Aktuelle Kardiologie 2019; 8(03): 216-222
DOI: 10.1055/a-0861-0521
Übersichtsarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Diagnostische Bedeutung von epigenetischen Mechanismen und Markern der Myokardschädigung

Diagnostic Relevance of Epigenetic Mechanisms and Markers of Myocardial Injury
Lutz Hein
Institut für Exp. u. Klin. Pharmakologie u. Toxikologie – Abt. II, Universität Freiburg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
17. Juni 2019 (online)

Zusammenfassung

Epigenetische Mechanismen steuern die Entwicklung, Reifung und Funktion von Herzmuskelzellen. DNA-Methylierung und Histonmodifikationen kontrollieren das Genprogramm einer Zelle. In Herzmuskelzellen sind etwa 10 000 Gene aktiv, die für Proteine kodieren. 5% dieser Gene sind spezifisch nur in Kardiomyozyten exprimiert. Bei akuter Myokardschädigung werden diese Proteine aus den Herzmuskelzellen in das Blut freigesetzt und können dort detektiert werden, z. B. mit einem hoch-sensitiven Test für kardiales Troponin. Bei chronischer Myokardschädigung, z. B. bei chronischer Herzinsuffizienz, wird in überlebenden Kardiomyozyten ein pathologisches Genprogramm aktiviert, das epigenetisch gesteuert wird. So werden die Gene für die natriuretischen Peptide ANP und BNP durch Histonacetylierung aktiviert, sodass mehr ANP- und BNP-Peptide im Blut erscheinen, wo sie als diagnostische Marker der Herzinsuffizienz verwendet werden können. Epigenetische Regulatoren spielen auch eine wichtige Rolle bei der Herzentwicklung: Bei bis zu 10% der angeborenen Herzfehler konnten Genmutationen – vor allem in epigenetischen Regulatoren – festgestellt werden.

Abstract

Epigenetic mechanisms are essential for development, maturation and function of cardiac myocytes. DNA methylation and histone modifications control the gene expression program of a cell. In cardiac myocytes, approximately 10 000 protein-coding genes are actively transcribed. 5% of these genes are specifically expressed only in cardiac myocytes. During myocardial injury, these proteins – e.g. high-sensitive cardiac troponin – can be released from cardiac myocytes and can be detected in peripheral blood. Chronic heart failure induces a pathological gene program in surviving cardiac myocytes, which is controlled by epigenetic mechanisms. Genes encoding natriuretic peptides ANP and BNP are activated by histone acetylation resulting in increased blood levels of ANP and BNP peptides, which can be used as a diagnostic marker of heart failure. Epigenetic factors also play an important role in heart development: Up to 10% of patients with congenital heart disease carry gene mutations, especially in genes for epigenetic regulators.

Was ist wichtig?
  • Epigenetik steuert die Genexpression während der Entwicklung, Reifung und Erkrankung von Herzmuskelzellen.

  • Kardiomyozyten exprimieren ca. 10 000 Gene, die für Proteinbausteine der Zellen kodieren. 5% dieser Gene sind zelltypspezifisch nur in Kardiomyozyten aktiv.

  • Bei akuter Myokardschädigung können Herzmuskelzell-spezifische Proteine, z. B. kardiales Troponin, im Blut detektiert werden.

  • Bei chronischer Myokardschädigung, z. B. bei Herzinsuffizienz, aktivieren epigenetische Prozesse ein pathologisches Genprogramm, zu dem die natriuretischen Peptide ANP und BNP gehören.

  • Bei angeborenen Herzfehlern wurden Mutationen in Genen epigenetischer Regulatoren identifiziert.