Gesundheitswesen 2020; 82(07): 614-619
DOI: 10.1055/a-1005-6978
Originalarbeit

Brustkrebs beim Mann – die Sicht der beteiligten Berufsgruppen auf die multiprofessionelle Versorgung einer seltenen Erkrankung

Breast Cancer in Men – Health Care Professionals’ Perspectives on the Multidisciplinary Care of a Rare Disease
Nicole Ernstmann
1   Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Forschungsstelle für Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Bonn, Bonn
2   Centrum für Integrierte Onkologie (CIO), Bonn
,
Evamarie Midding
1   Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Forschungsstelle für Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Bonn, Bonn
2   Centrum für Integrierte Onkologie (CIO), Bonn
,
Sarah Halbach
1   Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Forschungsstelle für Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Bonn, Bonn
2   Centrum für Integrierte Onkologie (CIO), Bonn
,
Rachel Würstlein
3   Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Brustzentrum, Klinikum der Universität München, München
,
Rainer Weber
4   Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Uniklinik Köln, Köln
,
Sherin Christmann
1   Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Forschungsstelle für Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Bonn, Bonn
2   Centrum für Integrierte Onkologie (CIO), Bonn
,
Christoph Kowalski
5   Deutsche Krebsgesellschaft e.V., Zertifizierung, Berlin
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Zusammenfassung

Ziel der Studie Brustkrebs beim Mann ist eine seltene Erkrankung, für die jedoch hochspezialisierte Versorgungsstrukturen zur Therapie des Brustkrebses der Frau zur Verfügung stehen. Bislang ist unbekannt, ob die Ausrichtung der Versorgungsstrukturen auf Frauen zu Defiziten in der Versorgung der betroffenen Männer führt. Daher ist es das Ziel der vorliegenden Untersuchung, mögliche Versorgungsdefizite aus der Perspektive der beteiligten Professionen zu identifizieren.

Methodik Es wurden teilstandardisierte Leitfadeninterviews mit n=23 Teilnehmer/innen sowie 2 Fokusgruppendiskussionen mit n=7 bzw. n=9 Teilnehmer/innen durchgeführt. Die Transkripte der Interviews und Fokusgruppendiskussionen wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse mit MAXQDA ausgewertet.

Ergebnisse Einige Teilnehmer/innen sehen aufgrund des Erfahrungsmangels eigene Unsicherheiten in der Versorgung von Männern mit Brustkrebs. Häufig wird ein mangelndes Wissen bezüglich der Zuständigkeiten und Behandlungsmöglichkeiten, z. B. bei niedergelassenen Gynäkolog/innen, beklagt. Viele Befragte empfinden eine mangelnde interdisziplinäre Zusammenarbeit, v. a. in der Nachsorge. Einige Befragte sehen darüber hinaus einen Mangel an spezialisierten Rehabilitationseinrichtungen für Männer mit Brustkrebs.

Schlussfolgerung Männer mit Brustkrebs profitieren trotz der Seltenheit der Erkrankung von den hochentwickelten Strukturen zur Brustkrebsversorgung in Deutschland. Dennoch zeigen sich Versorgungsdefizite aus der Sicht der behandelnden Professionen. Diese Datengrundlage kann in Kombination mit der Perspektive der Betroffenen und weiteren repräsentativen Daten dazu dienen, Praxis-Empfehlungen zur Verbesserung der Versorgungsqualität des männlichen Brustkrebses zu erarbeiten.

Abstract

Aim of the study Male breast cancer is a rare disease, for which, however, available care is from highly specialized care structures intended for female patients. So far, it is unknown whether the focus of care structures for women leads to deficits in the care for men. Therefore, the aim of the present study was to identify possible deficits in male breast cancer care from the perspective of the health care professions involved.

Methods Semi-structured interviews with n=23 participants and 2 focus group discussions with n=7 and n=9 participants were conducted. The transcripts of the interviews and focus group discussions were analyzed by qualitative content analysis using MAXQDA.

Results Some participants felt insecure and uniformed in terms of treatment recommendations for men with breast cancer. Often, responsibilities were vague or unknown. Many participants felt a lack of interdisciplinary cooperation, especially in follow-up care. Some respondents complained of a lack of rehabilitation centers for men with breast cancer.

Conclusion Male breast cancer patients benefit from the advanced structures for breast cancer care. However, some health care problems were identified. Our results together with representative data can help develop practical recommendations for improving the quality of care of male breast cancer patients.



Publication History

Article published online:
09 October 2019

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York