Geburtshilfe Frauenheilkd 2018; 78(08): 727
DOI: 10.1055/a-0638-5057
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Birgit Seelbach-Göbel
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Publication Date:
20 August 2018 (online)

zum 1. Januar 2018 ist das neue Mutterschutzgesetz in Kraft getreten. Neben einer Ausweitung des Geltungsbereichs auch auf Schülerinnen und Studentinnen, der Verlängerung der Schutzfristen bei Geburt eines behinderten Kindes und nach Fehlgeburt, der Erlaubnis, das tägliche Arbeitsende im Einvernehmen mit der Schwangeren von 20 auf 22 Uhr zu verschieben, sowie der Verpflichtung zu einer prinzipiellen anlasslosen Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz sieht das Gesetz erstmals seit seiner Entstehung 1952 die Bildung eines Ausschusses für Mutterschutz vor. Dieser wurde am 3. Juli 2018 mit einer Auftaktveranstaltung im Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Berlin gegründet und die Mitglieder urkundlich benannt. Neben diversen Behörden, Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Krankenkassen und Fachgesellschaften für Arbeits- und Betriebsmedizin stellen auch der Berufsverband der Frauenärzte e. V. (BVF) und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG) für eine Amtszeit von 4 Jahren ehrenamtlich Vertreterinnen/Vertreter bzw. Stellvertreterinnen/Stellvertreter. Die vordringliche Aufgabe des Ausschusses wird sein, zu konkretisieren, was unter dem Begriff „Unverantwortbare Gefährdung“ zu verstehen ist. Gefährdungsvermeidung während der Arbeit, unter allen Umständen, bei Bedarf unter Verhängung eines Beschäftigungsverbotes stellte die ursprüngliche Zielsetzung des Mutterschutzgesetzes dar. Während sich das Mutterschutzgesetz seit seiner Abfassung auf den Schutz von Mutter und Kind vor Gefährdungen am Arbeitsplatz als oberste Priorität fokussierte, sodass tatsächlich häufig ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen wurde, gilt es heute, die Weiterbeschäftigung einer schwangeren oder stillenden Frau – soweit verantwortbar – unbedingt zu ermöglichen. Dazu wurde der Begriff der „Unverantwortbaren Gefährdung“ geprägt, welcher eine differenzierte Auslegung möglich machen soll. Ein gutes Beispiel dafür ist die Forderung junger Ärztinnen, auch in der Schwangerschaft operieren zu dürfen. In der Frauenheilkunde spielt sie eine besondere Rolle, weil rund 90% der jungen Ärzteschaft in der Frauenheilkunde weiblich sind. Im Vorfeld haben schon lange Ärztinnen in Ausbildung, an vorderster Front angehende Chirurginnen, mit Unterstützung des Deutschen Ärztinnenbundes dafür gekämpft, auch während der Schwangerschaft weiter im Operationssaal tätig sein zu dürfen und klinische Aufgaben zu erfüllen, damit ihre Weiterbildungszeit nicht unnötig lange unterbrochen wird. Im Verbot klinischer Tätigkeiten sehen die Kolleginnen eine nicht hinnehmbare Benachteiligung. Obwohl es schon vor Novellierung des Mutterschutzgesetzes gestattet war, Frauen im Gesundheitswesen unter Beachtung und Vermeidung von Gefährdungspotenzialen weiter zu beschäftigen, sprachen viele Arbeitgeber aus Sicherheitsgründen ein betriebliches Beschäftigungsverbot aus. Dies soll heute die allerletzte Maßnahme sein, wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft worden sind. Doch besteht auch nach Neufassung des Gesetzes weiterhin Unsicherheit darüber, ob die Tätigkeit im Operationssaal eine „Unverantwortbare Gefährdung“ darstellt. Während die Klinikchefs dies zu einem großen Teil verneinen, sind die Gewerbeaufsichtsämter oftmals anderer Meinung und weitaus stringenter. Zudem gibt es keine einheitliche Auffassung der Gewerbeaufsichtsämter untereinander und deren Sichtweise unterscheidet sich von Stadt zu Stadt und von Bundesland zu Bundesland. Die Empfehlungen der Länder zum Mutterschutzgesetz verstärken die Verwirrung noch zusätzlich. Vom Ausschuss für Mutterschutz werden nun klare Definitionen erwartet. Dazu ist es zunächst nötig, die Mitglieder zu schulen, um sie auf denselben Kenntnisstand zu bringen, was, wo und wie einer Schwangerschaft überhaupt schaden kann. Die Physiologie der Schwangerschaft muss bekannt sein und die tatsächlichen Gefährdungen im Detail identifiziert und analysiert werden. Schwangerschaft per se ist nämlich keine Krankheit und werdende Mütter müssen nicht in Watte gepackt werden.