Bei Hämodialysepatienten treten zusätzlich zum terminalen Nierenversagen immer häufiger Begleiterkrankungen wie Dyslipidämien, Mangelernährung, Anämie, Bluthochdruck sowie insbesondere kardiovaskuläre Erkrankungen auf. Das nephrologische Team ist mit einer stetig zunehmenden Anzahl von multimorbiden und zugleich immer älter werdenden Patienten konfrontiert. Die Behandlung von Nebenwirkungen und Komplikationen, die im Verlauf der Dialysebehandlung auftreten können, nimmt daher in der täglichen Routine immer mehr Raum ein.
Einer der Schlüssel zur Verbesserung der medizinischen Prognose liegt in der Kenntnis und Therapie der kardiovaskulären Erkrankungen. Die Überwässerung ist ein weit verbreitetes Problem von Dialysepatienten und darüber hinaus ein wichtiger kardiovaskulärer Risikofaktor. Sowohl eine verbesserte Blutdruckeinstellung als auch eine genaue Flüssigkeitsbilanzierung haben das Potenzial, die linksventrikuläre Hypertrophie zu reduzieren und somit die Lebenserwartung der Patienten zu verlängern [2].
Die Bestimmung des Trockengewichts ist eine Herausforderung
Die Bestimmung des Trockengewichts ist eine Herausforderung
Sowohl Anwender als auch Hersteller von Dialysegeräten konnten auf dem Gebiet der Hämodialyse inzwischen reichlich Erfahrung sammeln. Ärzte und das Pflegeteam können heutzutage Dialysebehandlungen mithilfe modernster Technologien hervorragend steuern und dokumentieren. Sollte sich die Zahl der Komplikationen während der Behandlung daher nicht reduzieren und sollte daraus nicht ein Gewinn an Lebensqualität für den Patienten resultieren? Doch die Zahl der Begleiterkrankungen ist nicht rückläufig. Die Ursache hierfür könnte bei vielen Patienten vor der Dialysebehandlung liegen: Möglicherweise ist das Trockengewicht nicht präzise genug bestimmt worden.
Es ist heute immer noch schwierig, bei Dialysepatienten eine ausgeglichene Flüssigkeitsbilanz einzustellen, besonders wenn weitere Zusatzerkrankungen vorliegen. Die Möglichkeiten, den Flüssigkeitsstatus eines Patienten anhand subjektiver Parameter zu beurteilen, sind herausfordernd, zeitaufwendig, fehlerbehaftet und oftmals die Einschätzung eines "Einzelnen".
Der BCM ("Body Composition Monitor") ist ein Analysesystem, mit dessen Hilfe auf einfache und objektive Weise der individuelle Flüssigkeitsstatus sowie die Anteile der verschiedenen Gewebetypen (Muskel- und Fettgewebe) jedes Patienten bestimmt werden können. Der BCM liefert präzise Daten zu den folgenden klinisch relevanten Parametern:
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individuelle Überwässerung von Dialysepatienten
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Körperzusammensetzung zur Bewertung des Ernährungsstatus
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Harnstoffsverteilungsvolumen "V" zur K x t/V-Bestimmung mittels OCM® ("Online Clearance Monitor").
Grundlagen der Technologie zur Bestimmung des Flüssigkeitsstatuts
Grundlagen der Technologie zur Bestimmung des Flüssigkeitsstatuts
Das Analysesystem arbeitet mit der sogenannten Bioimpedanz-Spektroskopie und misst die elektrische Leitfähigkeit des Körpergewebes. Vereinfacht ausgedrückt leitet der menschliche Körper elektrischen Strom umso besser, je mehr Wasser er enthält.
Insgesamt werden bei jeder Messung 50 Frequenzen in einem Bereich von 5-1 000 kHz verwendet, um die elektrischen Widerstandswerte des Gesamtkörperwassers und des Extrazellulärwassers zu bestimmen. Hochfrequente Messströme haben die Eigenschaft, direkt durch das Gesamtkörperwasser zu fließen. Niederfrequente Messströme hingegen können die Zellmembran nicht durchdringen und fließen somit nur durch das Extrazellulärwasser.
Die klinisch relevanten Parameter werden über zwei innovative und validierte physiologische Modelle berechnet (Abb. [1]).
Abb. 1 Der BCM berechnet die Überwässerung und die Körperzusammensetzung aus zwei psychologischen Modellen
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Das Volumenmodell, welches die Leitfähigkeitsverhältnisse in einer Zellsuspension darstellt, dient zur Berechnung des Gesamtkörperwassers (TBW), des Extrazellulärwassers (ECW) und des Intrazellulärwassers (ICW) [3].
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Das "Body Composition Modell" beschreibt den intra- und extrazellulären Wassergehalt der Muskelmasse (LTM), der Körperfettmasse (ATM) sowie die Überwässerung (OH). LTM, ATM und OH ergeben sich aus dem gemessenen Körpergewicht und der Größe sowie aus dem mittels Bioimpedanz-Spektroskopie ermittelten intrazellulären und extrazellulären Wasser [1].
