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DOI: 10.1055/a-1773-7696
Kopfschmerzen in der Hausarztpraxis

Kopfschmerzen zählen zu den häufigsten Beratungsanlässen in der Allgemeinmedizin [1]. Von mehr als 350 bekannten Kopfschmerzentitäten sind in der Hausarztpraxis besonders häufig Kopfschmerzen vom Spannungstyp und die Migräne anzutreffen. Auch der Medication Overuse Headache (MOH) ist oft vertreten, wird jedoch nur selten diagnostiziert. Fokus dieses Artikels sollen die Diagnostik und Therapie dieser drei Kopfschmerzformen sein.
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Eine medikamentöse Prophylaxe (i.d.R. mit Amitriptylin) sollte mit nicht medikamentösen Therapien (Stressbewältigung, Entspannungsverfahren) kombiniert, und physikalische Therapien sowie Biofeedback (sofern verfügbar) sollten in das Therapiekonzept integriert werden.
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Die medikamentöse Therapie sollte zwecks Verbesserung der Verträglichkeit und Akzeptanz langsam eingeschlichen werden (Kontraindikationen beachten!). EKG- sowie Laborkontrollen sollten vor Therapiebeginn sowie nach jeder Dosissteigerung erfolgen.
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Bei Limitation der Verträglichkeit von Amitriptylin kann ein Wechsel zu Mirtazapin durchaus lohnenswert sein.
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Die Aufklärung über die Latenz bis zum erwarteten Wirkeintritt von 2–4 Wochen nach Erreichen der Zieldosis sowie über häufige Nebenwirkungen ist empfehlenswert (Reduktion vorzeitiger Therapieabbrüche).
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frühestmögliche Behandlung (Voraussetzung: Ausschluss MOH)
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ergänzende Verhaltenstherapie (Reizabschirmung), da die Schmerzen zwar behandelt sind, die Attacke aber im Hintergrund weiterläuft
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ausreichende Dosis und ggf. Anpassung der Attackenmedikation (z.B. langwirksames Triptan, Kombination mit langwirksamen NSAR), um einen Wiederkehrkopfschmerz zu verhindern
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Einnahme von Triptanen und möglichst auch Monoanalgetika an weniger als 10 Tagen pro Monat. Mischanalgetika sind möglichst zu vermeiden!
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Limitiert beispielsweise Übelkeit/Erbrechen die orale Medikamenteneinnahme, sollte in der Selbstmedikation an eine alternative rektale (z.B. Dimenhydrinat, Metamizol, Diclofenac), nasale (Sumatriptan, Zolmitriptan) oder subkutane (Sumatriptan) Applikation gedacht werden.
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Spannungskopfschmerzen sollten nur ausnahmsweise akutanalgetisch behandelt werden.
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Mischanalgetika sollten aufgrund der großen Gefahr, einen MOH zu entwickeln, gemieden werden.
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Zur Vermeidung eines MOH sollten Analgetika und Triptane an maximal 10 Tagen pro Monat eingesetzt werden. Bei drohendem MOH ist eine (prophylaktische) Analgetikapause für die nächste Migräneattacke sinnvoll.
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Die Attackenmedikation bei Migräne sollte möglichst früh in ausreichender Dosis und passender Darreichungsform eingesetzt werden (Entscheidungshilfe: Triptanschwelle und Triptantabelle). Ggf. sollte eine begleitende antiemetische Therapie erfolgen.
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Nicht medikamentöse und medikamentöse Prophylaktika haben einen hohen Stellenwert in der Therapie chronischer Kopfschmerzen. Die Auswahl sollte individuell und mit dem Patienten getroffen werden und erreichbare Therapieziele kommuniziert werden.
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Wichtig ist das Führen eines (digitalen) Kopfschmerzkalenders.
Schlüsselwörter
MOH - Migräne - Spannungskopfschmerz - Analgetikapause - Medikamentenübergebrauch - AnalgetikakopfschmerzPublikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
31. Mai 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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