Auszüge der für die ärztliche Praxis relevanten Empfehlungen der neuen "Fibromyalgie-Leitlinie"
werden im Folgenden dargestellt. Die Kurz- und Langversion der Leitlinie AWMF Registernummer
041/004 ist im Internet (
www.leitlinien.net
) eingestellt.
Das FMS ist unter die funktionellen somatischen Syndrome der Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems
und des Bindegewebes (ICD 10 M 79.7) zu klassifizieren. Komorbiditäten mit anderen
funktionellen somatischen Syndromen und psychischen Störungen (somatoforme und affektive
Störungen) sind häufig, jedoch nicht obligat. Physischer und psychischer Stress am
Arbeitsplatz, vermehrte Depressivität und operante Lernprozesse sind Risikofaktoren
für die Manifestation eines FMS. Die klinische Diagnose eines FMS kann sowohl durch
Tender Point Überprüfung als auch symptombasiert erfolgen. Eine psychosoziale Exploration
im Rahmen der Erstdiagnose wird empfohlen. Ein abgestuftes Behandlungskonzept des
FMS wird empfohlen. Innerhalb einer den Patienten einbeziehenden Entscheidungsfindung
über Therapieoptionen ist die Therapie psychischer Komorbidität sowie kognitive/operante
Verhaltenstherapie eine Option der ersten Behandlungsstufe. Die multimodale Therapie
mit obligatem Einschluss eines psychotherapeutischen Verfahrens ist die Empfehlung
der Wahl der zweiten Behandlungsstufe. Der befristete Einsatz weiterer psychotherapeutischer
Verfahren (Hypnotherapie, therapeutisches Schreiben) ist eine Option der dritten Behandlungsstufe.
Hintergrund
Hintergrund
Aufgrund der Kontroversen um die Klassifikation, Ätiologie und Therapie des Fibromyalgiesyndroms
(FMS) zwischen den medizinischen Fachgesellschaften und zwischen Behandlern und Patienten
entschloss sich die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Schmerztherapie DIVS
(www.divs.info) als Dachverband wissenschaftlicher Fachgesellschaften, eine interdisziplinäre Leitlinie
auf S3-Niveau (systematische Literaturrecherche, strukturierte Konsensusfindung, formale
Logik- und Ergebnisanalyse) unter gleichberechtigter Beteiligung von FMS-Patientenselbsthilfeorganistionen
(Deutsche Rheuma-Liga, Deutsche Fibromyalgievereinigung) zu erstellen. Diese interdisziplinäre
Leitlinie ersetzt die bisherigen expertenbasierten Leitlinien (Entwicklungsstufe S1)
der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)
und der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC).
Unter den zehn beteiligten wissenschaftlichen Fachgesellschaften befanden sich die
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN),
die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und ärztliche Psychotherapie
(DGPM) und das Deutsche Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM), die Deutsche
Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), die Deutsche Gesellschaft
für Rheumatologie (DGRh), die Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS)
und die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC).
Methodik
Methodik
Der vollständige Methodenreport ist im Internet (www.leitlinien.net) einsehbar. Auf der Basis der Evidenzgrade 1-5 (Nachweisstärke der Effektivität)
von klinischen Studien zur Diagnostik und Therapie des FMS entsprechend der Klassifikation
des Center of Evidence based Medicine, Oxford, und nach einem mehrstufigen Konsensusverfahren
der Leitliniengruppe erfolgte die Festlegung der Empfehlungsgrade A, B oder 0.
Die Empfehlungsgrade A, B, 0 bedeuten:
A Starke Empfehlung
B Empfehlung
0 Empfehlung offen
Die Empfehlungen der Leitlinie mit den zugehörigen Evidenzgraden als auch die Stärke
des Konsensus in der Leitliniengruppe sind im Folgenden aufgeführt.
