Pneumologie 2021; 75(05): 389-395
DOI: 10.1055/a-1262-6399
Historisches Kaleidoskop

Die „Plombe“ in der Therapie der Lungentuberkulose[*]

The Plombage in the Historical Treatment of Pulmonary Tuberculosis
U. Aumann
St. Walburga Krankenhaus Meschede
› Author Affiliations

Noch vor 100 Jahren hatte ein Patient mit fortgeschrittener Lungentuberkulose – allermeist einhergehend mit der Entstehung von Defektzonen der Lunge (Kavernen) – nur eine geringe Überlebenschance.

Erst kurz vor dem 1. Weltkrieg und v. a. in den 1920er- und 1930er-Jahren wurden Operationsmethoden zur Kompression der Lunge und der in ihr liegenden Hohlraumbildungen entwickelt: der künstliche Pneumothorax – kleine – und die operative Verformung des Brustkorbes durch Rippenentfernung und Rippenkürzung – große Kollapstherapie ([Abb. 1]).

Zoom Image
Abb. 1 Unterschiedliches Ausmaß der Rippenresektion bei Thorakoplastik.

Eine weit schonendere Methode, die Lunge zusammenzudrücken – v. a. bei den in der Lungenspitze gelegenen Prozessen – war das Abschälen der extrapleuralen Faszie und die Verdrängung der wandständigen Pleura und der Lunge nach kaudal ([Abb. 2]).

Zoom Image
Abb. 2 Wand des Brustkorbes mit den extrapleuralen Faszien.

Diese Methode fand vornehmlich Anwendung bei

  • doppelseitig tuberkulös erkrankten Lungen mit Kavernenbildung,

  • starker Verschwartung um Kavernengebiete und

  • schlechtem Allgemeinzustand, der weder eine Thorakoplastik noch eine Lokalresektion der Lunge erlaubte.

Um komprimierte Lunge und Kavernengebiet zuverlässig niederzuhalten, bedurfte es eines raumfüllenden Festkörpers, der „Plombe“ [2] [6] [18] [19] [24].

Erste Versuche mit Luft, Kochsalzlösung oder Eigenblut lösten das Problem nur unvollkommen. So kam man auf die Idee, festere Teile, also Fettstückchen (Tuffier 1911), Rippenstückchen (Wilms 1913) oder gar eine Gummiblase (Gwerder 1913) einzubringen. Das überzeugte nicht. Der operativ tätige Lungenarzt F. Jessen aus Davos bezeichnete diese Versuche als ein „chirurgisches Gräuel“ [18].

Erst mit erwärmtem (ca. 60° C) Paraffin, das dann bei Körpertemperatur aushärtete, hatte man eine Substanz, die zuverlässig den erwünschten Effekt erbrachte [6] [18] [24] ([Abb. 3]).

Zoom Image
Abb. 3 Über der Lungenspitze eingebrachte Paraffinkugeln.

Die flüssige Paraffinmischung sollte in Glasschälchen ausgegossen werden. Aus dem erkaltenden Paraffin formte man dann etwa 2 – 3 cm im Durchmesser haltende Kugeln, die schichtweise in den Hohlraum eingebracht wurden.

* Herrn. Prof. Dr. Richard Achatzy in Freundschaft zugeneigt




Publication History

Article published online:
22 December 2020

© 2020. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany