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DOI: 10.1055/a-1390-4320
Pränatale und geburtshilfliche Parameter von Spätabbrüchen: eine retrospektive Analyse
Article in several languages: English | deutschZusammenfassung
Hintergrund In Deutschland ist das hochsensible Thema Spätabbruch und Fetozid durch § 218a Abs. 2 StGB (medizinische Indikation) gesetzlich geregelt. Ziel dieser Studie war die Untersuchung des pränatal-geburtsmedizinischen Vorgehens nach Fetozid sowie der maternalen Komplikationsrate.
Material und Methoden Im Zeitraum zwischen 01/2016 – 12/2019 wurden retrospektiv alle am Universitätsklinikum Leipzig durchgeführten Fetozide bei Einlingsschwangerschaften (n = 164) analysiert. Selektive Fetozide bei Mehrlingsschwangerschaften wurden ausgeschlossen. Als Zielgrößen des pränatal-geburtshilflichen Vorgehens galten die sonografische Schätzgenauigkeit, die Einleitungsmethode, das Zeitintervall zwischen Fetozid und Entbindung sowie die Notwendigkeit einer Kürettage. Die maternale Komplikationsrate wurde definiert als Blutverlust ≥ 500 ml.
Ergebnisse Der prozentuale Anteil der Fetozide an der Gesamtgeburtenrate im Untersuchungszeitraum betrug 1,6%. Es erfolgte kein Spätabbruch aufgrund einer primär physischen Gefährdung der Mutter, vielmehr wurden alle Indikationen ausschließlich aufgrund einer psychosozialen Belastung und seelischen Gefährdung im Sinne des § 218a StGB gestellt. Die häufigsten Diagnosen im Kontext der psychosozialen Notsituation der Mutter waren ZNS-Auffälligkeiten (29,3%), nummerische Chromosomenaberrationen (29,3%) sowie strukturelle Chromosomenaberrationen/Syndrome (21,3%). Bei etwa der Hälfte der Feten wurde das fetale Gewicht sonografisch unterschätzt (− 121,8 ± 155,8 g), wobei der Schätzfehler mit zunehmenden Gestationsalter zunahm (p < 0,001). Misoprostol war das am häufigsten eingesetzte Medikament zur Weheninduktion. Es konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen der gewählten Einleitungsmethode, Parität, fetalen Lage, fetalen Anomalie, dem kindlichen Geschlecht, Geburtsmodus oder der Anzahl der vorangegangenen Sectiones caesareae zu ΔEntbindung gezeigt werden. Allerdings konnten mit einem zunehmenden ΔEntbindung signifikant höhere Blutverluste beobachtet werden (p = 0,02). Mit steigendem Blutverlust nahm die Wahrscheinlichkeit der Notwendigkeit einer Kürettage zu. Der Anteil maternaler Komplikationen am Gesamtkollektiv betrug 10,4%. Lediglich 11% stimmten einer Obduktion zu.
Fazit Spätabbrüche gemäß § 218a Abs. 2 StGB stellen eine Realität dar und müssen als mögliche Konsequenz der modernen Pränatalmedizin verstanden und getragen werden. Der Fetozid und das folgende geburtsmedizinische Prozedere waren, nach oben definierten Komplikationskriterien, mit einer Rate von 10% assoziiert. Die Durchführung von Spätabbrüchen sowie deren geburtshilfliches Management sollten an spezialisierten Perinatalzentren mit interprofessioneller Expertise erfolgen.
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Abkürzungen
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Einleitung
Kaum ein pränatal-geburtsmedizinisches Thema polarisiert und wird so kontrovers sowie emotional diskutiert wie der Fetozid, der als das gezielte Töten eines oder mehrerer Feten im Mutterleib definiert ist [1]. Ab einem Gestationsalter ≥ 20 – 22 Schwangerschaftswochen (SSW) bzw. mit Beginn der Lebensfähigkeit [2] wird bei einem Spätabbruch die Durchführung eines Fetozids als eine mögliche Option angeboten, um einer Situation vorzubeugen, den vital geborenen Feten medizinisch versorgen zu müssen [3]. Unter sonografischer Kontrolle wird durch intravasale oder intrakardiale Kaliumchlorid-Injektion der fetale Kreislaufstillstand herbeigeführt.
Wie in vielen anderen Ländern sind der elterliche Wunsch auf Abbruch der Schwangerschaft und die Praxis des Fetozids auch in Deutschland hochsensible Themen. Auch die Einstellung der Kliniken zu dieser Thematik ist nicht homogen, was für die betroffenen Patientinnen eine zusätzliche psychische Belastung darstellen kann.
Seit mehreren Jahren liegt der prozentuale Anteil der Fetozide bei Einlingsschwangerschaften an der Gesamtzahl der Schwangerschaftsabbrüche konstant bei 0,6%, was im Jahr 2018 einer Zahl von 641 Eingriffen entsprach [4]. Gesetzlich ist die Durchführung des Fetozids in Deutschland durch § 218a Abs. 2 StGB (Medizinische Indikation) geregelt. Dieser besagt: „Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.“ [5]. Die häufigsten in der Literatur genannten Ursachen für diese beschriebene psychosoziale Notsituation der Frau sind schwerste fetale Auffälligkeiten und/oder genetische Befunde (z. B. Trisomien). Führend sind chromosomale Aberrationen, strukturelle Anomalien des ZNS und Herzen sowie multiple Malformationen [6], [7]. Die Österreichische Gesellschaft für Prä- und Perinatalmedizin bezeichnet den Fetozid daher als humanitäre, ethische, medizinische und rechtliche Form des Spätabbruchs [8]. In der Stellungnahme des German Board and College of Obstetrics and Gynecology (GBCOG) zum Thema Schwangerschaftsabbruch heißt es ergänzend, dass die „Gefahr für Leben und Gesundheit der Schwangeren, auch für die soziale und psychische Gesundheit, eine Rechtfertigung sein [kann] an einen Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken, […] da kein Embryo oder Fetus gegen die Mutter gerettet werden kann“ [9].