Definition
Definition
Zur Definition chronischer Schmerzen in mehreren Körperregionen (chronic widespread
pain CWP) werden international die Kriterien des US-amerikanischen Kollegiums für
Rheumatologie verwendet: > 3 Monate bestehender Schmerz in:
-
Achsenskelett (Halswirbelsäule oder vorderer Brustkorb oder Brustwirbelsäule oder
Lendenwirbelsäule) und
-
rechte Körperhälfte und linke Körperhälfte und
-
oberhalb der Taille und unterhalb der Taille
Die anamnestischen Angaben eines CWP und der klinische Befund einer schmerzhaften
Palpation von mindestens 11/18 Tenderpoints definieren das Fibromyalgiesyndrom FMS
nach ACR-Kriterien. Evidenzgrad 2b
Biopsychosoziales Modell
Biopsychosoziales Modell
Ein biopsychosoziales Modell bezüglich Prädisposition, Auslösung und Chronifizierung
des FMS wird postuliert. Physikalische und/oder biologische und/oder psychosoziale
Stressoren lösen bei einer entsprechenden genetischen und lerngeschichtlichen Prädispositionen
vegetative, endokrine und zentralnervöse Reaktionen aus, aus denen die Symptome des
FMS wie Schmerz, Fatigue, Schlafstörungen, vegetative und psychische Symptome resultieren.
Es besteht eine Heterogenität in den genetischen und lerngeschichtlichen Prädispositionen
sowie in den vegetativen, endokrinen und zentralnervösen Reaktionen.
Klassifikation
Klassifikation
Das FMS ist als funktionelles somatisches Syndrom klassifiziert. Evidenzgrad 5 Funktionelle
somatische Syndrome werden durch einen typischen klinischen Komplex körperlicher Symptome,
eine definierte Zeitdauer und durch das Fehlen einer die Symptome ursächlich erklärenden
medizinischen Krankheitsfaktor (z. B. strukturelle Gewebsschädigung, biochemische
Störung, spezifische Laborbefunde) definiert. Die einzelnen medizinischen Fachgebiete
definieren funktionelle somatische Syndrome jeweils an Hand von ihrem Fachgebiet zugeordneten
Symptome und berücksichtigten bei der Definition nicht zusätzliche, anderen Fachgebieten
zugeordnete körperliche und seelische Beschwerden. So ist die "Fibromyalgie" in der
Internationalen Klassifikation der Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation, German
Modification, im Kapitel Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes
in dem Unterkapitel "Sonstige Krankheiten des Weichteilgewebes, anderenorts nicht
klassifiziert (M 79.7), aufgeführt.
Epidemiologie
Epidemiologie
Prävalenz FMS In westlichen Industrienationen beträgt die Prävalenz des FMS (nach den ACR-Kriterien)
bei Erwachsenen in der allgemeinen Bevölkerung 1-2%. Das Verhältnis von Frauen zu
Männern beträgt 4-6:1. Evidenzgrad 2a
Verlauf Die Beschwerden und Beeinträchtigungen persistieren bei den meisten Patienten mit
FMS im Langzeitverlauf. Ein Teil der Patienten gibt im Langzeitverlauf eine bessere
Adaptation an die Beschwerden an. Evidenzgrad 2b
Ätiologie
Ätiologie
Familiäre Häufung: Das FMS tritt gehäuft in Familien auf. Evidenzgrad 2c.
Zu welchem Anteil genetische und zu welchen Anteilen psychologische Faktoren die familiäre
Häufung bedingen, ist nicht geklärt.
Physische und psychische Stressoren am Arbeitsplatz: Physische und psychische Stressoren
am Arbeitsplatz sind Risikofaktoren für die Entwicklung eines FMS Evidenzgrad 2b.
Affektive Störungen: Affektive Störungen sind Risikofaktoren für die Entwicklung und
Aufrechterhaltung eines FMS. Evidenzgrad 2b.
Operante Lernmechanismen: Operante Lernmechanismen und Sensitivierung sind Risikofaktoren
für die Chronifizierung eines FMS. Evidenzgrad 2b.
Biographische Belastungsfaktoren: Die ätiologische Bedeutung von biographischen Belastungsfaktoren
für das FMS ist nicht gesichert. Evidenzgrad 2b.
Das FMS ist eine Endstrecke verschiedener ätiopathogenetischer Faktoren und pathophysiologischer
Mechanismen. Evidenzgrad 5
Pathophysiologie
Pathophysiologie
Verschiedene Faktoren sind mit der Pathophysiologie des FMS assoziiert, ohne dass
die Ursache-Wirkungs-Relation geklärt ist. Dazu gehören Störungen der zentralen Schmerzverarbeitung,
eine Hyporeaktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse, eine Störung des
Wachstumshormon-Systems, erhöhte systemische pro-inflammatorische und verminderte
anti-inflammatorische systemische Zytokinprofile, Veränderungen des dopaminergen und
serotonergen Systems. Evidenzgrad 2c.
