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DOI: 10.1055/a-1321-3400
Risikoabschätzung bei Patienten mit chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie[*]
Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) mit Unterstützung des Bundesverbands der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner e. V. (BdP)Risk Assessment for Patients with Chronic Respiratory and Pulmonary Conditions in the Context of the SARS-CoV-2 PandemicStatement of the German Respiratory Society (DGP) with the Support of the German Association of Respiratory Physicians (BdP)Einleitung
Im Rahmen der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie gibt es eine Verunsicherung bezüglich der Frage des individuellen Schutzes bestimmter Patientengruppen mit chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen, sowohl bei den Ärzten, die in der Pflicht sind, den Patienten geeignete und sinnvolle Schutzmaßnahmen zukommen zu lassen, als auch bei den Patienten, die sich verständlicherweise optimal vor COVID-19 schützen wollen. Daher ist die Risikoabschätzung für bestimmte Patienten-Gruppen von besonderer Bedeutung.
Charakteristika der Erkrankung
Das für die Erkrankung COVID-19 verantwortliche Virus SARS-CoV-2 kann auch von asymptomatischen Personen (nach aktuellen Schätzungen bleiben 15 – 31 % aller Infizierten asymptomatisch [1] [2]) oder Erkrankten vor Symptombeginn [3] übertragen werden ([Abb. 1]). Dies trägt, neben der Kontagiosität, zur raschen Verbreitung des Virus bei. Die Mehrheit der an COVID-19 erkrankten Patienten hat einen milden bis moderaten Verlauf ([Abb. 1]) und ist im Durchschnitt für einen Zeitraum von 11,5 Tagen nach der Infektion symptomatisch (häufigste Symptome: Husten, Fieber, Geruchs- und Geschmacksverlust, Abgeschlagenheit, Muskel- und Gliederschmerzen; bei einigen Patienten auch gastrointestinale Symptome) [4] [5]. Bei einer kleinen Minderheit entwickelt sich 7 – 10 Tage nach Beschwerdebeginn eine schwere COVID-19-Erkrankung ([Abb. 1]) [5], mit zunehmender Luftnot, Pneumonie und respiratorischer Insuffizienz, die bei weniger als 25 % der hospitalisierten Patienten [6] eine intensivmedizinische Behandlung und Beatmung notwendig macht [7] [8]. Alarmsignale für schwere Verläufe sind Luftnot, Tachypnoe und/oder ein Abfall der Sauerstoffsättigung unter 94 % [4]. Neben der Pneumonie kann es bei schweren COVID-19-Verläufen zu einem ausgeprägten Endothelschaden der Lungengefäße [9] mit intravaskulären Thrombosierungen sowie thromboembolischen Ereignissen [10] [11], einer massiven Zytokinausschüttung [12] und zu einem Multiorgan-Versagen kommen [5]. Für die intensivmedizinische Betreuung stehen die High-Flow-Sauerstoff-Therapie, die nichtinvasive Beatmung (NIV), die invasive Beatmung und die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) [13] zur Verfügung. Für den Einsatz dieser Verfahren gibt es gesonderte Empfehlungen [8] [14]. Sowohl eine zu frühe als auch eine zu späte Intubation kann mit Komplikationen für den Patienten verbunden sein [7].
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Epidemiologie schwerer Verläufe
Während im Frühjahr 2020 nach Meldedaten des RKI bis zu 20 % der Patienten hospitalisiert wurden und der Fall-Verstorbenen-Anteil um die 4 % betrug, wurden, annehmbar aufgrund höherer Testraten und demografischer Verschiebungen mit einem größeren Anteil jüngerer Erkrankter, im September und Oktober 2020 in Deutschland nur noch etwa 6 % der gemeldeten Patienten hospitalisiert, und der Anteil der Todesfälle lag zuletzt bei unter 1 % (85 % der Verstorbenen waren mindestens 70 Jahre alt) [2]. Unter den hospitalisierten Patienten in Deutschland wurden in einer auf Krankenkassen-Daten beruhenden Auswertung von 10 021 Patienten in 920 Krankenhäusern 17 % beatmet, das mediane Alter dieser Patienten lag bei 71 Jahren und 66 % waren männlich. Die Krankenhausletalität betrug 22 % (16 % der Patienten ohne Beatmung, 53 % der Patienten mit Beatmung) [6]. Diese Krankenhausletalität ist höher als die von Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie (17 %) aus einer vergleichbaren Analyse von Krankenkassen-Daten [15]. Die Letalität von COVID-19 ist weiterhin unbekannt, da sie abhängt von der unbekannten tatsächlichen Anzahl erkrankter Menschen. Aktuelle Modellierungen aus Europa gehen von Letalitätsraten zwischen 0,3 – 0,9 % aus [16] [17] [18] [19]. Somit könnte die Letalität in der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie höher sein als die Letalität der saisonalen Influenza in einer schweren Saison (0,1 %) [20], allerdings werden bei der Influenza (im Gegensatz zu SARS-CoV-2) nur die direkten Todesfälle als Influenza-bedingte Todesfälle gewertet.
Die folgenden Aussagen beziehen sich insbesondere auf das Risiko, einen schweren oder letalen Verlauf von COVID-19 zu haben ([Abb. 1]). Dabei werden häufig gestellte Fragen anhand von 13 exemplarischen Fallbeispielen beantwortet.
Frage 1 (Allgemein): Welche Menschen sind am stärksten gefährdet, einen schweren COVID-19-Verlauf zu haben?
Antwort 1: Nach aktuellem Kenntnisstand ist ein höheres Alter der größte Risikofaktor für einen schweren oder letalen Verlauf von COVID-19. Dabei steigt das Letalitätsrisiko ab der 6. Lebensdekade kontinuierlich an und ist bei 80-jährigen Menschen um mehr als das 20-fache im Vergleich zum 50-jährigen Menschen erhöht [21]. Dies bestätigen auch die Meldedaten aus Deutschland, in denen nur 12 % aller Infektionen bei Personen ≥ 70 Jahren registriert sind, aber 85 % aller Todesfälle auftraten [2]. Weitere nachgewiesene Risikofaktoren für schwere COVID-19-Verläufe sind nach aktuellem Kenntnisstand [6]
[21]
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[28]:
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Adipositas
-
Männliches Geschlecht
-
Diabetes Mellitus
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Kardiovaskuläre Erkrankungen
Andere Risikofaktoren für schwere COVID-19-Verläufe sind nach aktuellem Kenntnisstand [6] [21] [22] [23] [24] [25] [26] [27] [28]:
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Chronische Nieren- oder Lebererkrankungen
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Zerebrovaskuläre/neurologische Erkrankungen
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Tumorerkrankungen
-
COPD
-
Fortgeschrittene interstitielle Lungenerkrankungen
-
Vorliegen einer Immundefizienz/Therapie mit Immunsuppressiva
Das Vorliegen von mehr als einer chronischen Erkrankung bzw. mehr als einem Risikofaktor erhöht das Risiko für schwere Verläufe deutlich [22] [29]. Eine besondere Risikogruppe mit hohem Letalitäts-Risiko stellen Patienten in Pflegeheimen aufgrund des hohen Alters und des häufigen Vorliegens mehrerer chronischer Erkrankungen dar. Auch breitet sich der Erreger in Pflegeheimen aufgrund der Zuständigkeit des Pflegepersonals für viele Bewohner und des engen körperlichen Kontaktes sehr schnell aus [30].
Frage 2 (Leichtes bis mittelschweres Asthma): Ich bin Lehrerin, 58 Jahre alt und ich habe ein mittelschweres, gut kontrolliertes Asthma und gebrauche regelmäßig meine Inhalations-Medikamente. Gelte ich damit als Risikopatient? Kann ich meiner Tätigkeit im Rahmen der Corona-Pandemie ohne Risiko nachgehen?
Antwort 2: Allgemeine COVID-19-Fallserien wiesen bereits im Frühjahr 2020 darauf hin, dass Patienten mit Asthma kein höheres Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben [6]
[21]
[22]
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[25]
[26]
[27]
[28]. Spezifische Fallserien mit Patienten mit Asthma aus Spanien [31], Belgien [32], Frankreich [33], Brasilien [34], Russland [35], Japan [36] und den USA [37]
[38]
[39]
[40]
[41]
[42] bestätigen einhellig, dass Asthma mit keinem Risiko für schwere COVID-19-Verläufe assoziiert ist. Selbst Patienten mit schwerem Asthma und einer Biologika-Therapie scheinen kein erhöhtes Risiko zu haben [43]
[44]
[45]
[46]
[47]
[48]
[49]
[50]. Eine koreanische Studie postulierte, dass die Subgruppe von Patienten mit nicht-allergischem Asthma ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe haben könnte [51], eine andere koreanische Studie zeigte jedoch, dass Asthma kein unabhängiger Risikofaktor für schwere COVID-19-Verläufe in Korea ist [52]. Somit wird aufgrund der umfangreichen aktuellen Datenlage davon ausgegangen, dass Asthma (aller Schweregrade) kein unabhängiger Risikofaktor für schwere COVID-19-Verläufe ist [53]. Es gibt sogar die Vermutung, dass dieses Risiko bei Patienten mit Asthma erniedrigt sein könnte [54]
[55]
[56], u. a. aufgrund einer verminderten Expression des für die Aufnahme von SARS-CoV-2 verantwortlichen ACE-2-Rezeptors in den Atemwegen [57]. Dies wurde insbesondere bei Patienten mit Allergien [58] und/oder Typ-2-Entzündung [59]
[60]
[61]
[62] beobachtet. Es gibt aktuell auch keine Hinweise darauf, dass eine Asthma-Therapie mit inhalativen Steroiden (ICS) in niedriger bis mittlerer Dosis das Risiko schwerer COVID-19-Verläufe steigert [63]. Da ICS generell das Asthma-Exazerbations-Risiko senken und möglicherweise zusätzlich die Expression des ACE-2-Rezeptors in den Atemwegen vermindern [64], wird hier eher ein protektiver Effekt vermutet [65]. Das Unterbrechen der ICS-Therapie kann zu einer schwerwiegenden Asthma-Verschlechterung und damit vermutlich zu schweren Verläufen im Falle einer COVID-19 Infektion beitragen. Die inhalative Therapie, insbesondere auch die Therapie mit ICS, sollte daher bei gut eingestelltem Asthma während der SARS-CoV-2-Pandemie unverändert und konsequent fortgeführt werden: Hierzu gibt es gesonderte ausführliche Statements der DGP (Stellungnahme der DGP zur Asthmatherapie mit inhalierbaren Steroiden, www.pneumologie.de) und der GINA (https://ginasthma.org/recommendations-for-inhaled-asthma-controller-medications). Auch eine Allergenimmuntherapie (Spezifische Immuntherapie; Hyposensibilisierung) sollte fortgeführt werden, hierzu gibt es ein gesondertes Statement der EAACI [66]. Wir schlagen daher vor, dass gut eingestellte Patienten mit Asthma ohne akute Erkrankungszeichen und ohne COVID-19-relevante Komorbiditäten im Schulbetrieb eingesetzt werden können, wenn die empfohlenen Hygienemaßnahmen des RKI (AHA-L: Abstand halten [1,5 m], Hygiene beachten, Alltagsmasken tragen, Lüften) konsequent eingehalten werden.
