Z Orthop Unfall 2008; 146(3): 301
DOI: 10.1055/s-2008-1081440
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vordere Schulterluxation - Traumatische Erstluxation der Schulter - was soll man tun?

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Publication Date:
03 July 2008 (online)

 
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Traumatische vordere Schulterluxationen sind häufige Ereignisse, die vor allem bei sportlich aktiven Jugendlichen und jungen Erwachsenen auftreten. Unbehandelt besteht ein erhebliches Risiko, eine chronische Instabilität mit entsprechenden funktionellen Einschränkungen zu entwickeln. Die hier vorgestellte Studie hat die Ergebnisse einer primären arthroskopischen Labrumrefixation mit denen einer bloßen arthroskopischen Gelenklavage [1] verglichen. Primary arthroscopic stabilization for a first-time anterior dislocation of the shoulder. A randomized, double-blind trial. J Bone Joint Surg Am 2008; 90: 708-721

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Studiendesign

In dieser prospektiven, randomisierten Doppelblindstudie konnten in einem Zeitraum von 40 Monaten 88 Patienten im Alter von 15 bis 35 Jahren eingeschlossen werden, die eine traumatische Erstluxation der Schulter erlitten hatten. Das aufwändige Studiendesign verglich erstmalig zwei unterschiedliche operative Interventionen (ansonsten wurde regelhaft mit einem nicht-operativen Vorgehen verglichen). Diese waren bis zur Anlage zweier identischer Arthroskopieportale für den Betroffenen und den Nachuntersucher verblindet. Innerhalb von zwei Wochen nach dem Trauma erhielt die erste Behandlungsgruppe eine arthroskopische Gelenklavage. Bei der zweiten Behandlungsgruppe wurde neben der Lavage das vordere Labrum mit 3 bis 5 resorbierbaren Nahtankern refixiert. Alle Eingriffe wurden von einem einzigen Operateur durchgeführt. Für 12 Wochen postoperativ wurde allen Patienten ein restriktives Nachbehandlungsschema verordnet. Die Abduktion wurde erst nach 6 Wochen begonnen und bis 90° limitiert. Erst nach 12 Wochen wurden alle Bewegungen freigegeben.

Innerhalb von zwei Jahren wurden die Patienten von einem einzigen Untersucher in regelmäßigen Abständen nachuntersucht und bezüglich eventueller Instabilitätsbeschwerden befragt. Die funktionellen Ergebnisse wurden mithilfe dreier verschiedener Scores bewertet (SF-36, Western Ontario Shoulder Instability Index - WOSI; Disability of the Arm, Shoulder and Hand questionnaire - DASH).

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Ergebnisse

7 % der Patienten in der Labrumrefixationsgruppe erlitten innerhalb von zwei Jahren Reluxationen oder zeigten Zeichen einer persistierenden Instabilität der operierten Schulter. Diese Zahl lag in der Lavagegruppe mit 38 % deutlich höher. Die funktionellen Ergebnisse anhand des WOSI- und DASH-Scores zeigten innerhalb des ersten Jahres keinen signifikanten Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen. Nach zwei Jahren waren die Ergebnisse in der Labrumrefixationsgruppe jedoch besser. Dies konnte allein auf die im zweiten Jahr zunehmenden Reluxationen und Instabilitätsbeschwerden in der Lavagegruppe zurückgeführt werden. Bezüglich der aktiven und passiven Schulterbeweglichkeit ließen sich zu keinem Zeitpunkt Unterschiede zwischen den Gruppen feststellen. Jedoch gaben aus der Lavagegruppe 14 Patienten ihren Kontaktsport auf, aus der Labrumrefixationsgruppe nur 4. Die medizinischen Gesamtbehandlungskosten nach zwei Jahren waren in der Lavagegruppe aufgrund des zusätzlichen Behandlungsaufwandes der sekundären Instabilität höher, trotz initial geringerer OP-Kosten.

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Kommentar

Die vorliegende Studie konnte belegen, dass Patienten, die jünger als 35 Jahre sind und nach traumatischer Erstluxation mittels arthroskopischer Rekonstruktion des anterio-inferioren Kapsel-Labrumkomplexes behandelt werden, ein signifikant vermindertes Risiko einer Reluxation und ein signifikant besseres funktionelles Resultat als nach arthroskopischer Lavage aufweisen. Eine arthroskopische Lavage als isolierte Maßnahme ist wenig hilfreich. Ferner zeigte sich, dass die sekundäre Instabilität der einzige Prädiktor für ein schlechtes funktionelles Ergebnis war.

Die Rezidivluxationsraten waren vergleichbar mit denen von Studien, die eine arthroskopische Kapsel-Labrumrekonstruktion bei rezidivierender Schulterluxation untersuchten. Somit ist es unwahrscheinlich, dass eine primäre Rekonstruktion bei der Erstluxation als generellem Vorgehen Vorteile gegenüber der verzögerten OP-Indikation bei der Rezidivluxation besitzt. Eine prophylaktische OP-Indikation im Sinne einer generellen Indikation zur operativen Rekonstruktion nach der traumatischen Erstluxation kann aus den Daten somit nicht abgeleitet werden. Zumal dieser Eingriff mit entsprechenden Komplikationen und einer gewissen Versagensquote behaftet ist. Junge Patienten sollten dementsprechend vor einer individuellen Entscheidung über die Vorteile und Risiken eines primär konservativen versus eines arthroskopisch-rekonstruktiven Vorgehens beraten werden.

Dr. Kay Helms

Dr. Kay Helms

Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Rostock

Abt. für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie

Email: helmskay@med.uni-rostock.de

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Literatur

  • 01 Wintzell G, Hovelius L, Wikblad L, M, Larsson S. Arthroscopic lavage speeds reduction in effusion in the glenohumeral joint after primary anterior shoulder dislocation: a controlled randomized ultrasound study. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 8 (2000): 56-60. 
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Literatur

  • 01 Wintzell G, Hovelius L, Wikblad L, M, Larsson S. Arthroscopic lavage speeds reduction in effusion in the glenohumeral joint after primary anterior shoulder dislocation: a controlled randomized ultrasound study. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 8 (2000): 56-60.