Diagnose
Diagnose
Auf Grund der Kontroversen um die Sinnhaftigkeit und Praktikabilität der Tender Point
- Überprüfung in der primärärztlichen Versorgung kam es zu dem Kompromiss in der Leitliniengruppe,
im klinischen Kontext eine Diagnose nach den ACR-Kriterien (mit Tenderpointüberprüfung)
als auch rein symptombasiert als gleichwertig zu erachten.
Diagnose
-
Die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms als Grundlage für therapeutische Entscheidungen
kann nach symptombasierten Kriterien (chronische Schmerzen in mehreren Körperregionen
und Steifigkeits- und Schwellungsgefühl der Hände oder Füße oder des Gesichtes und
Müdigkeit oder Schlafstörungen) erfolgen.
-
Fakultativ kann die Druckschmerzempfindlichkeit nach ACR-Kriterien überprüft werden.
Der Nachweis von mindestens 11 von 18 bei Palpation druckschmerzhaften Tenderpoints
ist für die klinische Diagnose eines FMS nicht notwendig.
-
Vermehrte Druckschmerzempfindlichkeit an anderen Stellen des Bewegungsapparates (so
genannte Kontrollpunkte) schließt die Diagnose eines FMS nicht aus.
Evidenzgrad 5, Empfehlungsgrad offen, starker Konsens
Schmerzskizze und Ganzkörperstatus
Zur Diagnosestellung des FMS werden die Verwendung einer Schmerzskizze, in welche
der Patient alle Schmerzorte einträgt und eine vollständige körperliche Untersuchung
empfohlen.
Evidenzgrad 5, Empfehlungsgrad offen, starker Konsens
Technische Untersuchungen
Es wird empfohlen, folgende Labor-Untersuchungen durchzuführen:
-
Blutsenkungsgeschwindigkeit, C-reaktives Protein, kleines Blutbild (z. B. Polymyalgia
rheumatica, rheumatoide Arthritis)
-
Kreatininkinase (z. B. Muskelerkrankungen )
-
Kalzium (z. B. Hyperkalziämie)
-
Thyreoidea-stimulierendes Hormon basal (z. B. Hypothyreose)
-
Ohne klinische Hinweise ist eine routinemäßige Untersuchung auf mit entzündlich-rheumatischen
Erkrankungen assoziierten Autoantikörpern nicht sinnvoll.
-
Weiterführende apparative Diagnostik: Bei typischem Beschwerdekomplex und fehlendem
klinischen Hinweis auf internistische, orthopädische oder neurologische Erkrankungen
(Anamnese und klinische Untersuchung ohne Hinweis auf andere Erkrankungen als Ursachen
von Schmerzen und Müdigkeit, unauffälliges Basislabor) wird empfohlen, keine weitere
technische Diagnostik (weiterführendes Labor, Neurophysiologie, Bildgebung) durchzuführen.
Evidenzgrad 5, Empfehlungsgrad offen, starker Konsens
Psychosoziale Ananmnese
Nach Diagnose eines FMS wird eine Exploration der Beinträchtigungen in Alltagsfunktionen,
subjektiver Krankheitsattributionen, aktueller psychosozialer Stressoren, biographischer
Belastungsfaktoren und aktueller sowie früherer psychischer Störungen und psychiatrisch-psychotherapeutischer
Behandlungen empfohlen.
Evidenzgrad 5, Empfehlungsgrad offen, starker Konsens
Abgestuftes Therapiekonzept
Abgestuftes Therapiekonzept
Die Behandlung wird in einem abgestuften Konzept in Abhängigkeit von Beeinträchtigungen
in Alltagsfunktionen und vom Ansprechen auf Therapiemaßnahmen dargestellt.
Die Effektivität eines abgestuften Behandlungskonzeptes ist nicht durch kontrollierte
Studien belegt und beruht auf dem Konsens der Leitliniengruppe. Die stärkere Gewichtung
nicht-pharmakologischer Therapieverfahren wurde damit begründet, dass anhaltende positive
Effekte (Symptomreduktion, Verbesserung Funktionsfähigkeit) durch aerobes Ausdauertraining,
kognitive und operante Verhaltenstherapie sowie multimodale Therapie, nicht jedoch
durch Medikamente oder physikalische bzw. komplementäre Verfahren, gesichert sind.
