Diabetes aktuell 2013; 11(5): 187
DOI: 10.1055/s-0033-1357075
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Diabetes im Alter

Antje Bergmann
,
Peter E. H. Schwarz
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Publication Date:
06 September 2013 (online)

Was ist bei älteren Menschen mit Diabetes mellitus anders? Diese Frage wird immer wieder kontrovers diskutiert. Auf den Kongressen gibt es polarisierende Meinungen und unterschiedlichste Initiativen. In der Gesellschaft ist die wachsende Zahl von alten Menschen das, was in erster Linie wahrgenommen wird. Politisch bekommen ältere Menschen immer mehr Gewicht, da heute schon ein Drittel der Wähler im Rentenalter ist. Aber was bedeutet das für den Diabetes mellitus? Ist eine Diabetestherapie anders, wenn man älter ist? Hängt die Therapie vom Lebensjahr oder von physiologischen oder auch kognitiven Funktionen ab?

Die Europäische Union hat im Rahmen des „Horizont 2020“-Konzeptes eine europaweite Initiative ins Leben gerufen, um die Bedürfnisse von alternden und alten Menschen mit chronischen Erkrankungen in den Forschungsfokus zu setzen. Ziel dabei ist, innovative Chronic-Care-Management-Programme zu etablieren, die insbesondere den älteren Menschen mit chronischen Erkrankungen im Fokus sehen. Es sollen sowohl Leitlinien als auch Ausbildungsprogramme für Ärzte und auch für Patienteninformationen erstellt werden.

Wie beschäftigen wir uns aber mit älteren Diabetespatienten? Man kann das Thema rein von der physiologischen Seite betrachten. Bei dem alternden Patienten nimmt die Muskelmasse ab und Bindegewebs- und auch Fettanteile nehmen zu. Das alleine erhöht signifikant das Risiko für eine Hyperglykämie und Glukosestoffwechselstörungen. Ist das physiologisch? Oder ist das ein Diabetes mellitus, der genauso ist wie der eines 40-Jährigen? Vermutlich nicht, aber wir stehen auch erst am Anfang, dem therapeutische Leitlinien und Empfehlungen anzupassen. Ein weiterer Schwerpunkt, den wir aus den großen Diabetesstudien gelernt haben, ist, dass der Patient, der schon länger Diabetes hat (also häufig auch der ältere Patient), anders und gegebenenfalls weniger intensiv behandelt werden sollte als der Patient, bei dem Diabetes mellitus gerade erst begonnen hat. Durch so eine risikoadjustierte Therapie können gegebenenfalls insbesondere kardiovaskuläre Komplikationen reduziert werden. Aber auch dieses Thema wird kontrovers diskutiert und ist nicht unumstritten. Soll der HbA1c unter 6, 7 oder 8 % bei dem Patienten über 80 Jahre sein? Hängt das von seinem biologischen Alter oder Lebensalter ab? Und was spielt dazu noch eine Rolle?

Man kann es aber auch von der sozialen und psychischen Seite betrachten. Der alternde Patient hat ein sich änderndes Lebensumfeld, hat andere Bedürfnisse und andere Ziele. Diese sind gegebenenfalls kurzfristiger ausgerichtet und die Wertigkeit ist eine andere als bei einem 30 Jahre jüngeren Patienten. Alleine das sollte ausreichen, um zu verstehen, dass Therapieziele und Therapieintensität angepasst werden müssen. Was sind in diesem psychischen und sozialen Kontext adäquate Therapieformen und wie können diese im Rahmen von relativ starr strukturierten Disease-Management-Programmen umgesetzt werden?

Dieses Thema wollen wir in dem vorliegenden Heft hervorheben. Ann-Katrin Meyer schreibt über die Unterschiede im Selbstverständnis geriatrischer Patienten. Eine wachsende Anzahl älterer Diabetespatienten ist im Pflegeheim. Kritisch wird immer wieder diskutiert, wie die Versorgungsqualität in Heimen ist und was optimale Therapieschemata für eine Diabetestherapie im Pflegeheim sind. Ortrud Hamann referiert zu diesem Thema. Ein wachsendes Problem ist die Niereninsuffizienz, mit dem sich Christoph Hasslacher beschäftigt. Wie die wohnortnahe Versorgung von Patienten unter Einbeziehung von Apotheken ist, ist das Thema von Karin Schmiedel. Abschließend stellt uns Andrej Zeyfang ein europäisches Konsortium vor, welches sich mit dem Thema Diabetes und Alter beschäftigt und dazu eine prospektive Untersuchung durchführt.

Wir hoffen Ihnen mit dem politisch, medizinisch, sozial und ökonomisch relevanten Thema ein interessantes Sommerheft gestaltet zu haben und wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen.

Ihre Antje Bergmann und Peter Schwarz