Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(4): 162
DOI: 10.1055/s-2003-36879-2
Leserbriefe
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Angiotensin 1-Antagonisten sind auch primäre Therapieoption bei arterieller Hypertonie - Erwiderung

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Publication Date:
29 April 2004 (online)

Die Deutsche Hochdruckliga hat auf ihrer Jahrestagung in Dresden im November 2002 modifizierte Empfehlungen zur Hypertoniebehandlung vorgestellt. In diesen neuen Richtlinien wird, 7 Jahre nachdem mit Losartan der erste Vertreter der Angiotensin II Typ 1 (AT1)-Antagonisten auf dem Deutschen Arzneimittelmarkt eingeführt wurde, diese Substanzgruppe erstmals als eine von fünf primären Therapieoptionen empfohlen. AT1-Antagonisten stellen in dem von der Hochdruckliga empfohlenen Behandlungsschema eine Therapieoption sowohl für die initiale Monotherapie als auch für die Kombinationsbehandlung der Hypertonie dar [1].

Unter den Argumenten für diese Änderungen der Therapieempfehlungen spielt die LIFE-Studie mit Losartan eine herausragende Rolle [2]. In dieser Studie wurden 9193 Patienten randomisiert, prospektiv und verblindet entweder mit einer etablierten und von der Hochdruckliga und allen nationalen und internationalen Fachgesellschaften empfohlenen Therapie basierend auf einem β-Rezeptorenblocker (Atenolol) oder alternativ einem AT1-Antagonisten (Losartan) im Mittel über 4,8 Jahre behandelt. Zentrale Forderung der Hochdruckliga für die Empfehlung einer Substanzgruppe ist der Beleg aus kontrollierten Langzeitstudien, dass ein Therapieprinzip bei hoher Sicherheit und Verträglichkeit Morbidität und Mortalität von Hypertoniepatienten verbessert. Da dieses Kriterium für die Gruppe der β-Blocker bereits erfüllt ist, hätte eine Gleichwertigkeit des β-Blockers mit dem AT1-Antagonisten in Bezug auf die so genannten harten Endpunkte bereits für eine Aufnahme dieser neuen Substanzgruppe in die Therapieempfehlungen ausgereicht. In der Abwägung, welche der fünf Therapieoptionen im Einzelfall zum Einsatz kommen sollte, wäre dann z. B. das Verträglichkeits- bzw. Complianceargument oder die dokumentierte Nephroprotektion bei Typ-2-Diabetes verblieben. Die LIFE-Studie zeigt jedoch, erstmals in der Geschichte moderner Interventionsstudien bei der Indikation Hypertonie, einen Unterschied der beiden Behandlungsoptionen bezüglich der prädefinierten Endpunkte zugunsten des AT1-Antagonisten. Diese Unterschiede wurden bei gleicher Qualität der Blutdrucksenkung in den beiden Behandlungsgruppen erreicht und argumentieren somit für Blutdruck-unabhängige Wirkungen der AT1-Rezeptor Blockade mit Losartan.

Traut stellt die berechtigte Frage nach der klinischen Relevanz der beobachteten Unterschiede. Bleibt man bei der Betrachtung des Gesamtkollektives, beträgt der NNT-Wert (numbers needed to be treated = wie viele Patienten muss man wie lange behandeln, um ein Ereignis zu verhindern) für die statistisch unterschiedlichen Endpunkte: 56 bezüglich des kombinierten primären Endpunktes, 59 bezüglich des Schlaganfalles und 56 bezüglich eines neu aufgetretenen Diabetes mellitus. Diese Zahlen betreffen den Studienzeitraum von 4,8 Jahren. Wenn man die NNT-Werte, wie heute üblich, für ein Jahr berechnet, dann muss man die o. g. Werte nochmals mit der Studiendauer von 4,8 Jahren multiplizieren. In den beiden prädefinierten Subkollektiven der LIFE-Studie, den Patienten mit Diabetes mellitus [3] und/oder mit isolierter systolischer Hypertonie [4] bei Randomisation, sehen diese Zahlen deutlich günstiger aus (Tab. [1]).

Tab. 1 NNT-Werte (ausgedrückt pro Jahr) der statistisch unterschiedlichen Endpunkte im LIFE-Gesamtkollektiv sowie in den beiden Subgruppen der LIFE-Studie mit Diabetes mellitus (DM) sowie mit isolierter systolischer Hypertonie (ISH). LIFE LIFE DM LIFE ISH Primärer kombiierter Endpunkt 269 91 115 Kardiovaskuläre Mortalität NS NS 130 Schlaganfall 283 NS 133 Gesamtmortalität NS 77 120 Diabetes mellitus (neu aufgetreten) 269 entfällt 202

Die in die LIFE-Studie aufgenommenen Patienten stellen ein älteres Kollektiv dar (55-80 Jahre, im Mittel 67 Jahre), von dem zusätzlich das Kriterium einer linksventrikulären Hypertrophie (LVH) gefordert wurde. Für diejenigen Ärzte, die dieses Kriterium in ihrer Praxis ebenfalls für eine Therapie mit einem AT1-Antagonisten realisieren möchten, dürfte dies auch in der hausärztlichen Praxis kein Problem darstellen, da in der LIFE-Studie gängige EKG-Kriterien für die LVH benutzt wurden.

Insgesamt stellt die LIFE-Studie auch bei kritischer Wertung eine wichtige Etappe in der Entwicklung der Hypertoniebehandlung dar. Sie zeigt erstmals auf, dass bei gleicher Blutdrucksenkung unterschiedliche Therapieoptionen sich bezüglich harter Morbiditäts- und Mortalitätsendpunkte unterscheiden. Ich stimme den Kollegen Dres. Traut und Hörscher insofern zu, als man die Größenordnung der Unterschiede beachten sollte. Auch wäre es wünschenswert, dass der Schritt in die richtige Richtung, den die AT1-Antagoisten in meiner persönlichen Bewertung darstellen, kostengünstiger daherkäme.

Literatur

  • 1 Empfehlungen der Deutschen Hochdruckliga.  Dtsch Med Wochenschr. 2002;  127 (45) 2364
  • 2 Dahlöf. et al . Cardiovascular morbidity and mortality in the Losartan intervention for endpoint reduction in hypertension study (LIFE).  Lancet. 2002;  359 995
  • 3 Lindholm. et al . Cardiovascular morbidity and mortality in patients with diabetes in the Losartan intervention for endpoint reduction study (LIFE).  Lancet. 2002;  359 1004
  • 4 Kjeldsen. et al . Effects of Losartan on cardiovascular morbidity and mortality in patients with isolated systolic hypertension and left ventricular hypertrophy: a losartan intervention for endpoint reduction (LIFE) substudy.  JAMA. 2002;  288 1491

Autor

Prof. Dr. med. Rainer Düsing

Medizinische Universitäts-Poliklinik, Rheinische Friedrich-Wilhelms Universität

Wilhelmstraße 35-37

53111 Bonn