Paare, bei denen im fortgeschrittenen Schwangerschaftsalter schwerwiegende fetale Anomalien detektiert werden, stehen meist vor einem moralischen sowie ethischen Dilemma und sind psychisch enorm belastet. Erschwerend kommt hinzu, dass Kliniken vielerorts die Durchführung eines Fetozids ablehnen und den Eingriff als Verstoß gegen das ärztliche Berufsethos [10], „Auto-Genozid“ [11] und „Früheuthanasie“ [12] bezeichnen.
In der Diskussion um den Fetozid sind die flächendeckend angebotenen, pränatalmedizinischen Untersuchungen von Bedeutung. Wie die Autorin Braun A. in ihrem Artikel treffend beschreibt, sollten sich Patientinnen mit Wunsch nach Pränataldiagnostik bereits vor den Untersuchungen im Klaren sein, welche Konsequenz eine Detektion möglicher Auffälligkeiten beim Kind für sie hat [12]. Eben diese Frage sollten sich aber auch praktizierende Pränatalmediziner stellen, da die Verantwortung des Arztes nicht nur in der pränatalen Diagnostik (sonografisch, invasiv, noninvasiv) sondern auch in der Konsequenz liegt, was möglicherweise, nach neutraler und umfangreicher Beratung über die Befunde, den elterlichen Wunsch nach Terminierung der Schwangerschaft bzw. Fetozid bedeuten kann.
Die Daten- und Studienlage zu dieser Thematik ist begrenzt. In der klinischen Praxis beobachten wir häufig, dass gerade das klinische Management nach dem Fetozid, das Intervall zur stillen Geburt, postpartale Komplikationen wie vermehrte Blutungen oder aber auch die Hospitalisierungsdauer von besonderem Interesse für die Patientinnen sind. Ziel dieser Untersuchung ist es daher, durch Aufarbeitung der Daten der letzten 5 Jahre den betroffenen Frauen eine bessere Beratungsgrundlage hinsichtlich des pränatal-geburtsmedizinischen Vorgehens und möglicher Komplikationen bieten zu können.
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Methoden
Studiendesign
Im Untersuchungszeitraum zwischen 01/2016 bis 12/2019 wurden 164 Fetozide bei Einlingsschwangerschaften am Universitätsklinikum Leipzig durchgeführt und retrospektiv analysiert. Selektive Fetozide (n = 1) wurden, aufgrund des unabhängig erhöhten maternalen Blutungsrisikos bei Mehrlingsschwangerschaften, ausgeschlossen. Zudem wurde eine Patientin mit abnorm invasiver Plazenta (Z. n. Sectio) ausgeschlossen, bei welcher nach 2-zeitigem Vorgehen der Fetus und die Plazenta uteruserhaltend nach 6 Wochen geboren wurden.
Die Angaben zu den Zielgrößen des pränatal-geburtshilflichen Vorgehens (sonografische Schätzgenauigkeit, initiale Einleitungsmethode, Zeitintervall zwischen Fetozid und Entbindung, Hospitalisierungsdauer sowie Notwendigkeit einer Kürettage) wurden retrospektiv den elektronischen Patientenakten entnommen. Außerdem wurden die Gravidität, Parität, das maternale Alter, Gestationsalter bei Entbindung, Geburtsgewicht sowie die fetale Diagnose der psychosozialen Notsituation der Mutter erfasst.
Die Kategorisierung der geborenen Feten in Totgeburt (≥ 500 g bzw. < 500 g, aber ≥ 23,0 SSW) und Fehlgeburten (< 500 g) wurde gemäß § 31 der deutschen Personenstandsverordnung (PStV) vorgenommen [13].
Die sonografische Schätzgenauigkeit wurde definiert als die Differenz zwischen dem fetalen Schätzgewicht (nach Hadlock I [14], maximal 7 Tage zurückliegend im Ultraschall, Gerät vom Typ GE E8/E10, Logiq book [GE Healthcare, Little Chalfon, UK]) und dem tatsächlichen Geburtsgewicht. Für die Differenzierung der Schätzgenauigkeit wurden Abweichungen zum tatsächlichen Geburtsgewicht ± 100 g als „genau“, > + 100 g als „Überschätzung“ und > − 100 g Abweichung als „unterschätzt“ definiert. Die sonografische Schätzung erfolgte durch Ärzte mit einer Ultraschallexpertise entsprechend mindestens einem DEGUM-II-Level.
Das Zeitintervall zwischen Fetozid und Entbindung wird im Folgenden als ΔEntbindung bezeichnet. Die maternale Komplikationsrate wurde definiert als ein Blutverlust ≥ 500 ml. Zudem wurde die Notwendigkeit einer Kürettage erfasst, die bei unvollständig erscheinender Plazenta oder nach manueller Plazentalösung durchgeführt wurde.
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Multiprofessionelles Management und Ablauf des Spätabbruchs
In Mitteldeutschland (Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) werden die Fetozide gemäß § 218a Abs. 2 StGB großteils durch die geburtsmedizinische Abteilung des Universitätsklinikums Leipzig gewährleistet.
Werden in der Pränataldiagnostik schwerwiegende Auffälligkeiten beim Feten diagnostiziert, so erfolgt eine multidisziplinäre, ergebnisoffene und neutrale Beratung über die Therapiemöglichkeiten, Unterstützungsangebote und Alternativen. Dies schließt Beratungen durch einen Neonatologen, häufig auch Kinderchirurgen sowie Psychologen und, bei ZNS-Fehlbildungen, einen Neurochirurgen bzw. Neuropädiater ein. Zur Bestätigung der detektierten Pathologien und besseren Beurteilung des Schweregrades wird die pränatale Diagnostik durch ein fetales MRT ergänzt. Die Patientin erhält zudem eine humangenetische Beratung. Die Entscheidung zum Fetozid muss sowohl von den Eltern als auch den durchführenden Ärzten getragen werden.
