Dialyse aktuell 2008; 12(3): 176-179
DOI: 10.1055/s-2008-1079299
Interview

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Transplantationsnachsorge - Die Compliance nach Nierentransplantation fördern

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
05. Juni 2008 (online)

 
Inhaltsübersicht

    Viele Dialysepatienten müssen sehr lange auf ein Spenderorgan warten. Haben sie dann endlich eine Niere bekommen gilt es, das transplantierte Organ optimal vor einer Abstoßung zu schützen. Der Patient kann mit seiner Therapietreue einen wesentlichen Beitrag dazu leisten - ein Verhalten, das unter dem Begriff Compliance bzw. Adhärenz zusammengefasst wird. In der Praxis gibt es gerade in diesem Punkt jedoch immer wieder Probleme. Wir sprachen mit Dr. Eberhard Flicker, niedergelassener Nephrologe in Moers, über seine Erfahrungen in der Transplantationsnachsorge.

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    Eberhard Flicker

    ? Im Rahmen der Transplantationsnachsorge tragen Sie als Arzt Mitverantwortung für die Compliance Ihrer Patienten. Warum ist gerade bei Transplantierten die Compliance so wichtig?

    Dr. Eberhard Flicker: Die Compliance ist deswegen so wichtig, weil vor allem die immunsuppressiven Medikamente für die dauerhafte Funktionsweise des Transplantats von entscheidender Bedeutung sind. Man geht davon aus, dass ein Teil der Transplantate die Funktion verliert, weil der Patient die Einnahmevorschriften für die Immunsuppressiva nicht einhält. Daneben ist aber auch die gesicherte Einnahme anderer Medikamente unbedingt notwendig, die Begleiterkrankungen behandeln, etwa die Hochdruckpräparate, häufig auch Antibiotika, Antimykotika und unter Umständen auch Virustatika. Eine mangelnde Therapietreue kann nachteilige Folgen für das Transplantat oder die langfristige Lebenserwartung des Patienten haben.

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    ? Welche Faktoren beeinflussen die Compliance?

    Flicker: Wichtig ist, dass der Patient umfassend Bescheid weiß. Alle Stadien der Transplantation - angefangen vom operativen Eingriff über die Nachkontrollen bis hin zu Langzeitverläufen - sollten mit dem Patienten schon im Vorfeld besprochen werden. Dies schließt auch Informationen über die verschiedenen Medikamente samt der Einnahmevorschriften ein. Ein zweiter wichtiger Faktor ist die Bereitschaft des Patienten, das Therapieregime einzuhalten und mitzumachen - er muss es wollen. Diese Motivation muss man von ärztlicher Seite stärken. Der dritte Punkt sind organisatorische und institutionelle Voraussetzungen. Wenn ein Patient zur Nachsorge in ein Transplantationszentrum kommt, stehen regelmäßige Fahrten dorthin an. Das kann teilweise schon schwierig werden, etwa wenn eine Teilnahme am öffentlichen Nahverkehr nicht möglich ist oder die Krankenkasse die Taxifahrten nicht genehmigt. Dann braucht der Transplantierte ein familiäres Umfeld, das ihn unterstützt.

    Kurz gesagt, der Patient muss von der Bedeutung der ganzen Sache überzeugt sein, er muss an die Wirksamkeit der Therapie glauben, er muss mit den medizinischen Maßnahmen zufrieden sein und er muss vom sozialen Umfeld unterstützt werden.

    ? Gibt es bestimmte Patientengruppen, die besonders gefährdet sind, sich non-compliant zu verhalten?

    Flicker: Eine wichtige Voraussetzung ist in jedem Fall die Kommunikationsfähigkeit. Der Patient muss in der Lage sein, die Zusammenhänge zu verstehen, auch intellektuell. Das hängt nicht unbedingt mit einem hohen Bildungsabschluss zusammen, wichtig ist die sprachliche Verständigung. Der Transplantierte muss einfach in der Lage sein, sich über wichtige Dinge unterhalten zu können.

    Zu den "Problempatienten" zählen eigentlich aber auch solche, die einen sehr hohen Intellekt haben und die in der Nachsorge geneigt sind, eigene Entscheidungen zu treffen. Insbesondere das eigenständige Absetzen von Medikamenten ist problematisch. In dieser Hinsicht gefährdet sind auch jugendliche bzw. junge Transplantierte.

    ? Können Sie einschätzen, wie viele Ihrer Patienten die Einnahmepläne korrekt einhalten?

