ZFA (Stuttgart) 2005; 81(11): 486-490
DOI: 10.1055/s-2005-872577
Versorgung

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Warum bezeichnen Allgemeinärzte andere Patienten als depressiv als Psychiater es tun?

Why Do General Practitioners Characterize Other Patients as Depressive than Psychiatrists Do?M. Sielk1 , H.-H. Abholz1
  • 1Abteilung für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
29. November 2005 (online)

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Zusammenfassung

Die Betreuung depressiver Störungen in der Allgemeinarztpraxis steht seit einiger Zeit im Fokus vieler wissenschaftlicher Untersuchungen. Dabei wird immer wieder festgestellt, dass viele von den durch die üblichen psychiatrischen Instrumente (welche zumeist auf den diagnostischen Kriterien des ICD-10 oder des DSM-IV basieren) diagnostizierten Depressionsfällen von den Hausärzten nicht als solche identifiziert werden. Gemeinhin wird daraus geschlossen, dass die Depression in der Hausarztpraxis sehr häufig nicht diagnostiziert, also übersehen wird. Zudem werden vom Hausarzt zum Teil auch Patienten als „depressiv” eingestuft, die nach den standardisierten Instrumenten nicht als „depressiv” bezeichnet werden. In der Literatur wird von einer „Über-” bzw. „Unterdiagnose” gesprochen. Dargestellt werden Erklärungsansätze für dieses Phänomen und die besondere Situation des Generalisten.

Abstract

Recently many scientific investigations focused on the care of depressive disorders in general practice. It is often stated that many cases of depression found by the usual psychiatric instruments (all based on the diagnostic criteria of ICD-10 or DSM IV) were not diagnosed by the General Practitioner. This often led to the conclusion that the diagnosis of depression is frequently missed by General Practitioners. Beyond that it was found that General Practitioners often classify patients as “depressive”, although the psychiatric diagnostic instrument did not show a depressive disorder. This article discusses this phenomenon in the light of the special situation of the GP as a generalist.

Literatur

1 Im Hampshire-Projekt, einer großen randomisierten Studie, wurden Allgemeinärzte im Erkennen und Behandeln von Depression geschult und mit einer Kontrollgruppe verglichen. Es zeigte sich kein Unterschied in der Rate der erkannten oder gesundeten Fälle.

2 Diese Skepsis besteht auch unabhängig von der derzeitigen aktuellen Diskussion darum, ob Antidepressiva unter vielen der Bedingungen, in denen sie derzeit eingesetzt werden (sollen), überhaupt einen angemessenen Effekt haben [27], und dies wird die Skepsis in Zukunft noch verstärken.

Dr. med. Martin Sielk

Abteilung für Allgemeinmedizin · Universitätsklinikum Düsseldorf

Moorenstraße 5

40225 Düsseldorf

eMail: sielk@med.uni-duesseldorf.de