Frage 3 (Schweres Asthma): Ich bin Manager, 48 Jahre alt und habe ein schweres Asthma, inhaliere mehrere Medikamente täglich in hoher Dosis und werde mit einem Biologikum behandelt. Bislang bekomme ich dieses Biologikum von meinem Lungenarzt in regelmäßigen Abständen gespritzt. Kann ich weiter beruflich tätig sein? Muss ich mich zu Hause isolieren? Sollte ich mir das Biologikum lieber selber zu Hause spritzen?
Antwort 3: Bislang gibt es keine Hinweise darauf, dass eine Therapie mit Biologika bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen generell das Risiko schwerer COVID-19-Verläufe steigert [67]
[68]. Patienten mit schwerem Asthma und einer Biologika-Therapie scheinen kein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe zu haben [43]
[44]
[45]
[46]
[47]
[48]
[49]
[50]. Der einzige publizierte Patient mit schwerem Asthma und Biologika-Therapie, der an COVID-19 starb, hatte 4 typische COVID-19-Risikofaktoren (Alter, männliches Geschlecht, kardiovaskuläre Erkrankung, Diabetes), welche den schweren Verlauf erklärten [31]. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass eine Therapie mit systemischen Steroiden [21] oder hochdosierten ICS [63] (diese Therapie kann einer niedrigdosierten Therapie mit systemischen Steroiden entsprechen [69]) das Risiko für schwere COVID-19-Verläufe steigern kann. Die Vermeidung einer dauerhaften oder wiederholten systemischen Steroid-Therapie bei Patienten mit schwerem Asthma durch eine leitliniengerechte Dauer-Therapie mit Biologika (NVL Asthma 2020: www.leitlinien.de/nvl/asthma) ist also von besonderer Bedeutung in der Corona-Pandemie. Es wird daher empfohlen, eine Therapie mit Biologika bei Patienten mit schwerem Asthma, insbesondere zur Vermeidung einer systemischen Steroidtherapie und Krankenhaus-pflichtiger Exazerbationen, fortzuführen. Hierzu gibt es ein gesondertes Statement der DGAKI (https://dgaki.de/biologika-therapie-u-covid-19). Patienten mit gut eingestelltem schwerem Asthma ohne akute Erkrankungszeichen können auch außerhalb des eigenen Haushaltes tätig sein, wenn die seitens des RKI empfohlenen Verhaltensmaßnahmen (AHA-L) konsequent eingehalten werden. Eine häusliche Selbstapplikation der Biologika (dies ist für Omalizumab, Mepolizumab, Benralizumab und Dupilumab möglich und zugelassen) sollte angestrebt werden, damit der Kontakt mit medizinischen Einrichtungen, und somit das Risiko eines Kontaktes mit SARS-CoV-2 infizierten Patienten, reduziert wird.
Frage 4 (COPD): Ich bin Rentner, 68 Jahre alt und habe eine COPD. Ich hatte vor 3 Jahren einen Herzinfarkt und leide unter Bluthochdruck. Ich rauche gegenwärtig noch 3 – 4 Zigaretten pro Tag. Darf ich meine Bluthochdruck-Medikamente (z. B. Ramipril) weiter nehmen und die Inhalationen fortführen? Sollte ich mich gegen Pneumokokken impfen lassen? Sollte ich mich für die Dauer der Corona-Krise in häusliche Quarantäne begeben? Darf ich meine Kinder und Enkel treffen?
Antwort 4: Patienten mit COPD haben nach gegenwärtigem Kenntnisstand ein mäßig erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe [23]
[27]
[70]. Bei Vorliegen einer kardiovaskulären Komorbidität ist bei Patienten mit COPD von einem deutlich erhöhten Risiko auszugehen [23]
[71]. Eine Leitlinien-gerechte inhalative Therapie sollte bei COPD generell fortgeführt werden. Es gibt bislang auch keine sicheren Anhaltspunkte dafür, dass eine eventuelle Therapie mit inhalativen Steroiden einen prognostisch ungünstigen Effekt bei der COPD hat. In einer Studie mit fast 150 000 COPD-Patienten aus dem Vereinigten Königreich hatte sich ein Verdacht auf eine erhöhte Sterblichkeit bei mit ICS-behandelten COPD-Patienten ergeben. Die Autoren kamen aber zu dem Schluss, dass dies vermutlich eine Folge der Patientenauswahl (bias by indication) und nicht der Behandlung war [63]. Auch die Bluthochdrucktherapie, inklusive der Therapie mit ACE-Hemmern (wie Ramipril) oder Sartanen, sollte fortgeführt werden, es gibt keine Hinweise darauf, dass diese Medikamente das Risiko für schwere Verläufe steigern [72]
[73]. Eine Beendigung des Zigarettenrauchens wird dringend empfohlen. Eine Pneumokokken-Impfung wird, falls noch nicht erfolgt, nachdrücklich empfohlen. Ohne COVID-19-Erkrankungszeichen ist eine häusliche Quarantäne nicht erforderlich, die Empfehlungen des RKI (AHA-L), inklusive Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen, sollten jedoch konsequent befolgt werden. Treffen mit den Kindern oder Enkelkindern sollten aktuell möglichst vermieden werden, der Kontakt sollte vorzugsweise per Telefon oder Video-Konferenz gehalten werden.
