Pneumologie 2021; 75(02): 142-155
DOI: 10.1055/a-1201-9007
CME-Fortbildung

Grenzen und Ethik der Beatmung und Intensivmedizin im Alter

Limits and Ethics of Mechanical Ventilation and Intensive Care Medicine in Old Age
B. Schönhofer
,
T. Barchfeld
,
J. Geiseler
,
H. J. Heppner

Der demografische Wandel mit der Veränderung der Altersstruktur hin zu älteren Menschen und die Zunahme der chronischen Erkrankungen sowie der Fortschritt der Medizin führen dazu, dass immer mehr geriatrische Patienten intensivmedizinisch behandelt [1], d. h. auch infolge schwerer respiratorischer Insuffizienz beatmungspflichtig werden. Diese Entwicklung führt zu besonderen Herausforderungen an die medizinische Versorgung und das Management der Intensivpatienten im höheren Alter. Im Laufe des intensivmedizinischen Behandlungsprozesses ist die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Behandlung regelmäßig zu stellen.

Abstract

Changing demography with more older people and more patients with chronic diseases as well as the progress of medicine leads to more geriatric patients treated in intensive care and requiring mechanical ventilation due to severe respiratory insufficiency.

Frailty is associated with a more complicated intensive care stay, more difficult convalescence and with a higher mortality.

In principle, geriatric expertise should be brought in as early as possible in the course of intensive care treatment for older patients in order to carry out adequate risk stratification and, depending on the extent of the impairment, to plan discharge or early rehabilitation.

In older and frail patients preexisting chronic ventilatory insufficiency often leads to prolonged weaning. Patients with weaning failure should be referred to a specialized weaning center. Part of the assessment will be whether out-of-hospital invasive or non invasive ventilation is indicated and the wish of the patient.

In intensive care the likelihood of a successful outcome and the patient’s wishes must constantly be re-evaluated. This is particularly true in older patients. In addition it should be clarified with the patients and relatives what constitutes “success”; for example a patient may consider intensive care “worth it” if the ultimate goal is discharge to their own home but not if nursing home care and tracheostomy ventilation is the best that can be achieved. It may become apparent that a successful outcome is unlikely and then withdrawal of invasive ventilation is appropriate.

Kernaussagen
  • Der demografische Wandel sowie die Fortschritte in der Medizin führen dazu, dass zunehmend geriatrische Patienten intensivmedizinisch behandelt, d. h. auch infolge schwerer respiratorischer Insuffizienz beatmungspflichtig werden.

  • Frailty ist ein eigenständiges geriatrisches Syndrom und bedeutet, dass betagte Patienten empfindlicher als jüngere Menschen auf äußere Einflüsse und akute Erkrankungen reagieren. Dies kann den Verlust von Funktionalität zur Folge haben und mit einem komplikativen Verlauf, einer erschwerten Rekonvaleszenz und ggf. höheren Mortalität verbunden sein.

  • Primär soll die Indikation für eine intensivmedizinische Behandlung und nicht das kalendarische Alter über die Aufnahme eines Patienten auf die Intensivstation entscheiden. Vor allem aus ethischen Gründen sollten wirtschaftliche Aspekte bei dieser Entscheidung keine Rolle spielen.

  • Grundsätzlich sollte geriatrische Expertise möglichst früh im Behandlungsverlauf älterer Patienten auf Intensivstationen eingebracht werden, um eine adäquate Risikostratifizierung vornehmen zu können und die Entlassung bzw. die Rehabilitation kompetent zu planen.

  • V. a. Krankheitsbilder mit respiratorischer Insuffizienz infolge Erschöpfung der Atemmuskulatur führen zu chronisch ventilatorischer Insuffizienz und prolongiertem Weaning.

  • Die nachweisbare Zunahme der Patienten in der außerklinischen Beatmung erklärt sich neben zunehmender Komorbidität und höherem Alter mit der Verbesserung anästhesiologischer, chirurgischer Techniken und intensivmedizinscher Möglichkeiten.

  • Der rasante Anstieg der außerklinischen Intensivpflege bei invasiv beatmeten und spontan atmenden tracheotomierten Patienten stellt das Gesundheitssystem vor erhebliche personelle und finanzielle Herausforderungen.

  • Patienten mit Weaning-Versagen sollten zur Überprüfung der Indikation einer außerklinischen invasiven Beatmung in einem spezialisierten Weaning-Zentrum vorgestellt werden. Nach erfolglosem prolongiertem Weaning soll die außerklinische invasive Beatmung nur mit Zustimmung der Patienten begonnen werden.

  • Im Laufe des intensivmedizinischen Behandlungsprozesses ist die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Behandlung regelmäßig zu stellen, die Erreichbarkeit des Therapieziels und des Patientenwillens sollte dabei überprüft und ggf. angepasst werden.

  • In den Patientenverfügungen sollten möglichst konkrete Angaben – auch zu Aspekten der Beatmungsmedizin – formuliert werden.

  • Beim Erstellen einer Patientenverfügung ist eine ärztliche Beratung (z. B. durch den Hausarzt, Lungenarzt und/oder Intensivmediziner) zu empfehlen.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
12. Februar 2021

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