Die Durchführung des Fetozids erfolgt ab 21,0 SSW, bei einem erwarteten Kindsgewicht > 500 g, bei unklarem Gestationsalter oder im Ultraschall reifer erscheinenden Feten ggf. etwas eher. Nach vorausgegangener, gewichtsadaptierter fetaler Anästhesie mit Midazolam, Fentanyl, Thiopental und Mivacuriumchlorid wird der fetale Kreislaufstillstand durch die intrakardiale, in seltenen Fällen intravasale, Instillation von Kaliumchlorid herbeigeführt und fotodokumentiert (Viewpoint, GE Healthcare).
In jedem Fall erfolgt postmortal eine ärztliche Leichenschau, in einigen Fällen zudem die Sichtung des toten Kindes durch die Humanmediziner. Für Totgeburten (≥ 500 g) wird ein Totenschein (Todesart: nicht natürlicher Tod) ausgestellt. Das gesamte Verfahren wird staatsanwaltschaftlich geprüft. Die Entscheidung zur immer empfohlenen Obduktion obliegt den Eltern. Bei Vorliegen von Skelettdysplasien wird postmortal die Anfertigung eines Babygramms, einer Ganzkörperröntgenaufnahme des Fetus, angestrebt. Fehlgeburten (< 500 g) unterliegen, zumindest in Sachsen sowie den angrenzenden Bundesländern Thüringen, Sachsen-Anhalt und Bayern, nicht dem Bestattungsgesetz [15] und werden häufig als „Schmetterlingskinder“ [16] beigesetzt.
Während des gesamten Klinikaufenthalts (prä- und postpartal) werden die Eltern psychologisch mitbetreut. Dies umfasst auch die Möglichkeit einer poststationären, ambulanten Gesprächsführungstherapie sowie Informationen für wohnortnahe psychologische Anlaufstellen und Angebote z. B. Elterngruppen oder Rückbildungskurse für Eltern mit verstorbenen Kindern.
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Weheninduktion
International wird der Einsatz von Medikamenten und Methoden zur Weheninduktion sehr divergent gehandhabt [17]. Am Universitätsklinikum Leipzig wird am häufigsten Misoprostol (Cytotec®) in einer Dosierung 800 µg vaginal (Erstgabe), alle weiteren 4 Stunden 400 µg oral, zur Einleitung bei Spätabbrüchen verwendet. Bei fortgeschrittenem Gestationsalter jenseits der 30. SSW werden niedrigere Dosierungen von 25 – 50 µg oral genutzt. Allerdings ist die Verabreichung eines synthetischen Prostaglandin-E1-Derivats wie Misoprostol aufgrund des erhöhten Rupturrisikos bei Zustand nach Sectio absolut kontraindiziert [18]. Daher wird bei diesen Patientinnen die Applikation von Gemeprost 1 mg (Cergem®) als Vaginalzäpfchen in wiederholter Gabe alle 4 Stunden angewandt. Zudem werden mechanische Methoden wie der Doppel-Ballon-Katheter eingesetzt, welcher bis zu 24 Stunden belassen und sowohl uterin als auch vaginal mit bis zu 80 ml Kochsalzlösung befüllt werden kann [17]. Zur alleinigen suffizienten Weheninduktion sind mechanische Methoden häufig unzureichend und müssen im Verlauf durch andere Methoden ergänzt werden. So z. B. durch Dinoproston 0,5 mg (Prepidil®), welches als Intrazervikal-Gel alle 6 Stunden appliziert wird. Als alternatives Prostaglandin-E2-Derivat kann Cervidil 1 mg alle 4 Stunden, bis zum Erreichen der zugelassenen täglichen Maximaldosis, verabreicht werden.
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Statistische Datenanalyse
Die statistische Auswertung erfolgte mit dem IBM Statistical Package for Social Sciences (IBM SPSS V.24). Es wurden standardisierte statistische Methoden verwendet. Das Signifikanzniveau betrug für alle Tests 5% (α = 0,05). Nicht normalverteilte Mittelwerte und ordinale Daten wurden verglichen unter Verwendung des Mann-Whitney-U-Tests und Kruskal-Wallis-Tests. Der Zusammenhang zweier Merkmale wurde mittels Pearson-χ2-Test und Korrelationsanalysen untersucht.
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Ethik
Die schriftliche Einverständniserklärung zur wissenschaftlichen Verwendung der anonymisierten Daten wurde bei jedem Patienten als institutionelles Standardverfahren eingeholt. Alle Verfahren entsprachen den ethischen Standards des zuständigen Ausschusses für menschliche Experimente (institutionell und national) und der aktuellen Fassung der Deklaration von Helsinki (1975). Die Studie wurde durch die Ethikkommission des Universitätsklinikums Leipzig (IRB00001750) genehmigt: Reg. Nr. 310/20-ek.
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Ergebnisse
Beschreibung der Studienpopulation
Insgesamt wurden 164 Fälle zwischen der 21,5 und 36,2; SSW in die Analyse eingeschlossen. Das mittlere Gestationsalter zum Zeitpunkt der Entbindung im Gesamtkollektiv betrug 26,1 SSW. Der späteste Fetozid erfolgte in der 36,2 SSW bei einer Drittgebärenden. Bei deren Feten wurde erst sehr spät (Diagnosestellung 35,2 SSW) eine schwere Hirnfehlbildung mit Balkenagenesie, interhemisphären Zystenkomplexen sowie einer ausgeprägten Migrations- und Gyrierungsstörung detektiert, welche sich erst spät bildmorphologisch darstellen ließ.
Die Anzahl der am Universitätsklinikum Leipzig durchgeführten Fetozide verdoppelte sich im Untersuchungszeitraum von n = 26 (2016) auf n = 53 (2019) und entsprach somit zuletzt einem Anteil von 2,0% der Gesamtgeburtenrate ([Tab. 1]). Nur gut die Hälfte der Patientinnen (n = 89) waren wohnhaft im Bundesland Sachsen (54,3%), wovon wiederum n = 40 (45,0%) aus Leipzig und Umgebung stammten. Die anderen Patientinnen kamen hauptsächlich aus den Bundesländern Sachsen-Anhalt (n = 55; 33,5%) und Thüringen (n = 15; 9,1%) ([Abb. 1]).