Da es sich bei dem FMS um ein chronisches Krankheitsbild handelt, sind die Prinzipien
der psychosomatischen Grundversorgung und der informierten bzw. partizipativen Entscheidungsfindung
bzgl. der Therapieoptionen sowie des dauerhaften Selbstmanagements der Betroffenen
zu berücksichtigen.
Basistherapie
Es wird empfohlen, dass bei Patienten mit relevanten Beeinträchtigungen von Alltagsfunktionen
bei Diagnosestellung im Rahmen eines mehrere Therapieoptionen umfassenden Behandlungskonzeptes
folgende ambulante Behandlungen angeboten und/oder veranlasst werden:
-
Patientenschulungsprogramm, kognitiv-verhaltenstherapeutische und operante Schmerztherapie.
Evidenzgrad 1a, Empfehlungsgrad A, starker Konsens
-
An individuelles Leistungsvermögen angepasstes aerobes Ausdauertraining. Evidenzgrad
1a, Empfehlungsgrad A, starker Konsens
-
Antidepressivum: Amitriptylin 25-50 mg/. Evidenzgrad 1a, Empfehlungsgrad A, starker
Konsens
-
Diagnostik und Behandlung komorbider körperlicher Erkrankungen und seelischer Störungen.
Evidenzgrad 5, Empfehlungsgrad offen, starker Konsens
Evaluation Wirksamkeit
Eine kontinuierliche Überprüfung der Verträglichkeit und Wirksamkeit der eingeleiteten
Therapien durch die jeweiligen Behandler wird empfohlen. Eine Überprüfung der Therapieeffekte
wird am Ende der Therapie sowie nach 6 und 12 Monaten empfohlen. Im Falle einer unzureichenden
Wirksamkeit der Behandlung ist ein erneutes Assessment (Überprüfung der Diagnose FMS
sowie Vorliegen weiterer somatischer und psychischer Komorbiditäten) sinnvoll. Evidenzgrad
5, Empfehlungsgrad offen, starker Konsens
Weiterführende Behandlung
Es wird empfohlen, dass bei Patienten mit relevanten Beeinträchtigungen von Alltagsfunktionen
nach 6-monatiger Basistherapie unter Berücksichtigung der definierten Indikationen
und Kontraindikationen eine multimodale Therapie (obligat eine auf einander abgestimmte
medizinische Trainingstherapie oder andere Formen der aktivierenden Bewegungstherapie
in Kombination mit psychotherapeutischen Verfahren) angeboten wird. Evidenzgrad 1a,
Empfehlungsgrad A, starker Konsens.
Es wird empfohlen, eine multimodale Therapie ambulant durchzuführen. Wenn ambulante
Maßnahmen nicht ausreichend bzw. nicht möglich sind, wird eine (teil-)stationäre multimodale
Therapie empfohlen. Evidenzgrad 5, Empfehlungsgrad C, starker Konsens.
Langzeitbetreuung
Es wird empfohlen, bei Patienten mit anhaltenden relevanten Beeinträchtigungen von
Alltagsfunktionen 6 Monate nach Ende einer (teil-)stationären multimodalen Therapie
die im Folgenden genannten Behandlungsoptionen zu überprüfen. Bei einer Langzeitbetreuung
nach den Prinzipien der psychosomatischen Grundversorgung sind Selbstverantwortung
und Eigenaktivität der Betroffenen zu stärken. Es wird empfohlen, mit den Patienten
ein individualisiertes Behandlungsprogramm durch partizipative Entscheidungsfindung
zu erstelle. Evidenzgrad 5, Empfehlungsgrad C, starker Konsens.
Folgende Behandlungsoptionen können mit dem Patienten erwogen werden:
-
Keine weitere spezifische Behandlung. Evidenzgrad 5, Empfehlungsgrad offen, starker
Konsens
-
Selbstmanagement: Aerobes Ausdauertraining, Funktionstraining, Entspannung, Stressbewältigung.
Evi-denzgrad 5, Empfehlungsgrad offen, starker Konsens
-
Ambulante Fortführung multimodaler Therapien. Evidenzgrad 5, Empfehlungsgrad offen,
starker Konsens
-
Multimodale Intervall- bzw. Boostertherapie. Evidenzgrad 5, Empfehlungsgrad offen,
starker Konsens
-
Zeitlich befristet: Fluoxetin 20-40 mg/d bzw. Paroxetin 20-40 mg/d (Evidenzgrad 2b,
Empfehlungsgrad B, starker Konsens) oder Duloxetin 60-120 mg/d (Evidenzgrad 2b, Empfehlungsgrad
B, Konsens) oder Tramadol/Paracetamol bis zu 150 mg/1300 mg/d (Evidenzgrad 2b, Empfehlungsgrad
offen, starker Konsens) oder Pregabalin 450 mg/d Evidenzgrad 2b, Empfehlungsgrad offen,
starker Konsens.
