Psychiatr Prax 2008; 35(4): 157-159
DOI: 10.1055/s-2008-1067424
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Ruf nach mehr Versorgungsforschung

Call for More Health Services ResearchSteffi  Riedel-Heller1 , Anke  Bramesfeld2 , Christiane  Roick3 , Thomas  Becker4 , Hans-Helmut  König5
  • 1Universität Leipzig, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Professur für Public Mental Health
  • 2Universität Leipzig, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Forschungsnetz psychische Gesundheit
  • 3AOK Bundesverband, Berlin
  • 4Universität Ulm, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II, Günzburg
  • 5Universität Leipzig, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Professur für Gesundheitsökonomie
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Publication Date:
14 May 2008 (online)

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Psychische Störungen - eine wichtige Zielgruppe?

Psychische Störungen sind häufig und folgenschwer. Die Krankheitslast durch psychische Störungen, gemessen als verlorene Lebensjahre durch Behinderung und Tod, ist enorm. In den westlichen Industrienationen ist sie vergleichbar mit der Krankheitslast, die durch kardiovaskuläre Erkrankungen oder Krebserkrankungen entsteht [1]. Die Relevanz psychischer Störungen, die aus der Bevölkerungsperspektive im direkten Vergleich mit anderen Erkrankungen deutlich wird, wurde lange unterschätzt.

Die Versorgung psychisch Kranker hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert. Mussten psychisch Kranke bis in die 60er Jahre wohnortfern unter teilweise menschenunwürdigen Bedingungen ihr Dasein in großen Anstalten fristen, wird heute die Mehrzahl psychisch Kranker gemeindenah betreut. Diese mit der Psychiatrieenquete (1975) und analog in den neuen Bundesländern mit den Rodewischer Thesen (1964) eingeleiteten Entwicklungen stimulierten die Versorgungsforschung in der Psychiatrie vergleichsweise früh. Das Angebot gemeindenaher stationärer, ambulanter und komplementärer Dienste zur Versorgung psychisch Kranker ist im bundesweiten Vergleich von einer großen Variabilität geprägt und von einer ausgeprägten Fragmentierung hinsichtlich einer Vielzahl von Leistungserbringern und Leistungsträgern (z. B. Krankenkassen, Rentenversicherungen) gekennzeichnet [2].

Literatur

Nachruf auf Prof. Dr. Hans Klaus Rose

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Prof. Dr. Hans Klaus Rose ist tot. Er starb am 9.4.2008, 75-jährig, in Hannover.

Dorthin hatte ihn 1967 Karl Peter Kisker von Heidelberg aus als Oberarzt mitgenommen, und in dieser Funktion blieb er zunächst viele Jahre, bis er selbstständiger Leiter der neu geschaffenen gerontopsychiatrischen Abteilung an der Medizinischen Hochschule Hannover wurde. 1987 wurde er zum Ärztlichen Direktor der Stiftung Tannenhof (Remscheid) berufen. Für die dort geleistete Arbeit erhielt HKR, wie wir Hannoveraner ihn nannten, bei seinem Abschied das Bundesverdienstkreuz.

Nach seiner Pensionierung im Jahre 1998 zog er mit seiner Familie wieder nach Hannover zurück, betrieb dort noch einige Jahre lang eine kleine Privatpraxis, war forensisch tätig und kümmerte sich um seine Enkelkinder.

Hans Klaus Rose war, zusammen mit Helmut Köster (Düren), Asmus Finzen (damals Wunstorf) und ganz am Anfang auch Manfred Bauer (damals Hannover), Mitbegründer der von K. P. Kisker ins Leben gerufenen Zeitschrift „Psychiatrische Praxis”, die er bis zum Jahre 1993 federführend und souverän leitete. Ihre Zukunft lag ihm bis zuletzt ausgesprochen am Herzen.

Seine frühen sozialpsychiatrischen Publikationen waren für uns Jüngere damals wichtige Grundlagentexte, die bis heute von ihrer Bedeutung wenig verloren haben. Einer davon „Grundfragen der Teamarbeit in der Psychiatrie” ist in den Sammelband „Sozialpsychiatrie vor der Enquete” (Psychiatrie-Verlag, 1997) aufgenommen worden.

Mit dem Tod von Hans-Klaus Rose verliert die deutsche Psychiatrie einen aufrechten, zugleich kritischen Sozialpsychiater der ersten Stunde, der sich zeit seines Lebens von modischen Strömungen ebensowenig beeindrucken ließ wie von purem Aktionismus. Das sei ihm gedankt.

Begonnen hatte alles in der kleinen Anhaltiner Stadt Zerbst. Dort war sein Vater chirurgischer Chefarzt am Kreiskrankenhaus. Er wurde 1948 von den neuen Machthabern aus dem Amt vertrieben und steckbrieflich gesucht. In letzter Minute floh er mit seiner Frau, seinen beiden Söhnen und der Tochter nach Landau in der Pfalz, wo seine Schwägerin lebte. Im nahe gelegenen Neustadt fand er in dem, im Entstehen begriffenen, Vertauensärztlichen Dienst eine Stelle und hatte diesen Posten bis zu seiner Pensionierung inne.

Hans Klaus Rose hat gelegentlich im Freundeskreis darüber gesprochen, dass diese Flucht, so schlimm sie für die Familie insgesamt war, für ihn viel Gutes mit sich brachte. Er konnte, wie auch sein allzu früh verstorbener Bruder, nach dem auf einem humanistischen Gymnasium abgelegten Abitur 1954 Medizin studieren, bestand 1959 in Heidelberg sein Staatsexamen und promovierte im gleichen Jahr bei dem Physiologen Schäfer, mit einer experimentellen Arbeit über Bluthochdruck bei Ratten. Zeitgleich hatte er ein, von der „Studienstiftung” gefördertes Philosophiestudium aufgenommen, das ihm beim späteren Denken und Schreiben, nicht zuletzt aber auch im psychiatrischen Alltag, ausgesprochen hilfreich war.

Nach dem Ende der damals noch zweijährigen Medizinalassistentenzeit verschrieb er sich der Psychiatrie und blieb bei diesem Fach, das wie kein anderes die Natur- und die Geisteswissenschaften miteinander verbindet.

Noch auf der Schule hatte er seine spätere Frau Gisela, eine Klassenkameradin, kennen und lieben gelernt und sie 1960 geheiratet. Die Kinder ließen nicht lange auf sich warten. 1962 wurde Bettina geboren, 1963 Christoph und 1968 Natali. Die ersten beiden wurden wie ihr Vater und ihr Großvater Ärzte, der Nachkömmling war eher künstlerisch begabt und blieb bis heute in diesem Metier.

Die Welt der Roses schien in jeder Hinsicht in Ordnung. Bis zu Bettinas Tod im Jahre 2002. Wenn Kinder vor ihren Eltern sterben, ist dies für alle Beteiligten eine Katastrophe für deren Beschreibung die Worte fehlen.

Der Psychiater Hans Klaus Rose hinterlässt eine Frau, zwei Kinder und fünf Enkelkinder.

Manfred Bauer, Offenbach

Mark Richartz, Maastricht

Prof. Dr. med. Steffi G. Riedel-Heller, MPH

Universität Leipzig, Zentrum für Psychische Gesundheit, Abteilung Public Health, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie

Semmelweisstraße 10

04103 Leipzig

Email: Steffi.Riedel-Heller@medizin.uni-leipzig.de