CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2021; 81(07): 807-818
DOI: 10.1055/a-1390-4320
GebFra Science
Original Article/Originalarbeit

Pränatale und geburtshilfliche Parameter von Spätabbrüchen: eine retrospektive Analyse

Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch
Anne Dathan-Stumpf
1   Universitätsklinikum Leipzig, Abteilung für Geburtsmedizin, Leipzig, Germany
,
Julia Kern
1   Universitätsklinikum Leipzig, Abteilung für Geburtsmedizin, Leipzig, Germany
,
Renaldo Faber
2   Zentrum für Pränatale Medizin Leipzig, Leipzig, Germany
,
Holger Stepan
1   Universitätsklinikum Leipzig, Abteilung für Geburtsmedizin, Leipzig, Germany
› Institutsangaben

Zusammenfassung

Hintergrund In Deutschland ist das hochsensible Thema Spätabbruch und Fetozid durch § 218a Abs. 2 StGB (medizinische Indikation) gesetzlich geregelt. Ziel dieser Studie war die Untersuchung des pränatal-geburtsmedizinischen Vorgehens nach Fetozid sowie der maternalen Komplikationsrate.

Material und Methoden Im Zeitraum zwischen 01/2016 – 12/2019 wurden retrospektiv alle am Universitätsklinikum Leipzig durchgeführten Fetozide bei Einlingsschwangerschaften (n = 164) analysiert. Selektive Fetozide bei Mehrlingsschwangerschaften wurden ausgeschlossen. Als Zielgrößen des pränatal-geburtshilflichen Vorgehens galten die sonografische Schätzgenauigkeit, die Einleitungsmethode, das Zeitintervall zwischen Fetozid und Entbindung sowie die Notwendigkeit einer Kürettage. Die maternale Komplikationsrate wurde definiert als Blutverlust ≥ 500 ml.

Ergebnisse Der prozentuale Anteil der Fetozide an der Gesamtgeburtenrate im Untersuchungszeitraum betrug 1,6%. Es erfolgte kein Spätabbruch aufgrund einer primär physischen Gefährdung der Mutter, vielmehr wurden alle Indikationen ausschließlich aufgrund einer psychosozialen Belastung und seelischen Gefährdung im Sinne des § 218a StGB gestellt. Die häufigsten Diagnosen im Kontext der psychosozialen Notsituation der Mutter waren ZNS-Auffälligkeiten (29,3%), nummerische Chromosomenaberrationen (29,3%) sowie strukturelle Chromosomenaberrationen/Syndrome (21,3%). Bei etwa der Hälfte der Feten wurde das fetale Gewicht sonografisch unterschätzt (− 121,8 ± 155,8 g), wobei der Schätzfehler mit zunehmenden Gestationsalter zunahm (p < 0,001). Misoprostol war das am häufigsten eingesetzte Medikament zur Weheninduktion. Es konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen der gewählten Einleitungsmethode, Parität, fetalen Lage, fetalen Anomalie, dem kindlichen Geschlecht, Geburtsmodus oder der Anzahl der vorangegangenen Sectiones caesareae zu ΔEntbindung gezeigt werden. Allerdings konnten mit einem zunehmenden ΔEntbindung signifikant höhere Blutverluste beobachtet werden (p = 0,02). Mit steigendem Blutverlust nahm die Wahrscheinlichkeit der Notwendigkeit einer Kürettage zu. Der Anteil maternaler Komplikationen am Gesamtkollektiv betrug 10,4%. Lediglich 11% stimmten einer Obduktion zu.

Fazit Spätabbrüche gemäß § 218a Abs. 2 StGB stellen eine Realität dar und müssen als mögliche Konsequenz der modernen Pränatalmedizin verstanden und getragen werden. Der Fetozid und das folgende geburtsmedizinische Prozedere waren, nach oben definierten Komplikationskriterien, mit einer Rate von 10% assoziiert. Die Durchführung von Spätabbrüchen sowie deren geburtshilfliches Management sollten an spezialisierten Perinatalzentren mit interprofessioneller Expertise erfolgen.



Publikationsverlauf

Eingereicht: 07. November 2020

Angenommen nach Revision: 12. Februar 2021

Artikel online veröffentlicht:
13. Juli 2021

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