-
Zeitlich befristet: Physikalische Therapieverfahren (Balneo- und Spatherapie bzw.
Ganzkörperwärmetherapie. Evidenzgrade 2b, Empfehlungsgrad B, starker Konsens
-
Zeitlich befristet: Komplementäre Therapieverfahren (Homöopathie bzw. vegetarische
Kost) Evidenzgrad 2b, Empfehlungsgrad offen, Konsens
Einweisung in ein Krankenhaus durch Hausarzt/Facharzt
In folgenden Situationen wird die Einweisung in ein Krankenhaus empfohlen:
Die Indikation für eine stationäre Behandlung ist vom Krankenhausarzt an Hand von
Aufnahmeindikationslisten medizinischer Fachgesellschaften wie z. B. der Aufnahmeindikationsliste
(AIL) der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes nachzuweisen. Evidenzgrad
5, Empfehlungsgrad C, starker Konsens.
Veranlassung einer (teil-) stationären Rehabilitationsmaßnahme
Die Veranlassung einer (teil-) stationären Rehabilitationsmaßnahme wird unter Berücksichtigung
der Kriterien der International Classification of Functioning ICF empfohlen bei
-
Gefährdung der Teilhabe am Erwerbsleben
-
Gefährdung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder der Fähigkeit zur Selbstversorgung
-
Nicht vorhandenen bzw. nicht ausreichend wirksamen ambulanten Therapieverfahren des
Empfehlungsgrades A. Evidenzgrad 5, Empfehlungsgrad C, starker Konsens
Psychotherapie
Psychotherapie
Indikationen Psychotherapie
Eine psychotherapeutische Behandlung beim FMS wird bei folgenden klinischen Konstellationen
empfohlen:
-
Maladaptive Krankheitsbewältigung (z. B. Katastrophisieren, unangemessenes körperliches
Vermeidungsverhalten bzw. dysfunktionale Durchhaltestrategien) und/oder
-
Relevante Modulation der Beschwerden durch Alltagsstress und/oder interpersonelle
Probleme und/oder
-
Komorbide psychische Störungen
Evidenzgrad 5, Empfehlungsgrad offen, starker Konsens
Differentialindikationen Psychotherapie
Es wird empfohlen, Patienten mit maladaptiver Kankheitsbewältigung und Modulation
der Beschwerden durch Alltagsstress mit Verfahren der kognitiv-verhaltenstherapeutischen
und operanten Schmerztherapie zu behandeln. Bei interpersonell belasteten Patienten,
welche zusätzlich die Kriterien einer somatoformen Schmerzstörung erfüllen, können
auch psychodynamisch orientierte Verfahren zur Anwendung kommen. Bei komorbiden psychischen
Störungen (affektive Störungen, Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen)
werden die psychotherapeutischen Verfahren empfohlen, die in den Leitlinien der Psychotherapeutischen
Fachgesellschaften bei der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen Fachgesellschaften
genannt werden. Imaginative und hypnotische Techniken können ergänzend bei den Indikationen
a. und b. eingesetzt werden. Eine psychotherapeutische Behandlung soll den Patienten
in die Lage versetzen, nach Ende der Psychotherapie eigenständig Schmerzen, psychischen
Disstress und Alltagsbelastungen zu bewältigen. Evidenzgrad 5, Empfehlungsgrad offen,
Konsens
Autoren für die DGOOC:
Prof. Dr. Marcus Schiltenwolf, Stiftung Orthopädische Universitätsklinik, Heidelberg
Dr. Babak Moradi, Stiftung Orthopädische Universitätsklinik, Heidelberg
Dr. Rita Engelhardt, Heidelberg
Für alle Autoren aller beteiligten Fachgesellschaften und Patientenvereinigungen federführend:
Dr. Winfried Häuser
Innere Medizin I Funktionsbereich Psychosomatik Klinikum Saarbrücken
eMail: whaeuser@klinikum-saarbruecken.de
Gesamttext der Leitlinie unter:
http://leitlinien.net/
Literatur bei den Autoren