(%) |
n |
|
---|---|---|
* Prozentueller Anteil der Fetozide an der Gesamtgeburtenzahl des jeweiligen Kalenderjahrs. |
||
Kalenderjahr |
||
|
15,9/1,0* |
26 |
|
21,3/1,3* |
35 |
|
30,5/1,8* |
50 |
|
32,3/2,0* |
53 |
Amniozentese |
82,9 |
136 |
fetales Geschlecht |
||
|
45,7 |
75 |
|
53,0 |
87 |
|
1,2 |
2 |
Z. n. Sectio caesarea |
||
|
86,0 |
141 |
|
12,2 |
20 |
|
1,8 |
3 |
Z. n. Sectio caesarea und initialer Einleitungsmethode |
||
|
21,7 |
5 |
|
43,5 |
10 |
|
34,8 |
8 |
Parität |
||
|
42,7 |
70 |
|
40,2 |
66 |
|
8,5 |
14 |
|
8,5 |
14 |
Entbindungsmodus |
||
|
98,2 |
161 |
|
1,2 |
2 |
|
0,6 |
1 |
Blutverlust (ml) |
||
|
84,1 |
138 |
|
7,3 |
12 |
|
3,1 |
5 |
|
5,5 |
9 |
Kürettage |
||
|
18,3 |
30 |
|
82,4 |
14 |
Obduktion |
11,0 |
18 |
[Tab. 1] beschreibt deskriptiv die Zusammensetzung der Gesamtstudienpopulation. Rund 83% (136/164) der Schwangeren wünschten eine invasive Pränataldiagnostik mittels Amniozentese zur genetischen Abklärung etwaiger Auffälligkeiten. Lediglich 11% (18/164) stimmten einer ärztlich empfohlenen Obduktion zu ([Tab. 1]). [Tab. 2] beschreibt anhand kategorialer Merkmale das Studienkollektiv in Anhängigkeit zum gruppierten Gestationsalter (< 24,0 SSW n = 60; 24,0 – 28,0 SSW n = 65; > 28,0 SSW n = 39). Das mittlere Geburtsgewicht betrug 941 g (± 558). Im Durchschnitt wogen auch die Feten < 24,0 SSW über 500 g (555 ± 118 g) ([Tab. 3]).
total, % (n) |
< 24,0 SSW, % (n) |
24,0 – 28,0 SSW, % (n) |
> 28,0 SSW, % (n) |
|
---|---|---|---|---|
fetale Anomalien |
||||
|
29,3 (48) |
33,3 (20) |
16,9 (11) |
43,6 (17) |
|
11,0 (18) |
6,7 (4) |
18,5 (12) |
5,1 (2) |
|
29,3 (48) |
28,3 (17) |
32,3 (21) |
25,6 (10) |
|
21,3 (35) |
20,0 (12) |
24,6 (16) |
17,9 (7) |
|
4,3 (7) |
5,0 (3) |
3,1 (2) |
5,1 (2) |
|
4,9 (8) |
6,7 (4) |
4,6 (3) |
2,6 (1) |
sonografische Gewichtsschätzung |
||||
|
47,6 (78) |
61,7 (37) |
50,8 (33) |
20,5 (8) |
|
47,6 (78) |
35,0 (21) |
44,6 (29) |
71,8 (28) |
|
3,0 (5) |
1,7 (1) |
4,6 (3) |
2,6 (1) |
|
1,8 (3) |
1,7 (1) |
5,1 (2) |
|
initiale Einleitungsmethode |
||||
|
82,3 (135) |
81,7 (49) |
86,2 (56) |
76,9 (30) |
|
4,3 (7) |
0 |
4,6 (3) |
10,3 (4) |
|
6,1 (10) |
8,3 (5) |
4,6 (3) |
5,1 (2) |
|
5,5 (9) |
10,0 (6) |
4,6 (3) |
0 |
|
1,8 (3) |
0 |
0 |
7,7 (3) |
Entbindungsposition |
||||
|
62,2 (102) |
56,7 (34) |
56,9 (37) |
79,5 (31) |
|
37,8 (62) |
43,3 (26) |
43,1 (28) |
20,5 (8) |
MW |
SD |
Min. |
Max. |
95%-KI |
z-Wert |
p |
|
---|---|---|---|---|---|---|---|
MW – Mittelwert, SD – Standardfehler, Min. – Minimum, Max. – Maximum, 95%-KI – 95%-Konfidenzintervall, g – Gramm, d – Tage, h – Stunden, ml – Milliliter * Bei Werten für ΔEntbindung ≥ 5 Tage ging ein Rohwert von 120 Stunden in die Berechnung ein, um den Einfluss der Extremwerte zu relativieren. Dieses Vorgehen wurde bei 3 Patientinnen angewandt (Zeitintervalle: 5 Tage, 6,5 Tage und 27 Tage). |
|||||||
maternales Alter (Jahre) |
31,4 |
5,7 |
17,0 |
46,0 |
|||
Gestationsalter bei Entbindung (SSW) |
26,1 |
3,3 |
21,5 |
36,2 |
|||
Schätzfehler (g) |
− 121,8 |
155,8 |
− 758,0 |
199,0 |
|||
|
− 75,4 |
86,7 |
− 285,0 |
192,0 |
− 97,8; − 52,6 |
||
|
− 100,6 |
138,9 |
− 491,0 |
197,0 |
− 135,0; − 66,1 |
3,94 |
< 0,001 |
|
− 233,7 |
210,5 |
− 758,0 |
199,0 |
− 303,9; − 163,5 |
4,76 |
< 0,001 |
neonatales Geburtsgewicht (g) |
940,6 |
558,2 |
260,0 |
3170,0 |
|||
|
554,8 |
117,5 |
370,0 |
990,0 |
524,5; 585,2 |
− 5,73 |
< 0,001 |
|
834,0 |
249,9 |
260,0 |
1520,0 |
772,1; 896,0 |
− 5,58 |
< 0,001 |
|
1711,5 |
587,7 |
860,0 |
3170,0 |
1521,0; 1902,0 |
− 10,48 |
< 0,001 |
Zeitintervall Diagnosestellung bis Fetozid (d) |
20,1 |
13,7 |
5,0 |
70,0 |
|||
|
14,0 |
9,4 |
5,0 |
55,0 |
11,6; 16,4 |
− 4,81 |
< 0,001 |
|
23,0 |
12,2 |
6,0 |
55,0 |
20,0; 26,1 |
||
|
24,5 |
18,2 |
7,0 |
70,0 |
18,6; 30,4 |
− 4,54 |
0,001 |
Zeitintervall Fetozid bis Entbindung (h) |
24,6 |
17,8 |
5,0 |
120* |
|||
|
21,5 |
16,4 |
7,0 |
120* |
17,2; 25,7 |
||
|