Frage 5 (Mukoviszidose): Ich bin Student, 22 Jahre alt und habe eine Mukoviszidose. Ich nehme meine Medikamente regelmäßig und bin seit der Kindheit in Betreuung in einem ambulanten Mukoviszidose-Zentrum. Soll ich die aktuellen Physiotherapeuten-Termine weiter wahrnehmen? Soll ich für die Zeit der Corona-Krise zu Hause bleiben? Soll ich meine Medikamente unverändert weiter nehmen und die Inhalationen fortführen?
Antwort 5: Die publizierte Fallzahl an Patienten mit Mukovizidose (Cystische Fibrose, CF), die an COVID-19 erkrankt sind, ist nach wie vor sehr begrenzt [74]. Ein Update der „Cystic Fibrosis Registry Global Harmonization Group“ berichtet von 181 Fällen mit SARS-CoV-2 aus 19 Ländern, in denen ca. 85 000 Patienten mit CF leben (Stand: 13. 06. 2020) [75]. Unter diesen Patienten befanden sich 32 transplantierte Patienten (überwiegend mit Zustand nach Lungentransplantation). Insgesamt mussten 11 (davon 7 transplantierte) Patienten intensivmedizinisch behandelt werden: 7 (davon 3 transplantierte) Patienten starben. Die Autoren schlussfolgern, dass ein schwerer Verlauf mit zunehmendem Alter, CF-assoziiertem Diabetes Mellitus, schlechterer Lungenfunktion und einem Status nach Organtransplantation assoziiert war [75]. Die Verläufe in dieser Kohorte waren insgesamt jedoch günstiger als befürchtet und günstiger als in anderen Kohorten chronisch lungenkranker Patienten: Dies könnte möglicherweise mit dem protektiven Effekt des vergleichsweise jungen Patientenalters von Patienten mit CF zusammenhängen [75]. Auch betreiben diese Patienten i. d. R. unabhängig von der SARS-CoV-2-Pandemie eine sehr gute Basishygiene. Bei Patienten mit CF oder Bronchiektasen-Erkrankung anderer Ätiologie wird prinzipiell die unveränderte Fortsetzung der medikamentösen und nicht-medikamentösen Basistherapie empfohlen. Dies gilt grundsätzlich auch für eine notwendige Atemtherapie, wobei hier, wo immer möglich, eine eigenständige Durchführung angestrebt werden sollte. Zur Therapie in den ambulanten Physiotherapiepraxen existieren eigenständige Empfehlungen der DGP zu Hygienemaßnahmen in Zeiten der SARS-CoV-2-Pandemie (https://pneumologie.de/fileadmin/user_upload/COVID-19/20201103_Physiotherapie_SARS-CoV-2.pdf). Viele Therapeuten bieten ergänzende oder alternative Videobehandlungen an und können diese mittlerweile auch abrechnen. Ebenfalls sollten klinisch indizierte ambulante oder stationäre Antibiotika-Therapien und regelmäßige Besuche der Spezialambulanzen weiterhin erfolgen. Engmaschige laborchemische und klinische Kontrollen zum Beginn einer CFTR-Modulator-Therapie sind obligat (nach 2, 6 und alle 12 Wochen im ersten Jahr der Therapie) [76]. Bei ohnehin angedachter Einleitung einer CFTR-Modulatortherapie sollte das Risiko regelmäßiger Vorstellungen in (den hinsichtlich hygienischer Maßnahmen in Deutschland aber meist sehr gut aufgestellten) CF-Ambulanzen gegen den Nutzen einer oftmals erheblich verbesserten Lungenfunktion und geringeren Exazerbationsrate [77] abgewogen werden. Ohne COVID-19-Erkrankungszeichen ist ein Dauer-Aufenthalt zu Hause nicht erforderlich (und auch aus Sicht der vielen positiven Aspekte einer körperlichen Bewegung nicht sinnvoll), die Verhaltens-Empfehlungen des RKI (AHA-L) sollten jedoch konsequent befolgt werden. Zusammengefasst scheint der mögliche Schaden durch Unterbleiben der CF-spezifischen und sehr bewährten Routinemaßnahmen größer zu sein als der mögliche Schaden durch COVID-19.
Frage 6 (Interstitielle Lungenerkrankung): Ich bin Rentner, 72 Jahre alt und habe eine Rheuma-Lunge. Ich nehme regelmäßig Methotrexat (15 mg/Woche) und Prednisolon (5 mg/Tag). Ich nutze eine Langzeitsauerstofftherapie (2 Liter O2/min über Nasensonde). Kann ich mich in der Corona-Krise überhaupt aus dem Haus trauen? Sollte ich die Medikamente weiter nehmen? Soll ich die Sauerstofftherapie fortführen?