    Flicker: Das ist nicht ganz so einfach zu beantworten, denn in der Regel teilt der Patient es einem ja nicht mit, wenn er sich non-compliant verhält. Aber man kennt die Patienten im Bereich der Nephrologie relativ gut, weil sie in der Regel vorher in der Dialysebehandlung waren. Daher kann man die Persönlichkeit des Patienten und sein Compliance-Verhalten ganz gut einschätzen. Ich denke, es sind so um die 20%, die nach der Transplantation Schwierigkeiten haben, die Medikamentenpläne korrekt umzusetzen und bei denen es dann zu deutlichen Spiegelschwankungen der Immunsuppressiva kommen kann.

    ? Wie sprechen Sie Ihre Patienten auf Non-Compliance an?

    Flicker: Das kommt ganz darauf an. Hat man einen Patienten, der Nachsorgetermine zwar korrekt einhält, aber vielleicht nicht gewillt ist, bei der Medikation Folge zu leisten, dann muss man genau diesen Punkt herausarbeiten und den Patient auf dieses Problem hin ansprechen. Ich mache das in der Regel auf indirekte Weise, indem ich frage, ob es Probleme mit der Einnahme oder dem Verständnis für bestimmte Medikamente gibt, ob der Patient sich sicher ist, dass er sie richtig eingenommen hat. Der Patient hat so die Möglichkeit, erst einmal von sich aus zu erzählen, wie er die Situation empfindet. In den seltensten Fällen bekomme ich die Rückmeldung "das Medikament hab ich vergessen", aber man erhält einen Hinweis auf Einnahmeprobleme, beispielsweise wenn der Patient Medikamente nicht benennen kann.

    Das Ganze sollte aber ohne moralische Stigmatisierung erfolgen. Es bringt nichts zu sagen "Du hast ein Transplantat und jetzt auch die Pflicht alles mitzumachen". Ich versuche eher nach spezifischen Problemen zu fragen. Nur so können Sie den Patienten auf Dauer in einem therapeutischen Verhältnis halten. Wenn Sie ihm schwere Vorhaltungen machen, wird es schwierig, ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis zu bewahren.

    ? Wie gehen Sie konkret vor, wenn Hinweise auf Non-Compliance vorliegen?

    Flicker: Man muss mehrere Dinge versuchen und überlegen, wo die Gründe liegen. Ich ziehe den Patienten nicht in ein grundsätzliches Gespräch über Therapietreue, weil sich daraus leicht eine Konfrontation entwickeln kann. Ich versuche, an den "Schwachstellen" zu arbeiten. Wenn ich beispielsweise erkenne, dass der Patient seine Nachsorgeuntersuchungen nicht einhält oder eine schlechte Selbstbeobachtung hat, werde ich darauf drängen, dass er regelmäßig seinen Blutdruck protokolliert, Gewichtskontrollen vornimmt und die Dokumentation dieser Selbstbeobachtungsdaten vorlegt. Ich werde ihn immer wieder darauf ansprechen. Wenn der Patient Probleme mit der Medikation hat, weil Nebenwirkungen auftreten, muss man natürlich ausführlich darüber reden und gegebenenfalls Medikamente umstellen.

    ? Häufig sind Patienten mit den Einnahmeregimes und der Menge an Medikamenten überfordert. Gibt es Maßnahmen, um die Therapie zu vereinfachen?

    Flicker: Je weniger Tabletten ein Patient einnehmen muss, desto wahrscheinlicher ist eine Medikamenten-Compliance zu erwarten. Ein Patient bekommt nach einer Transplantation im Schnitt mindestens zwei bis drei Immunsuppressiva, liegt ein Hochdruck vor können drei Antihypertensiva dazukommen, vielleicht muss ein Diabetes behandelt werden, vielleicht ist zudem eine Infektionsprophylaxe angezeigt. So kann leicht eine Palette von zehn bis zwölf unterschiedlichen Medikamenten zusammenkommen. Daher ist es zum einen besonders wichtig, den Medikamentenplan mit dem Patienten einzeln durchzugehen - die Dosierung, die Einnahmenotwendigkeit, den Hintergrund für das jeweilige Präparat zu erläutern - und möglichst auf Präparate mit Einmalgabe umzustellen. Für Hochdruckmedikamente ist dies häufig möglich. Für Standardimmunsuppressiva wie Calcinurininhibitoren und Mycophenolat ist aktuell eine zweimalige Einnahme täglich erforderlich. Hier könnten Präparate wie Advagraf® evtl. zu einer Vereinfachung führen.

    ! Vielen Dank für das Gespräch Herr Dr. Flicker.

    Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Astellas Pharma GmbH, München

     
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    Eberhard Flicker

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