25,6 |
19,6 |
5,0 |
120* |
20,7; 30,5 |
||
|
27,6 |
16,4 |
6,0 |
72,0 |
22,3; 32,9 |
− 2,56 |
0,03 |
Blutverlust (ml) |
326,3 |
290,8 |
100,0 |
2000,0 |
|||
|
323,2 |
280,8 |
100,0 |
1500,0 |
245,6; 400,6 |
||
|
312,7 |
290,4 |
100,0 |
2000,0 |
239,6; 385,8 |
||
|
352,6 |
310,1 |
150,0 |
1600,0 |
252,0; 453,1 |
||
Hospitalisierungsdauer (d) |
2,5 |
1,2 |
1 |
11 |
|||
|
2,3 |
1,1 |
1 |
9 |
2,0; 2,6 |
||
|
2,4 |
1,4 |
1,0 |
11,0 |
2,1; 2,8 |
||
|
2,8 |
1,0 |
1,0 |
6,0 |
2,4; 3,1 |
− 2,41 |
0,048 |
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Fetale Fehlbildungen und Zeitintervall zwischen Diagnosestellung und Fetozid
Unter den fetalen Anomalien waren ZNS-Auffälligkeiten (29,3%), numerische Chromosomenaberrationen (29,3%) sowie strukturelle Chromosomenaberrationen/Syndrome (21,3%) führend. Zu den häufigsten ZNS-Auffälligkeiten zählten komplexe Hirnfehlbildungen, Corpus-callosum-Agenesien, schwerer Hydrozephalus, Spina bifida und kongenitale Infektionen mit ZNS-Manifestation (Toxoplasmose, CMV). Die numerischen Chromosomenaberrationen setzten sich zusammen aus Trisomie 21 (56,3%), Trisomie 18 (14/48; 29,2%), Trisomie 13 (3/48; 6,2%) und „sonstigen“ (4/48; 8,3%). Kardiale Fehlbildungen (hypoplastisches Links- oder Rechtsherzsyndrom, Transposition der großen Gefäße, komplexe Herzvitien) wiesen 11,0% der Feten auf ([Tab. 2]). [Abb. 1] zeigt die prozentuale Verteilung der fetalen Anomalien für das gruppierte Gestationsalter. Die häufigsten Ursachen für die psychosoziale Notsituation der Mutter stellten im fortgeschrittenen Gestationsalter (> 28,0 SSW) ZNS-Auffälligkeiten dar. Es konnte keine signifikante Assoziation der prozentualen Verteilung der fetalen Anomalien zum Gestationsalter gefunden werden (p = 0,97).
Für das Zeitintervall zwischen der Diagnosestellung einer fetalen Anomalie und dem Zeitpunkt des Fetozids zeigten sich signifikante Unterschiede. So unterschied sich das Intervall des Gestationsalters < 24,0 SSW signifikant sowohl zum gruppierten Gestationsalter von 24,0 – 28,0 SSW (p < 0,001) als auch > 28,0 SSW (p = 0,001) ([Tab. 3]).
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Sonografischer Schätzfehler
Bei etwa der Hälfte der Feten wurde das sonografische Gewicht unter- und in etwa 50% korrekt geschätzt. Nur bei lediglich 5/164 Feten wurde ein größeres Schätzgewicht errechnet ([Tab. 2]). Der mittlere Schätzfehler betrug − 121,8 g (± 155,8). 99,1% (114/115) der ≥ 500 g geschätzten Feten wiesen ein tatsächliches Geburtsgewicht ≥ 500 g auf, 50% (23/46) der < 500 g geschätzten Feten wogen schlussendlich mehr als ≥ 500 g und fielen somit unter die Bestattungspflicht. Der Anteil an Totgeburten im Gesamtkollektiv betrug 88,4%.
Feten > 28,0 Schwangerschaftswochen wurden zu 75% unterschätzt ([Tab. 2]). Mit steigendem Gestationsalter nahm auch der Schätzfehler signifikant zu (p < 0,001) ([Tab. 3]). Ein Zusammenhang zwischen der Schätzgenauigkeit und der Art der fetalen Anomalie konnte nicht gefunden werden (p = 0,25). In 3 Fällen konnten keine Angaben zur fetalen Gewichtsschätzung retrospektiv gefunden werden.
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Geburtseinleitung und Zeitintervall zwischen Fetozid und Entbindung (ΔEntbindung)
Die prozentuale Verteilung der initial eingesetzten Einleitungsmethoden nach Fetozid ist, in Abhängigkeit zum gruppierten Gestationsalter, in [Tab. 2] dargestellt. Mit über 82% war Misoprostol das am häufigsten angewandte Medikament, bei Z. n. Sectio wurde Cergem am häufigsten verwendet ([Tab. 1]). Gegenüber Cervidil wurden Prepidil (24,0 vs. 34,3 SSW, p = 0,01) und der Doppel-Ballon-Katheter (24,0 vs. 29,0 SSW, p = 0,02) signifikant häufiger in höheren Schwangerschaftswochen angewandt ([Tab. 4]). Es konnte kein signifikanter Einfluss der gewählten Einleitungsmethode auf ΔEntbindung (p = 0,1; [Abb. 3]) oder die Hospitalisierungsdauer (p = 0,16) gezeigt werden.