Anwendung und Handhabung
Anwendung und Handhabung
Die Messung sollte grundsätzlich vor der Dialysebehandlung durchgeführt werden (Abb. [2]). Patienten, die sich in einer stabilen Situation befinden, können zur Langzeitüberwachung einmal pro Monat gemessen werden. Bei instabilen Patienten sowie bei Patienten mit akutem Nierenversagen sollte zur Klärung der Situation einmal pro Woche beziehungsweise auch häufiger gemessen werden.
Abb. 2 Die Anwendung des BCM in der klinischen Praxis ist vergleichbar mit einem EKG-Gerät
Hierzu werden je zwei Einmalelektroden auf den Handrücken und auf dem Fußrücken des Patienten aufgeklebt. Über das Patientenkabel wird der Patient mit dem Analysesystem verbunden. Innerhalb von zwei Minuten sind die Ergebnisse auf dem Display ablesbar und automatisch auf der Patientenkarte gespeichert. Die individuellen Patientendaten können zur Dokumentation und besseren grafischen Darstellung in eine Software ("Fluid Management Tool") übertragen werden.
Mithilfe der Software ist es möglich, die einzelnen Messungen darzustellen und einen schnellen Überblick über den Flüssigkeits- und den Ernährungsstatus des Patienten zu bekommen (Abb. [3]). Zusätzlich wird der Blutdruck angezeigt, um Zusammenhänge zwischen Überwässerung und Blutdruck über einen längeren Zeitraum besser verfolgen zu können.
Abb. 3 Veränderungen der Körperfettmasse, Muskelmasse und Überwässerung
Die Überwässerungsreferenz-Grafik des "Fluid Management Tools" zeigt den Zusammenhang zwischen Überwässerung und systolischem Blutdruck (Abb. [4]). Der einfachste Weg, abnormale Situationen zu erkennen, ist ein direkter Vergleich von Patientendaten mit einer Referenzpopulation. Hierdurch können Patienten im Hinblick auf Blutdruck und Überwässerung vier Quadranten zugeordnet werden, die teilweise unterschiedliche Therapieansätze erfordern.
Abb. 4 Die Bereiche I–IV repräsentieren die unterschiedlichen Beziehungen zwischen Blutdruck und Flüssigkeitsstatus
Fallbeispiel aus der täglichen Praxis
Fallbeispiel aus der täglichen Praxis
Im Quadrant IV der Grafik ist zu erkennen, wie sich die Werte unseres 74-jährigen männlichen Dialysepatienten mit Herzproblemen im Laufe eines Jahres entwickelt haben (Abb. [5]).
Abb. 5 Fallbeispiel: Patient mit Herzproblemen
Zu Beginn wurde mithilfe des BCM eine extreme Überwässerung bei gleichzeitig sehr niedrigem Blutdruck diagnostiziert. Zwölf Monate später lagen alle Messwerte in dem für Dialysepatienten als normal geltenden Bereich "Dx". Durch eine individuell erstellte Behandlungsstrategie wurde der Behandlungserfolg bei der letzten Messung deutlich sichtbar. Der Blutdruck, stellte sich bei 120 mmHg systolisch ein und die Überwässerung ist mit 0,6 Liter im Bereich der gesunden Referenzpopulation. Somit konnte nicht nur die befürchtete akute Gefahr eines Herzversagens gebannt werden, sondern der Patient hat dadurch auch eine eindeutige Steigerung der Lebensqualität erfahren.
Fazit
Fazit
Der "Body Composition Monitor" ist im Dialysealltag eine große Hilfe im Bezug auf die Gesamtbeurteilung der Patienten. Die schnell und einfach durchzuführenden Messungen helfen dabei, wichtige Informationen bezüglich des "Wasserstandes" zu gewinnen, welche für die Festlegung der weiteren Dialysebehandlungen nötig sind. Nicht selten getroffene "Fehleinschätzungen" können anhand der Messergebnisse revidiert und korrigiert werden.
Darüber hinaus sind die gewonnen Informationen über den Ernährungszustand der Patienten weitere wichtige Ansatzpunkte, um die Gesamtsituation der Patienten zu verbessern. Als sehr hilfreich hat sich die übersichtliche grafische Darstellung des "Fluid Managment Tools" erwiesen. Durch sie ist es möglich, die Patientenentwicklung im Beobachtungszeitraum transparenter zu gestalten. Gemeinsam ist es dann möglich, mit den Patienten und dem gesamten Behandlungsteam weitere Schritte zur Verbesserung der Dialysetherapie zu besprechen und einzuleiten. Das Analysesystem ist nach meiner Einschätzung und Erfahrung ein weiterer Baustein in der effektiven Dialysebehandlung unserer Patienten und unterstützt uns dabei, die Patienten noch kompetenter zu behandeln und deren Lebensqualität weiter zu steigern. Weitere Informationen zu dem System finden Sie unter www.bcm-fresenius.com.
Erich Stapf, Caritas Krankenhaus, Bad Mergentheim
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care Deutschland GmbH, Bad Homburg