Krankenhaushygiene up2date 2019; 14(01): 91-106
DOI: 10.1055/a-0853-0561
Infektiologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Migration und Tuberkulose

J. Till Othmer
,
Nicolas Schönfeld
,
Brit Häcker
,
Ralf Otto Knapp
,
Torsten T. Bauer
Further Information

Publication History

Publication Date:
20 March 2019 (online)

Im Jahr 2015 erreichte die Zahl der Migranten weltweit 244 Millionen, die höchste Zahl seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Hierunter fallen auch 22 Millionen Geflüchtete. In Deutschland sind Tuberkulosefälle unter den Migranten eine entscheidende Ursache für die gestiegene Zahl an Erkrankten. Prävention, Diagnose und Therapie der Tuberkulose erfordern differenzierte Kenntnisse und Anstrengungen – abhängig von Herkunft und Lebensweg der Betroffenen.

Kernaussagen
  • Ein Großteil der in Deutschland an Tuberkulose erkrankten Menschen sind Migranten, deren Therapie in vieler Hinsicht eine Herausforderung darstellt.

  • Die in Deutschland durch das Infektionsschutzgesetz implementierten Screeningmethoden ermöglichen die Diagnosestellung einer Tuberkuloseerkrankung bei jedem fünften an Tuberkulose Erkrankten.

  • Die häufigste Ursache der Tuberkuloseerkrankung bei Migranten ist die Reaktivierung einer latenten Tuberkulose, sodass neben einer niederschwelligen Gesundheitsversorgung auch die Durchführung einer Chemoprävention bei Menschen mit einem hohen Risiko für eine Reaktivierung erwogen werden sollte.

  • Je nach Herkunft der Migranten liegen verschiedene Erkrankungsrisiken, Komorbiditäten und Erkrankungsformen der Tuberkulose vor. Besonders während der Flucht sind die Menschen somatisch wie psychisch durch unterschiedliche Erkrankungen bedroht.

  • Extrapulmonale Tuberkulosen sind häufig bei Migranten und bedürfen spezifischer diagnostischer Methoden. Eine MDR-TB sollte zumindest bei Vorliegen von Risikofaktoren diagnostisch ausgeschlossen werden.

  • Um die Diagnosestellung, Therapieeinleitung und Begleitung der Tuberkulose bei Migranten erfolgreich zu gestalten, bedarf es des Aufbaus eines vertrauensvollen Arzt-Patienten-Verhältnisses. Es erfordert Empathie und erhöhten Zeitaufwand, damit diese Beziehung trotz kultureller und sprachlicher Unterschiede etabliert werden kann. Dies gelingt häufig nur mit Unterstützung durch Sprachmittler, um die komplexen Sachverhalte erläutern zu können.

  • Wichtig ist die Nutzung aller Anstrengungen zur Verhinderung eines Abbruchs der Tuberkulosetherapie. Dies erfordert auch die Diagnose und Behandlung von Komorbiditäten und Berücksichtigung sozialer und rechtlicher Aspekte.