Zusammenhang zweier Variablen |
Charakteristika |
MW |
SD |
Min./Max. |
p |
---|---|---|---|---|---|
MW – Mittelwert, SD – Standardfehler, Min. – Minimum, Max. – Maximum, g – Gramm, d – Tage, h – Stunden, ml – Milliliter |
|||||
Blutverlust (ml) – Kürettage |
keine Kürettage (n = 134) |
240,7 |
131,6 |
100/1200 |
< 0,001 |
Kürettage (n = 30) |
698,3 |
460,0 |
200/2000 |
< 0,001 |
|
Kürettage + Blutverlust ≥ 500 ml (n = 14) |
1046,4 |
441,4 |
600/2000 |
||
ΔEntbindung (h) – Blutverlust |
500 – 1000 ml (n = 12) |
18,9 |
10,5 |
8/47 |
0,02 |
> 1000 ml (n = 5) |
54,6 |
41,8 |
21/120 |
||
Hospitalisierungsdauer (d) – Blutverlust |
< 500 ml (n = 138) |
2,4 |
1,1 |
1/11 |
0,04 |
> 1000 ml (n = 5) |
4,8 |
2,7 |
3/9 |
||
Geburtsgewicht (g) – ΔEntbindung |
< 24 Stunden (n = 111) |
873 |
537,1 |
260/3170 |
|
24 – 48 Stunden (n = 41) |
1038,5 |
550,8 |
400/2590 |
||
> 48 Stunden (n = 12) |
1226,7 |
676,8 |
480/2490 |
||
Gestationsalter bei Entbindung (SSW) – ΔEntbindung |
< 24 Stunden (n = 111) |
25,4 |
3,1 |
21,5/36,2 |
|
24 – 48 Stunden (n = 41) |
26,6 |
3,6 |
21,6/35,5 |
||
> 48 Stunden (n = 12) |
28,0 |
3,6 |
23,3/35,0 |
0,03 |
|
Gestationsalter bei Entbindung (SSW) – initiale Einleitungsmethode |
Misoprostol (n = 135) |
26,0 |
3,2 |
21,5/35,5 |
|
Cergem (n = 10) |
25,0 |
2,3 |
22,6/28,4 |
||
Prepidil (n = 3) |
34,3 |
3,2 |
30,6/36,2 |
0,01 |
|
Cervidil (n = 9) |
24,0 |
0,8 |
22,3/25,1 |
0,02 |
|
Ballon-Katheter (n = 7) |
29,0 |
2,8 |
25,6/33,1 |
Das Zeitintervall zwischen Fetozid und Entbindung ist, gruppiert für das Gestationsalter, in [Tab. 3] dargestellt. Im Gesamtkollektiv betrug ΔEntbindung 24,6 Stunden (± 17,8). Bei 3 Patientinnen war ΔEntbindung ≥ 5 Tage (5 Tage, 6,5 Tage und 27 Tage). Um den Einfluss der 3 Extremwerte möglichst gering zu halten und sie dennoch in der Datenauswertung zu berücksichtigen, wurde für diese 3 Patienten ein Wert von 120 Stunden zugrunde gelegt. Eine Patientin lehnte die Einleitung nach Fetozid ab und stellte sich 27 Tage später mit spontanem Wehenbeginn vor. Bei einer Zweitgebärenden mit Z. n. Sectio musste in der 26,2 SSW nach 5-tägigen frustranem Einleitungsversuch eine Sectio parva durchgeführt werden.
Es konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Parität (p = 0,69), fetalen Entbindungsposition (Schädellage/Beckenendlage) (p = 0,61), fetalen Anomalie (p = 0,88), dem neonatalen Geschlecht (p = 0,78), Geburtsmodus (p = 0,1) oder der Anzahl der Sectiones caesareae (p = 0,60) und ΔEntbindung gefunden werden. Allerdings korrelierte ein höheres neonatales Geburtsgewicht (r2 = 0,18; p = 0,03) bzw. Gestationsalter (r2 = 0,20; p = 0,01) mit einem signifikant längeren ΔEntbindung ([Tab. 4], [Abb. 2]). Die Mittelwerte des neonatalen Geburtsgewichts und Gestationsalters sind für das gruppierte ΔEntbindung in [Tab. 4] dargestellt, wobei sich nach Kategorisierung lediglich ein signifikanter Unterschied beim Gestationsalter für ΔEntbindung < 24 Stunden vs. > 48 Stunden zeigte.
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Maternale Komplikationen
Der Anteil an maternalen Komplikationen (Blutverlust ≥ 500 ml) lag bei 10,4% (17/164). Der mittlere Blutverlust im Untersuchungskollektiv betrug 326,3 ml (± 291) und variierte zwischen 100 ml und 2000 ml. 89% (138/164) wiesen einen Blutverlust < 500 ml auf. Bei 7,7% (12/164) wurde ein Blutverlust von 500 – 1000 ml, in 3,2% (5/164) > 1000 ml beobachtet ([Tab. 1]). Bei 9 Patientinnen konnten keine Angaben zum Blutverlust gefunden werden. Es ist aber davon auszugehen, dass dieser, aufgrund der fehlenden Dokumentation, sehr geringfügig ausfiel. Es konnte kein signifikanter Unterschied des Blutverlustes zwischen den 3 Gruppen des Gestationsalters gefunden werden (χ2 = 1,75; p = 0,42) ([Tab. 3]). Zudem war der Blutverlust nicht mit der Parität (p = 0,97) oder der Art der Einleitungsmethode (p = 0,97) assoziiert. Allerdings zeigte sich, dass mit zunehmender Einleitungsdauer (Zeitintervall zwischen Fetozid und Entbindung) ein signifikant größerer Blutverlust (z = − 2,65; p = 0,02) resultierte. Die Hospitalisierungsdauer betrug nach einem Blutverlust > 1000 ml im Mittel 4,8 Tage (± 2,7) und war somit signifikant länger als bei einem Blutverlust < 500 ml (2,4 ± 1,1 Tage) ([Tab. 4], [Abb. 2]). Keine Patientinnen erhielt eine Bluttransfusion.