Antwort 6: Es wird vermutet, dass interstitielle Lungenerkrankungen (ILD), v. a. Lungenfibrosen, mit einem höheren Risiko eines schweren COVID-19-Verlaufs verbunden sind. Wenn eine Hospitalisierung notwendig wird, ist bei ILD-Patienten mit einem signifikant erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf zu rechnen [78]. Dies gilt v. a. für Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose (IPF), insbesondere bei fortgeschrittener Erkrankung und bei Übergewicht. Auch wenn die Datenlage schwach ist, muss bedacht werden, dass eine vorübergehende Unterbrechung einer indizierten immunsuppressiven Therapie mit einem Risiko einer Verschlechterung der Grunderkrankung verbunden ist (und einer dann noch höher dosierten immunsuppressiven Therapie). Bei allen ILD (inklusive Sarkoidose [79]), die immunsuppressiv behandelt werden, sollte die Indikation zu einer Immunsuppression überprüft werden. Besteht die Indikation zur Fortführung, sollte sie unverändert in möglichst niedrigster Dosis fortgeführt werden. Nur bei Nachweis von SARS-CoV-2 beim Patienten oder im gleichen Haushalt lebender Angehöriger sollte (in Einklang mit den Empfehlungen der DGRh, www.dgrh.de) ein vorübergehendes Absetzen der Immunomodulatoren wie Azathioprin oder Methotrexat bis zur klinischen Besserung erfolgen, eine Prednisolon-Therapie sollte in der klinisch möglichst niedrigsten Dosis fortgeführt werden. Da ein protektiver Effekt von Antifibrotika bei IPF gegen die Entwicklung akuter Exazerbationen, die bei ILD in Zusammenhang mit viralen Infekten auftreten können, existiert, sollte, bis verlässliche Daten existieren, diese Therapie fortgeführt werden [80]
[81]. Ohne COVID-19-Erkrankungszeichen ist ein Dauer-Aufenthalt zu Hause nicht erforderlich (und auch aus Sicht der vielen positiven Aspekte einer körperlichen Bewegung nicht sinnvoll), die Verhaltens-Empfehlungen des RKI (AHA-L) sollten jedoch konsequent befolgt werden. Eine Sauerstofftherapie sollte unverändert fortgeführt werden. Ungeklärt sind Verlauf und Therapie einer durch COVID-19 ausgelösten ILD: Hierzu werden derzeit Studien durchgeführt. Ob eine antifibrotische oder Steroid-Therapie hier sinnvoll ist, kann derzeit noch nicht beantwortet werden [82].
Frage 7 (Sarkoidose): Ich bin 43 Jahre alt, habe nie geraucht und bin normalgewichtig. Vor 2 Jahren wurde bei mir eine Sarkoidose mit mäßiger Lungen- und Lymphknotenbeteiligung festgestellt. Ich habe keine andere Organ-Mitbeteiligung. Meine Lungenfunktion ist normal. Bislang musste ich keine Medikamente für die Sarkoidose einnehmen. Habe ich ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf? Kann ich während der Pandemie weiterarbeiten? Was ist, wenn sich meine Sarkoidose verschlechtert und ich doch Sarkoidose-Medikamente nehmen muss? Und kann eine COVID-19-Erkrankung bei mir eine Verschlechterung meiner Sarkoidose bewirken?
Antwort 7: In einer New Yorker Studie war Sarkoidose kein unabhängiger Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf, bei mittelgradig oder schwergradig eingeschränkter Lungenfunktion war das Risiko allerdings erhöht [83]. Eine internationale Registerstudie fand auf der Basis von 600 COVID-19-Patienten mit chronisch-entzündlichen System-Erkrankungen (inklusive 10 Sarkoidose-Patienten) ein höheres Risiko für eine Hospitalisierung bei einer Glukokortikoid-Therapie mit ≥ 10 mg Prednisolon-Äquivalent pro Tag, nicht jedoch bei einer Therapie mit Biologika, DMARDs oder NSAR [84] (in einer späteren Analyse sahen die Autoren bei 41 Sarkoidose-Patienten kein Risiko für schwere Verläufe in Relation zur Glukokortikoid-Therapie [85]). Bei der Risikobetrachtung von Sarkoidose-Patienten sind 1. die lungenfunktionelle Beeinträchtigung, 2. extrapulmonale Organbeteiligungen, 3. das Vorliegen von Komorbiditäten und 4. die aktuelle immunsuppressive Therapie entscheidend. In Einklang mit den medikamentösen Empfehlungen zu den vorgenannten Substanzklassen der EULAR und der DGRh (www.dgrh.de) bei rheumatischen Krankheitsbildern sowie den Sarkoidose-spezifischen Empfehlungen einer internationalen Gruppe von Sarkoidose-Experten wird bei klinisch stabilen Sarkoidose-Patienten ohne COVID-19 eine Fortführung einer immunsuppressiven bzw. immunmodulatorischen Therapie mit der niedrigsten noch effektiven Dosis empfohlen. Allerdings sollte die Indikation zu einer Therapie streng geprüft werden. Ebenso können diese Patienten unter Einhaltung der Verhaltens-Empfehlungen des RKI (AHA-L) auch weiterhin am Arbeitsleben teilnehmen. Bei Patienten mit einer aktiven Erkrankung bzw. drohenden Organkomplikationen sollte die Einleitung/Fortführung einer immunsuppressiven bzw. immunmodulatorischen Therapie im Sinne einer Risiko-Nutzen-Abwägung sorgfältig bewertet, aber in der Mehrzahl der Fälle eingeleitet bzw. fortgeführt werden. Bei Sarkoidose-Patienten mit akuter COVID-19-Erkrankung sollte eine immunsuppressive bzw. immunmodulatorische Sarkoidose-Therapie pausiert werden. Bei der Entscheidung zur Fortführung einer Prednisolontherapie sollte diese auf eine möglichst geringe, noch effektive Erhaltungsdosis reduziert werden. Indikation und Zeitpunkt einer COVID-19-spezifischen Dexamethason-Therapie sind hiervon unbenommen [79]
[86].
Frage 8 (Lungentransplantation): Ich bin 53 Jahre alt und ich wurde vor 3 Jahren beidseitig lungentransplantiert. Ich nehme regelmäßig viele Medikamente ein und achte sehr auf alle Empfehlungen bezüglich meiner Ernährung und meines Lebensstils. Darf ich im Rahmen der Corona-Krise in die Öffentlichkeit gehen? Sollte ich die ganzen Medikamente unverändert weiter nehmen?
