlen werden. Zur umfassenden Information über die
Optimierung von persönlichen Arbeitsabläufen, über die korrekte
Anwendung von Hautschutz- und Hautpflegemaßnahmen und deren Anwendung im
Arbeitsumfeld sollten die Betroffenen an einer Schulung in einem
Hautschutzzentrum oder an berufsbezogenen Hautschutzseminaren teilnehmen. Damit
kann auch ein individuell verändertes Gesundheitsverständnis erreicht
werden.
Therapeutisch sind ambulante Heilverfahren meist ausreichend, um
Handekzeme zur Abheilung zu bringen. Dazu können allerdings auch
längere Arbeitsunfähigkeitszeiten erforderlich sein. In schweren
Fällen, die ambulant nicht zur Abheilung kommen, kann auch ein
stationäres Heilverfahren möglichst mit der Durchführung
gesundheitspädagogischer Maßnahmen indiziert sein.
Je nach den individuellen Voraussetzungen kann ein
innerbetrieblicher Arbeitsplatzwechsel empfohlen werden, der in Mittel- und
Großbetrieben oft möglich ist. Letzte Maßnahme sollte die
Empfehlung zur Umschulung bleiben, da durch optimierte Maßnahmen ein
Verbleib im Beruf häufig möglich ist.
Tertiäre Prävention
Die tertiäre Prävention zielt auf eine Verbesserung
des Krankheitsbildes bei einer bereits bestehenden Berufsdermatose ab
[51]. Dazu werden ambulante oder auch stationäre
Heilverfahren durchgeführt. An der Universität Osnabrück werden
seit 1994 ca. 3-wöchige stationäre Heilverfahren durchgeführt,
an die sich eine 3-wöchige Arbeitskarenz mit intensiver Bertreuung durch
den niedergelassenen Dermatologen am Heimatort anschließt. Während
des stationären Heilverfahrens werden die Versicherten durch Dermatologen,
Gesundheitspädagogen, Ergotherapeuten und Psychologen betreut. Neben einer
intensiven dermatologischen Therapie, die möglichst ohne
Glukokortikosteroide erfolgt, werden intensive gesundheitspädagogische
Schulungen in Kleingruppenseminaren sowie Einzelberatungen im Hinblick auf
adäquate Hautschutzmaßnahmen durchgeführt. Ausgewählte
Hautschutzmaßnahmen können dann unter gesundheitspädagogischer
und ergotherapeutischer Betreuung in der Anwendung modellhaft trainiert werden.
Bei den bisherigen Evaluierungen zeigte sich, dass bei etwa ⅔ der
Betroffenen, denen konkret die Berufsaufgabe drohte, ein Berufsverbleib erzielt
werden konnte [2]
[7]. Daher wird
seit November 2005 bis voraussichtlich Oktober 2011 eine Multizenterstudie zur
tertiären Individualprävention ([Abb. 6]) mit einer qualitätsgesicherten
Standardisierung des stationären Heilverfahrens auf der Basis des
„Osnabrücker Modells” als kontrollierte prospektive
Kohortenstudie zur Prüfung der Effektivität, der Übertragbarkeit
und der Nachhaltigkeit dieser Intervention bei Berufsdermatosen
durchgeführt. Dafür ist eine Nachverfolgung über insgesamt 3
Jahre vorgesehen, die insbesondere den Arbeitsplatzerhalt, die
Arbeitsplatzzufriedenheit und die Lebensqualität erfasst. Diese
stationären tertiären Präventionsverfahren sind an der
Universität Osnabrück/BG-Klinik Hamburg, der Universität
Heidelberg, der BG-Klinik Falkenstein/Universitäts-Hautklinik Jena und der
BG-Klinik Bad Reichenhall etabliert [7].
Abb. 6 Ablaufschema der
„Tertiären Individualprävention”.
Verlauf von Berufsdermatosen
Die Prognose für beruflich verursachte Hautkrankheiten nach
BK 5101 war vor 1990 sehr ungünstig. Eine Verbesserung des Hautzustands
war nur in 30 – 50 % der Betroffenen zu
verzeichnen. Seitdem hat sich die Situation positiv entwickelt. Durch
adäquate Maßnahmen kommt es mittlerweile bei
78 % – 84 % der Betroffenen zu
einer guten Kontrolle der Hautveränderungen [9]. Von
sozioökonomischer Seite sind die Leistungsfälle, bei denen wegen
einer berufsbedingten Hauterkrankung die berufliche Tätigkeit aufgegeben
werden musste und deshalb Anspruch auf Maßnahmen zur Teilhabe am
Arbeitsleben bestand, kontinuierlich zurückgegangen. 1995 mussten
hierfür noch 105,1 Mio. Euro aufgewandt werden. Bis 2004 haben sich die
Kosten auf 62,5 Mio. Euro reduziert [1]. Die verbesserte
Prognose wird auf die Ausweitung der diagnostischen Möglichkeiten und
Methoden, die genauere Identifikation von Irritantien und Allergenen und auch
deutlich intensivierte Präventionsmaßnahmen zurückgeführt
[9].
Nach Dokumentation einer Berufsdermatose anhand eines
Hautarztberichts wird den Versicherten als sekundäre
Individualprävention zunehmend häufiger die Schulung in einem
Hautschutzzentrum oder die Teilnahme an einem berufsbezogenen Hautschutzseminar
angeboten. Bei Beschäftigten in der Altenpflege zeigte sich im Anschluss
an die Teilnahme an einem Hautschutzseminar nach 3 Monaten eine fortgesetzte
Tätigkeit in der Altenpflege in 96 %. Bei der
Kontrollgruppe, die nicht an einem Hautschutzseminar teilgenommen hatten, waren
82 % weiterhin in der Altenpflege tätig. Nach 5 Jahren waren
noch 60 % der Interventionsgruppe beruflich tätig, wobei die
Berufsaufgabe bei 30 % aufgrund der Hauterkrankung erfolgte. In
der Kontrollgruppe waren etwa 30 % weiterhin berufstätig.
40 % hatten den Beruf aufgrund der Hauterkrankung aufgegeben.
Eine sekundäre Prävention mit Hautschutzschulungen
weist Langzeiteffekte auf, die auf eine Regeneration und Aufrechterhaltung der
Hautbarriere durch entsprechende Interventionen zurückgeführt wird
[37].
Nicht ganz unwesentlich ist bei den Teilnehmern an
Hautschutzseminaren darüber hinaus sowohl der Austausch untereinander wie
auch die Weitergabe der erworbenen Informationen an Kollegen, Freunde und
Familienmitglieder einzuschätzen [64].
Die primären, sekundären und tertiären
Präventionsmaßnahmen führen eindeutig zu klinischen Erfolgen,
die sich in erhöhten Zahlen des Berufsverbleibs und damit auch in einer
Reduktion der Kosten für die berufliche Rehabilitation niederschlagen.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass präventive dermatologische
Interventionen umso aussichtsreicher sind, je früher sie beginnen. Die
Maßnahmen und Leistungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherungen
sind diesbezüglich führend in Europa. Die klinische Erfahrung zeigt,
dass chronische Handekzeme schwierig zu therapieren sind und eine schlechte
Prognose haben [4], was sich bei Nachuntersuchungen von
Patienten mit Handekzemen unterschiedlicher Genese mittels schriftlicher
Befragung nach 5 Jahren [65] und 15 Jahren
[66] bestätigte. Daher sollte bei Möglichkeit
einer berufsbedingten Hauterkrankung eine Meldung mittels Hautarztbericht
möglichst frühzeitig an den Unfallversicherungsträger erfolgen,
um schnell erforderliche Maßnahmen einleiten und damit den Betroffenen
Gesundheit und Arbeitsplatz erhalten zu können [63].