82,4% (14/17) der Patientinnen mit einem Blutverlust > 500 ml mussten kürettiert werden (Mittelwert 1046,4 ± 441 ml). Der mittlere Blutverlust im Kollektiv ohne Kürettage betrug 240,7 ml (± 131,6) und war somit signifikant (p < 0,001) geringer als bei Patientinnen, die eine Kürettage erhielten (698,3 ± 460 ml) ([Tab. 4]). Das Gestationsalter zeigte keinen Einfluss auf die Notwendigkeit einer Kürettage (χ2 = 0,26; p = 0,61).
Bei keiner der Patientinnen wurde eine Geburtsverletzung registriert, die einer chirurgischen Versorgung bedurfte.
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Diskussion
Generell existieren nur wenige Untersuchungen zum geburtsmedizinischen Management nach Fetozid. Aus Deutschland gibt es keine umfassende Studie, die diese Thematik bzw. dieses Patientenkollektiv und die maternalen Komplikationen untersucht.
Regelmäßig (mindestens 1-mal wöchentlich) findet ein Spätabbruch am Universitätsklinikum Leipzig statt und stellt nicht nur die betroffenen Familien, sondern das gesamte geburtsmedizinische Team vor emotionale sowie organisatorische Herausforderungen. Legt man die Zahlen des Statistischen Bundesamtes für 2018 zugrunde, wurden 75% (51/68) aller durchgeführten Fetozide in Mitteldeutschland (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) durch das Universitätsklinikum Leipzig gewährleistet [4]. Im Jahr 2017 lag die Zahl der in Sachsen-Anhalt wohnhaften Patientinnen sogar weit über der in Sachsen Ansässigen (45,7 vs. 31,4%). Erforderlich und im Sinne der betroffenen Schwangeren und Familien ist ein flächendeckendes Beratungs- und Versorgungsangebot durch entsprechend ausgewiesene und infrastrukturell aufgestellte Zentren. Dort sollte die pränatale Diagnostik auf höchsten Niveau und mit ergebnisoffener Beratung der Schwangeren, unter Erläuterung aller möglichen Konsequenzen (z. B. Austragung der Schwangerschaft mit anschließend palliativer Versorgung, maximale medizinische Versorgung der pränatal diagnostizierten Auffälligkeiten oder Terminierung der Schwangerschaft), erfolgen.
In der sonografischen Gewichtsschätzung gilt ein Schätzfehler von ± 10 – 15% als vertretbar, wobei die auch hier verwendete Hadlock-I-Formel im Vergleich zu anderen Formeln als die genauere gilt [19], [20]. Ausgehend vom mittleren Geburtsgewicht (941 g) sowie Schätzfehler (− 122 g) lag die Schätzgenauigkeit im Untersuchungskollektiv bei − 13%. Für Patientinnen mit einem fetalen Schätzgewicht um die 500 g ist die Schätzgenauigkeit von Bedeutung, da mit einem Geburtsgewicht > 500 g das Kind unter die Bestattungspflicht fällt [14]. Für die Trauerbewältigung kann der Besuch einer Grabstätte wesentlich sein, andere sehen sich durch das Erreichen der 500-g-Grenze vor extreme organisatorische und finanzielle Herausforderungen gestellt. Viele der Paare wollen im Voraus wissen, welchen weiteren Werdegang sie nach der Entbindung zu bewältigen haben, sodass eine Änderung der Kategorisierung von Fehlgeburt in Totgeburt, oder auch andersherum, die Eltern zusätzlich belastet. Letztlich waren 99% der > 500 g geschätzten Feten tatsächlich Totgeburten.
Im Untersuchungskollektiv vergingen im Mittel zwischen Diagnosestellung und Fetozid 20 Tage. In der Übersichtsarbeit aus Gießen (n = 118) betrug dieses Zeitintervall 17 Tage [21] und ist somit mit unserem Ergebnis vergleichbar. Allerdings war das mittlere Gestationsalter am Universitätsklinikum Leipzig 2 Wochen höher (26,1 vs. 23,4 SSW). Dieser Unterschied resultiert möglicherweise aus dem bundeslandübergreifenden Einzugsgebiet. Da aus unterschiedlichen Gründen nicht alle Kliniken [22] den Fetozid durchführen, sind betroffene Patientinnen gezwungen, praktizierende Kliniken zu suchen, was aufgrund organisatorischer und diagnostischer Gründe zu einer zeitlichen Verzögerung des Eingriffs führt und einer unnötigen psychischen Belastung der Patientinnen.
Die meisten Untersuchungen zu Spätabbrüchen thematisieren die Einleitungsmethoden. Vergleichbar mit anderen Studien war Misoprostol das am häufigsten verwendete Medikament.
Dass Misoprostol anderen Medikamenten hinsichtlich des Zeitintervalls zwischen Einleitung bis zur Entbindung überlegen wäre [3], [23], [24], konnten unsere Daten nicht zeigen. Allerdings variieren die Einleitungsschemata der einzelnen Kliniken bezüglich der Dosierung, Applikationsform (vaginal oder oral) und Intervalle sehr stark, sodass ein direkter Vergleich schwierig ist. Im Wesentlichen kann aber durch die Verabreichung von Misoprostol eine Geburt des avitalen Feten innerhalb von 17 bis 24 Stunden erreicht werden, was sich mit den Ergebnissen unserer Untersuchung deckt (Mittelwert ΔEntbindung für Misoprostol 23,9 Stunden) [24], [25], [26]. In der Übersichtsarbeit aus Gießen wurde ein mittleres Zeitintervall bis zur Geburt von 2,6 Tagen gefunden, allerdings nach vorangegangenem Prostaglandin-Zervixpriming [21]. Durch die medikamentöse Zervixreifung mit Mifepriston, das die endogene Prostaglandinproduktion sowie Sensitivität erhöht, kann eine signifikante Verkürzung der Misoprostolgaben und letztlich des Zeitintervalls bis zur Geburt erreicht werden [3], [27]. Nach oraler Einnahme von Mifepriston werden die Patientinnen für 24 – 48 Stunden in die Häuslichkeit entlassen. Da das Einzugsgebiet der am Universitätsklinikum Leipzig behandelten Patientinnen sehr groß ist und diese Fahrtwege von mehreren Stunden auf sich nehmen, ist das beschriebene Management der Zervixreifung schwierig und findet daher keine Anwendung. Ein stationäres Priming mit Mifepriston (24 – 48 Stunden) würde das mittlere Zeitintervall einer Entbindung nach Einleitung mit Misoprostol weit überschreiten.