Antwort 8: Es gibt bisher keine publizierten Daten, die zeigen, dass Lungentransplantierte häufiger mit SARS-CoV-2 infiziert werden. Das Risiko für schwere Verläufe mit COVID-19 scheint bei lungentransplantierten Patienten aufgrund der notwendigen Immunsuppression erhöht zu sein. Es gibt allerdings sowohl für Ciclosporin als auch für Tacrolimus In-vitro-Daten, die zeigen, dass die Virusreplikation unter diesen beiden Medikamenten gehemmt ist. Es sind bisher mehrere Fallserien über Lungentransplantierte mit COVID-19 veröffentlicht worden. Der weltweit erste publizierte Fall einer deutschen Patientin mit COVID-19 nach Lungentransplantation zeigte einen moderaten Verlauf [87]. In einer Fallserie mit 90 Organtransplantierten (davon 17 Lungentransplantierte) mit COVID-19 aus New York wurden 76 % der Patienten im Krankenhaus aufgenommen, 24 % wurden intubiert und 18 % starben [88]. In anderen Fallserien mit Transplantierten mit COVID-19, allerdings nicht solchen nach Lungentransplantation, starben 25 – 28 % der Infizierten [89]
[90]
[91], darunter auch 2 Patienten, die anfangs klinisch nicht als hospitalisierungsbedürftig eingeschätzt wurden [90]. Es ist deswegen eine erhöhte Sensibilität bei Transplantierten an Tag 7 – 10 nach Symptombeginn auch bei initial nur milden klinischen Symptomen geboten ([Abb. 1]). Es wird keine prophylaktische Anpassung der Immunsuppression im Rahmen der Corona-Krise empfohlen und auch nicht generell bei mit SARS-CoV-2-infizierten lungentransplantierten Patienten. Nur bei schweren und moderaten COVID-19-Verläufen wird empfohlen, Mycophenolat-Mofetil und Azathioprin unter stationärer Überwachung vorübergehend zu pausieren. Wechselwirkungen von Immunsuppressiva, Virostatika und im Rahmen von COVID-19 verabreichten additiven Medikamenten sind bei Lungentransplantierten zu beachten. Ein prophylaktischer Dauer-Aufenthalt zu Hause ist nicht erforderlich (und auch aus Sicht der vielen positiven Aspekte einer körperlichen Bewegung nicht sinnvoll), die Verhaltens-Empfehlungen des RKI (AHA-L) sollten jedoch streng befolgt werden. Den Einsatz von FFP2-Masken zum persönlichen Schutz in besonderen Risikosituationen sollten Lungentransplantierte mit ihrem Transplantationszentrum besprechen.
Frage 9 (Lungenkrebs): Ich bin Rentnerin, 71 Jahre alt und habe Lungenkrebs. Ich werde aktuell mit einer Chemotherapie ambulant behandelt. Eine Knochenmetastase wurde vor 3 Monaten bestrahlt, eine weitere soll noch bestrahlt werden. Sollte die Chemotherapie in der aktuellen Corona-Krise fortgeführt werden? Soll die Bestrahlung erfolgen? Dürfen mich meine Kinder besuchen?
Antwort 9: Nach bisherigen Erkenntnissen besteht bei Tumorpatienten generell ein erhöhtes Risiko schwerer COVID-19-Verläufe [92]
[93]
[94]
[95]
[96]
[97]. In einer großen, akademischen, internationalen Datenbank (TERAVOLT: http://teravolt-consortium.org) wurden aktuell bei mehr als tausend Patienten mit Lungenkarzinom und einer COVID-19-Erkrankung Daten zum Verlauf der Infektion erhoben [98]
[99]. Erste Analysen dieser Datenbank zeigen, dass schwere COVID-19-Verläufe (32 % der in der Datenbank erfassten Patienten starben an COVID-19) assoziiert sind mit Faktoren wie schlechter Allgemeinzustand (stärkster Risikofaktor), höheres Lebensalter, Vortherapie mit Glukokortikoiden, aktuelles Rauchen, Erkrankungs-Stadium und Art der onkologischen Therapie [100]
[101]. Bestätigt wurden diese Risikofaktoren durch eine Auswertung von 105 SARS-CoV-2-infizierten Lungenkrebs-Patienten aus New York (in dieser Fallserie wurden 62 % der Lungenkarzinom-Patienten mit COVID-19 hospitalisiert, 25 % der Patienten starben) [102]. Andererseits wurde die Hypothese aufgestellt, dass eine Immunsuppression im Rahmen einer Krebstherapie bei einigen Patienten die für schwere COVID-19-Verläufe typische massive Zytokinausschüttung verhindern und somit einem schweren Verlauf entgegenwirken könnte [103]. Das Spektrum der Lungenkrebs-Erkrankungen ist aber aufgrund der vielen unterschiedlichen Tumor-Unterarten, Ausbreitungs-Stadien, Tumor-Therapien und Prognosen so breit, dass Risikoabschätzungen und Empfehlungen hier nur sehr individuell ausgesprochen werden können. Im Allgemeinen gilt, dass Operationen, Systemtherapien oder Bestrahlungen von vitaler Bedeutung für die Patienten sind und daher, wenn möglich, weder verschoben noch aufgehoben werden sollten [104]. Für die Krebstherapie im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie gibt es gesonderte Empfehlungen der DGHO (www.dgho.de) und der ESMO (www.esmo.org), letztere mit sehr dezidierten, hierarchischen Empfehlungen (drei abgestufte Level) für Diagnostik und jede Form der lokalen/systemischen Tumortherapie beim Lungenkarzinom. Zusätzlich wurden in einem Consensus-Statement der ESMO detaillierte Empfehlungen zur Behandlung, Diagnostik und zum Management von Patienten mit Lungenkarzinom und anderen Tumorerkrankungen erarbeitet und diskutiert [105]. Zwar gelten die Verhaltens-Empfehlungen des RKI (AHA-L) auch für Lungenkrebs-Patienten, und alle Besucher sollten diese gewissenhaft befolgen. Bezüglich der Kontaktbeschränkungen muss jedoch in Abhängigkeit der Prognose individuell über den Besuch von Angehörigen oder Freunden entschieden werden, ein vollständiges Besuchsverbot kann hier nicht gelten.
