Pneumologie 2020; 74(04): 240-241
DOI: 10.1055/a-1114-5497
Leserbrief

Leserbrief zu M. Bitzer. Hohe Luftverschmutzung begünstigt das Auftreten von Lungenemphysemen. Pneumologie 2020; 74: 7–8 und F. Klein. Stickoxide schädigen Schulkinderlungen unabhängig von Vorerkrankungen. Pneumologie 2020: 74: 8–9

D. Köhler
,
M. Hetzel
,
M. Klingner
,
T. Koch
,
S. Ewig
,
G. Becher
,
H. Lindemann
,
T. Voshaar
,
U. Costabel

In den hier vorgestellten beiden Studien wird die Luftverschmutzung für das Lungenemphysem (Wang M et al. JAMA 2019) und für eine Lungenfunktionsverschlechterung (Mentz G et al., Thorax 2019) bei Kindern mit und ohne Asthma verantwortlich gemacht. Obwohl in der Originalarbeit von Wang G et al. steht, dass nur eine Assoziation zwischen Luftverschmutzung und Emphysementstehung besteht, wird im Fazit von Frau Dr. Michaela Bitzer von einer Kausalität gesprochen. Sie schreibt, „dass eine Langzeitexposition gegenüber Luftschadstoffen, vor allem gegenüber Ozon, zu einer Zunahme des Ausmaßes von Emphysemen unter den Teilnehmern führte. Auch die Lungenfunktion war beeinträchtigt.“

In der anderen Studie aus Südafrika (Mentz G et al. Thorax 2019) wurde festgestellt, dass ein Anstieg von NO und NO2 zu einer signifikanten Abnahme der Lungenfunktion bei allen Schulkindern (davon ca. 20 % Asthmatiker) führte. Die Konzentrationsänderung von Feinstaub und SO2 hatte keinen Einfluss. In dieser Originalarbeit wird bereits am Ende in der Konklusion davon gesprochen, dass der Einfluss von NOx evident sei, also sozusagen als bereits bewiesen hingestellt.

Das Beispiel zeigt, dass die beiden Kommentatoren einen schweren methodischen Fehler aus den Arbeiten übernommen oder unbewusst hineininterpretiert haben. Aus einer Korrelation (oder Assoziation) darf grundsätzlich nie eine Kausalität gemacht werden; eine wissenschaftsmethodologische Todsünde. Dann müssten die Störche auch die Kinder bringen, denn in manchen Regionen mit vielen Störchen werden auch mehr Kinder geboren. Das korreliert dann erstaunlich hoch miteinander.

Nun zeigen diese beiden epidemiologischen Publikationen, ebenso wie viele andere auch, dass es in ganz unterschiedlichem Ausmaße und inkonstant eine Assoziation zwischen Luftschadstoffen und Erkrankungen gibt, die mitunter das vorgegebene Signifikanzniveau erreichen. Diese Feststellung belegt aber nur, dass hier die Assoziation nicht zufällig ist. Warum das so ist, müsste anschließend mit anderen Methoden, wie experimentellen- oder Interventionsstudien belegt werden. Diese Studien fehlen jedoch hier nahezu in Gänze oder haben, wenn vorhanden, gezeigt, dass der Feinstaub und NOx in dem Niedrigdosisbereich der Grenzwerte keine Schäden auslöst. Expositionsversuche mit um mehrere Potenzen höheren Konzentrationen an Feinstaub und NOx zeigen am Menschen, nämlich bei den Rauchern, erst nach einigen Jahrzehnten Auswirkungen, was eine Falsifikation der angeschuldigten Schäden im Niedrigdosisbereich darstellt.

Für eine solche Assoziation gibt es zahlreiche andere, viel plausiblere Erklärungsmodelle, die praktisch nie in den Publikationen diskutiert werden. Wir haben das in unserer Publikation in der Pneumologie ausführlich dargestellt [1] (https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/a-0873-3574). Es würde den Umfang des Leserbriefes sprengen, auf die beiden beschriebenen Arbeiten näher einzugehen.

Erwähnt werden muss allerdings eine krasse Auffälligkeit: In der Studie aus Südafrika findet sich insbesondere für Stickstoffmonoxid (NO) eine Assoziation zwischen Konzentrationserhöhung und Verschlechterung der Lungenfunktion. Normalerweise sollten die Autoren eigentlich kritisch diskutieren, ob der NOx-Anstieg nicht ein Marker für andere Ursachen wie bspw. Allergene oder Mikroorganismen darstellt, denn die in der Studie gemessenen NO-Konzentrationen liegen nur im Bereich von 35 µg/m³. Das ist jedoch bereits die Menge, die der normale Mensch über den Mund ausatmet, wobei bei Asthmatikern noch deutlich höhere Werte gemessen werden.

Wird die Nasenatmung mit berücksichtigt, was der normalen Atmung entspricht, steigt die NO-Konzentration erheblich an. In den Nasennebenhöhlen von Gesunden werden Konzentrationen bis 37.000 µg/m³ gefunden [2]; im Mittel um 8.500 µg/m³ [3]. Mit anderen Worten, die autochthone NO- (und NO2)-Produktion ist in den Atemwegen um mehr als 2 Zehnerpotenzen höher als die hier eingeatmete.

Diese Fakten sollten zu denken geben und sind ein schlagender Hinweis dafür, dass die hier gefundenen Assoziationen nicht kausal sein können. Den Autoren ist kein Bereich aus der Medizin bekannt, wo methodisch solche schweren Fehler der Epidemiologen einfach unkritisch als „wahr“ akzeptiert werden.



Publication History

Article published online:
09 April 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York