Generell zeigen die Daten, dass der Spätabbruch aus maternaler Sicht mit geringen Komplikationsraten assoziiert ist. Dennoch werden Anfragen für den isolierten Fetozid am Universitätsklinikum Leipzig und anschließend extern geplanter Entbindung abgelehnt, da die ganzheitliche Betreuung der Patientinnen im Vordergrund steht und die eigentliche Fetozidpunktion nicht isoliert betrachtet und durchgeführt werden darf. Wenngleich der Anteil der Patientinnen mit einem Blutverlust ≥ 500 ml bei 10% lag (in 5 Fällen Blutverluste zwischen 1000 – 2000 ml) und auch keine sonstigen, schwerwiegenden Komplikationen beobachtet werden konnten, sollte die Entbindung in spezialisierten Perinatalzentren mit entsprechender Expertise (v. a. der geburtsbegleitenden Hebammen), psychologischer Betreuung und medizinischen Ressourcen erfolgen. Im Untersuchungskollektiv musste rund jede 5. Patientin nach der Entbindung kürettiert werden. Führend waren hierbei Blutungsursachen, wobei keine Differenzierung vorgenommen wurde, ob die Blutung atonisch oder durch Plazentaresiduen bedingt war. In anderen Studien zum Spätabbruch während des 2. und 3. Trimenons variierten die Angaben zur Kürettagerate zwischen 2,5 – 55% [27], [29], [30], wobei diese Differenz auf das unterschiedliche geburtshilfliche Management zurückzuführen ist, da in anderen Kliniken Kürettagen im 2. Trimenon standardmäßig vorgenommen werden.
Dass letztlich nur 11% der Patientinnen einer Obduktion zustimmten, war ein überraschendes und nicht zufriedenstellendes Ergebnis, da diese aus ärztlicher Sicht empfohlen wird. Da die pränatale Diagnose bereits feststeht und postmortal festgestellte Befunde keinen Einfluss auf die Entscheidung zum Fetozid haben, lehnen die ohnehin psychisch belasteten Patientinnen [28] die Obduktion oft ab, um dieses Prozedere ihrem Kind (und sich selbst) zu ersparen. Dennoch ist die Obduktion ein wichtiges Instrument und sollte präferiert werden, dient sie doch zum einen der Qualitätssicherung pränataler Diagnostik und zum anderen der Detektion zusätzlicher Befund und Diagnosen in einigen Fällen, welche Konsequenzen auf die genetische Beratung und das Wiederholungsrisiko haben können [31], [32].
In ihrer Pressemitteilung zum Schwangerschaftsabbruch formuliert das German Board and College of Obstetrics and Gynecology (GBCOG) treffend, dass „Ein Schwangerschaftsabbruch […] leider in manchen Fällen die nötige Lösungsmöglichkeit für einen bestehenden Schwangerschaftskonflikt [ist, welcher] […] als Hilfe für Frauen in Not verstanden wird […] und […] nicht als gesellschaftlicher Makel gesehen werden darf. Die Ärzteschaft ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, auch hinsichtlich der persönlichen Einstellung zum Schwangerschaftsabbruch“ [9]. In eben dieser Diskussion wird die Bedeutung und Verantwortung der Pränatalmedizin deutlich, denn die qualitative pränatale Diagnostik sollte nicht nur die „gesellschaftlichen Begehrlichkeiten nach dem perfekten und ‚gesunden‘ Kind“ befriedigen [12], sondern auch der Diagnosestellung und deren Therapie dienen, womit der Fetozid als eine mögliche Konsequenz der Pränataldiagnostik zu werten ist. Dennoch wird der Schwangerschaftsabbruch, unabhängig vom Gestationsalter, „nie etwas anderes sein als eine von mehreren schlechten Optionen“ [9].
Abschließend sollte angemerkt werden, dass diese Untersuchung ausschließlich den Fetozid und dessen Management untersucht. Der Spätabbruch stellt jedoch nur eine Option bei Feststellung schwerwiegender fetaler Anomalien dar. Das Austragen der Schwangerschaft mit anschließend hochkompetenter, neonataler Palliativversorgung ist eine Alternative, welche ebenfalls am Universitätsklinikum Leipzig mit den Eltern diskutiert und praktiziert wird. In jedem Fall ist der Verlust des Kindes für die betroffenen Paare eine enorme emotionale und psychische Belastung, egal für welchen Werdegang (Spätabbruch vs. Palliativversorgung) sie sich entscheiden.
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Fazit
Spätabbrüche und Fetozide gemäß § 218a Abs. 2 StGB gehören zur praktischen Realität der Geburtshilfe und sollten als eine mögliche Konsequenz der modernen Pränatalmedizin, unter Berücksichtigung der rechtlichen Voraussetzungen, der moralisch-ethischen Bewertung und des Selbstbestimmungsrechts der Schwangeren sowie Ärzte, verstanden und akzeptiert werden. Ein flächendeckendes Beratung- und Versorgungsangebot ist notwendig, um Paaren in dieser extrem schwierigen Situation bestmöglich zu helfen und vermeidbaren, organisatorischen Problemen vorzubeugen (Zeitverzug bei der richtigen Diagnosestellung). Die hier erhobenen Daten dienen als Beratungsgrundlage für betroffene Paare und zeigen, dass der Fetozid und das folgende geburtsmedizinische Prozedere bei Durchführung an spezialisierten Perinatalzentren mit einer geringen maternal somatischen Komplikationsrate assoziiert sind. Voraussetzungen sind jedoch ein interdisziplinäres Team mit entsprechender Expertise und Ressourcen.
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Correspondence/Korrespondenzadresse
Publication History
Received: 07 November 2020
Accepted after revision: 12 February 2021
Article published online:
13 July 2021
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