Frage 10 (Schlafapnoesyndrom): Ich bin 74 Jahre alt und wiege 120 kg. Ich habe nie geraucht und habe bis auf meinen Bluthochdruck keine weiteren Erkrankungen. Früher fühlte ich mich morgens wie gerädert und war tagsüber sehr müde. Seitdem ich die CPAP-Therapie regelmäßig nutze, bin ich morgens ausgeschlafen und kann den ganzen Tag im Garten arbeiten. Gehöre ich zu einer Risiko-Gruppe, bei welcher eine Corona-Virus-Infektion häufiger mit einem schweren Verlauf einhergeht? Kann ich bald wieder eine große Grillparty in meinem Garten machen?
Antwort 10: Für Patienten mit obstruktivem Schlafapnoesyndrom, die nachts eine CPAP-Therapie nutzen müssen, kann ein erhöhtes Risiko nach der derzeitigen Datenlage weder ausgeschlossen noch bestätigt werden. Zudem wurde in einem Statement der DGSM festgehalten, dass es keine gesicherten Hinweise für eine Verschlechterung einer COVID-19-Erkrankung durch eine CPAP-Therapie gibt: Diese sollte daher fortgeführt werden [106]. Allerdings ist die Kombination aus den Risikofaktoren Adipositas, höheres Alter und arterieller Hypertonus allgemein mit einem deutlich erhöhten Risiko schwererer COVID-19-Verläufe verbunden [6]
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[22]
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[25]
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[27]
[28]. Daher sollten die Verhaltens-Empfehlungen des RKI (AHA-L) befolgt werden, und bis auf Weiteres sollte auf eine Party bzw. gesellige Runde mit Freunden verzichtet werden. Auch sollte die Corona-Krise Anlass dafür sein, die in jeder Hinsicht vorteilhafte Gewichtsreduktion in Angriff zu nehmen.
Frage 11 (Neuromuskuläre Erkrankung): Ich bin 62 Jahre alt und leide an einer seltenen Nervenerkrankung. Ich brauche seit einigen Monaten jede Nacht eine Maskenbeatmung, weil meine eigene Atmung in der Nacht nicht ausreicht, um genug Luft zu bekommen. Hätte ich bei einer Corona-Infektion überhaupt eine Chance, die Erkrankung zu überleben und anschließend wieder mein altes Leben zu führen? Vielleicht sollte ich mich dann lieber gar nicht mehr auf eine Intensivstation verlegen lassen?
Antwort 11: Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen, die eine nichtinvasive Beatmung (NIV) benötigen, leiden an einer schweren Einschränkung der Atempumpe. Obgleich zu diesem Patientenkollektiv noch keine epidemiologischen Daten im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie vorliegen, muss hier von einem deutlich erhöhten Risiko für schwere COVID-19-Verläufe ausgegangen werden, da diesen Patienten bei einer COVID-19-Pneumonie die ventilatorische Kompensationsfähigkeit fehlt. Aus diesem Grund muss bei diesen Patienten ggf. früher intubiert werden, solange keine Therapieziel-Beschränkungen bestehen. Andererseits muss eine Verlegung auf die Intensivstation nicht notwendigerweise mit einer Intubation verbunden sein. Hier kann auch zunächst im Sinne eines abgestuften Konzeptes – ggf. alternierend – mittels Sauerstoffgabe via nasalem High-Flow und auch mittels NIV-Intensivierung behandelt werden und somit ggf. die Intubation vermieden werden [7]
[107]. Bei diesen Patienten sind im Fall der invasiven Beatmung erhebliche Schwierigkeiten bei der Entwöhnung vom Respirator („Weaning“) zu erwarten. Dies schränkt die Prognose weiter ein, selbst wenn die Beatmung auf der Intensivstation primär erfolgreich ist [108]. Durch die Grunderkrankung kann eine eingeschränkte Lebensqualität vorliegen, welche nach langen Krankheitsverläufen einer COVID-19-Pneumonie noch eingeschränkter sein kann. Dies sollte individuell sehr detailliert besprochen werden [109]. Eine ausführliche und konkrete Patienten-Verfügung sollte in einem solchen Fall nach einer individuellen Beratung durch die behandelnde Lungenärztin/den behandelnden Lungenarzt und reiflicher Überlegung hier erstellt werden.
Frage 12 (Tuberkulose): Ich bin 43 Jahre alt und habe vor 20 Jahren eine Lungentuberkulose bekommen. Die Erkrankung wurde über 6 Monate mit einer Kombination aus mehreren Tabletten behandelt. Ich habe danach mehrere Röntgenbilder der Lunge gemacht, und die Ärzte haben mir bestätigt, dass die Tuberkulose folgenlos ausgeheilt ist. Beschwerden habe ich seitdem keine. Gelte ich mit dieser Vorerkrankung als Risikopatient für einen schweren Verlauf? Wenn ich aktuell mit Medikamenten gegen Tuberkulose behandelt werden würde, wäre ich dann ein Risikopatient?
Antwort 12: Es existieren bislang wenig aussagekräftige Daten zu SARS-CoV-2-Infektionen bei Patienten nach überstandener Tuberkulose. Vermutlich ist nach einer erfolgreich behandelten Tuberkulose ohne Folgeschäden die Wahrscheinlichkeit nicht erhöht, einen schweren COVID-19-Verlauf zu entwickeln. Kommt es allerdings durch eine Tuberkulose zu Folgeschäden der Lunge, bspw. zu Bronchiektasen, Fibrosierungen oder COPD [110]
[111], kann ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf nicht ausgeschlossen werden (siehe auch Antworten auf die Fragen 1, 4, 5 und 6 dieses Statements). Die bislang veröffentlichten Daten lassen einen schwereren COVID-19-Verlauf bei Patienten vermuten, die sich während einer Tuberkuloseerkrankung mit SARS-CoV-2 infizieren [112]
[113]
[114]. Aufgrund der geringen Anzahl an publizierten Fällen ist eine sichere Beurteilung allerdings nicht möglich, zudem müssen immer auch die Komorbiditäten der Patienten beachtet werden [115]. Gerade unter den aktuell erschwerten Bedingungen ist es von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Tuberkulosetherapie, alle notwendigen Arzttermine wahrzunehmen und Therapieunterbrechungen zu vermeiden [116]. Eine konsequente Fortführung der Tuberkulose-Therapie im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie wird daher vom DZK [117] und von der WHO (https://www.who.int/teams/global-tuberculosis-programme/covid-19) dringend empfohlen. Epidemiologische Daten führten zu der Hypothese, dass durch die Tuberkuloseimpfung (BCG) ein Schutz gegen SARS-CoV-2-Infektionen und deren schwere Verläufe entstehen könnte [118]
[120]. Eine heterologe Schutzwirkung gegen andere Virusinfektionen wurde zwar beschrieben [121], ob diese auch für SARS-CoV-2 angenommen werden kann, ist bislang nicht bewiesen und wird aktuell in Studien geprüft.
Frage 13 (Lungenembolie): Ich bin 61 Jahre alt, nicht übergewichtig und habe nie geraucht. Vor 3 Jahren wurde bei mir eine Lungenembolie festgestellt, ein Auslöser oder eine genetische Ursache wurde nicht gefunden. Ich habe bis vor 2 Jahren ein blutgerinnungshemmendes Medikament eingenommen, seitdem ist es nicht wieder zu einer Lungenembolie gekommen. Ich habe gelesen, dass es bei einer Corona-Infektion zu Lungenembolien kommen kann. Habe ich ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf? Soll ich den Gerinnungshemmer zur Sicherheit wieder nehmen?
Antwort 13: COVID-19 geht mit einem deutlich erhöhten Risiko für das Auftreten von Thrombosen und Lungenembolien einher [10]
[11]
[122]
[123]
[124]. Laborbefunde, die auf eine Gerinnungsneigung als Folge der ausgeprägten Entzündungsreaktion hindeuten (u. a. erhöhte D-Dimer-Werte), wurden häufig, in mehr als 50 % der Fälle, beobachtet [5]
[125]. Der Anteil der Patienten, bei denen Lungenembolien, Beinvenenthrombosen und/oder Mikroembolien mit nachfolgender Organdysfunktion (z. B. Niere, Herz, Zentralnervensystem) bestätigt werden, ist ebenfalls hoch und liegt bei durchschnittlich 25 % [126]
[128] (wahrscheinlich sogar höher [123]), auch wenn die bisherigen Befunde ohne Kontrollgruppe erhoben wurden und damit wenig belastbar sind. Bei COVID19-Patienten, die stationär behandelt werden, konnte durch eine frühzeitige und konsequente Thromboseprophylaxe die Mortalität deutlich gesenkt werden [129]. Eine Antikoagulation in prophylaktischer Dosierung wird aktuell bei allen stationär aufgenommenen Patienten mit COVID-19, unabhängig von der Anamnese einer Thrombose oder Embolie, empfohlen. Eine therapeutische Antikoagulation ist dagegen bei nachgewiesener Thrombose/Embolie sowie in bestimmten Situationen bei COVID19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung (z. B. ECMO) indiziert. Bei Patienten auf der Intensivstation kann darüber hinaus je nach klinischem Schweregrad und prokoagulatorischer Befundkonstellation (z. B. deutlich erhöhte bzw. steigende D-Dimere) eine halbtherapeutische Gabe von niedermolekularem Heparin oder sogar eine Vollantikoagulation erwogen werden [130]
[132]. Bei Patienten, die in der Vergangenheit eine Thrombose oder Lungenembolie erlitten und somit ein höheres Thromboserisiko mit sich tragen, besteht nach aktuellem Kenntnisstand kein erhöhtes Risiko (im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung) in Zusammenhang mit COVID-19 und v. a. keine Indikation für eine flächendeckende medikamentöse Thromboseprophylaxe zu Hause. Patienten mit einer Lungenembolie-Vorgeschichte, die keine Gerinnungshemmer mehr einnehmen, sollten generell, und insbesondere während der COVID-19-Epidemie, auf die allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen (wie die Vermeidung längerer Immobilisation und eine ausreichende Flüssigkeitseinnahme) achten. Falls sie sich jedoch mit COVID-19-verdächtigen Beschwerden bei ihrem Hausarzt oder in der Notaufnahme eines Krankenhauses vorstellen, sollten sie unbedingt erwähnen, dass sie in der Vergangenheit eine Lungenembolie oder Venenthrombose erlitten haben, damit bei Bestätigung des COVID-19-Verdachts und Krankenhausaufnahme mit der Thromboseprophylaxe umgehend begonnen wird [133]
[134].
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* Update November 2020
Publication History
Article published online:
26 November 2020
© 2020. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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