CC BY-NC-ND 4.0 · Z Gastroenterol 2023; 61(04): 381-389
DOI: 10.1055/a-1852-9822
Originalarbeit

Diagnostik erhöhter Leberwerte in der Primärversorgung – Befunde einer Studienreihe aus haus- und fachärztlicher Perspektive

Clarification of increased liver values in primary care – Findings from a series of studies from a general practitioner and specialist perspective
Julian Wangler
1   Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Germany
,
Michael Jansky
1   Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Germany
› Institutsangaben

Zusammenfassung

Hintergrund In der Primärversorgung treten Leberwerterhöhungen häufig als Zufallsbefund in Erscheinung. Neben der Beachtung von Symptomen ist für eine effektive Abklärung entscheidend, welche Leberwerte als Indikatoren einbezogen und wann Patient*innen zur weiterführenden Diagnostik überwiesen werden. Ebenso kommt es auf eine geregelte Zusammenarbeit zwischen haus- und fachärztlicher Versorgungsebene an. Bislang fehlt es für den deutschsprachigen Raum an belastbaren Erkenntnissen über den Status quo hinsichtlich der Abklärung (unklarer) Leberwerterhöhungen im niedergelassenen und hausärztlichen Bereich. Der Überblicksartikel komprimiert die Bilanz einer explorativen Studienreihe, deren Ziel darin bestand, eine Bestandsaufnahme hinsichtlich des Status quo der hausarztbasierten Diagnostik (unklar) erhöhter Leberwerte zu leisten. Aus den Ergebnissen werden Ansatzpunkte einer Optimierung abgeleitet.

Methodik Zwischen 2017 und 2021 wurden 4 schriftliche Befragungen von Hausärzt*innen und gastroenterologischen Fachärzt*innen in verschiedenen Bundesländern durchgeführt. Die vorliegende Studienbilanz diskutiert die Gesamtbefunde komprimiert auf übergeordneter Ebene, geht jedoch auch auf spezifische Befunde ein.

Ergebnisse Mit Blick auf Abklärung erhöhter Leberwerte zeigen sich diverse Herausforderungen und Problematiken. So ziehen Hausärzt*innen stark unterschiedliche Laborparameter heran (95% γ-GT, 65% AST, 63% ALT), die sich in verschiedenen Clustern bündeln. Im Fall erhöhter Leberwerte präferiert eine Mehrheit der Hausärzt*innen ein kontrolliertes Zuwarten (66%), macht allerdings im Alltag oft aufgrund von diagnostischen Unsicherheiten von direkten Überweisungen zu Spezialist*innen Gebrauch (40%). In der Zusammenarbeit mit gastroenterologischen Fachärzt*innen bestehen aus hausärztlicher Sicht Schnittstellenprobleme, die u.a. mit der im Vorfeld geleisteten Abklärung sowie dem Überweisungszeitpunkt einhergehen. Sowohl Haus- als auch Fachärzt*innen erachten die Einführung eines evidenzbasierten Diagnosealgorithmus als wichtigen Ansatz für die Verbesserung der Früherkennung sowie eine bessere Koordination zwischen den Versorgungsebenen (80% bzw. 85%).

Diskussion Es sollte darauf hingewirkt werden, zu einer stärkeren Professionalisierung und Vereinheitlichung der primärärztlichen Diagnostik beizutragen und die Zusammenarbeit mit gastroenterologischen Spezialisten besser zu strukturieren. Dazu zählen ein breiteres Angebot von Fortbildungsformaten, die Entwicklung eines validierten Diagnosepfads und die feste Verankerung einer leberwertassoziierten Blutuntersuchung im Rahmen des Check-ups. Auch die Entwicklung einer hausarztbasierten Leitlinie zum Umgang mit erhöhten Leberwerten erscheint ratsam.

Abstract

Introduction In primary care, elevated liver values are often an incidental finding. In addition to observing symptoms, it is crucial for an effective clarification which liver values are included as indicators and when patients are referred for further diagnostics. It also depends on regular cooperation between general practitioner and specialist care level. So far, there has been a lack of reliable studies for German-speaking countries on the status quo with regard to the clarification of (unclear) elevated liver values in primary care. This overview article compresses the balance of an exploratory series of studies, the aim of which was to take stock of the general practitioner’s diagnostics of (unclear) elevated liver values. Starting points for optimizing GP care are derived from the results.

Methods and participants Between 2017 and 2021, four written surveys of general practitioners and gastroenterological specialists were carried out in different federal states. The present study review discusses the overall findings in a condensed manner at a higher level, but also deals with specific findings.

Results When it comes to clarifying elevated liver values, there are various challenges and problems in general practitioner care. For example, GPs use widely different liver-associated laboratory parameters (95% γ-GT, 65% AST, 63% ALT) that are bundled in different clusters. In the case of elevated liver values, the majority of general practitioners prefer to wait in a controlled manner (66%), but often make use of direct and early referrals to specialists in everyday practice due to diagnostic uncertainties (40%). When working with gastroenterological specialists, there are various interface problems, which, among other things, are associated with the GP’s preliminary clarification and the time of referral. Both GPs and specialists see the introduction of a structured, evidence-based diagnostic algorithm as an important approach for improving early detection and better coordination between the levels of care (80% respective 85%).

Discussion It makes sense to take measures that contribute to the professionalization and standardization of general practitioner diagnostics and better structure cooperation with gastroenterological specialists. These include, for example, a broader range of training and advanced training formats, the development of a validated diagnostic pathway or the permanent establishment of a liver value-associated blood test as part of the check-up. The development of a well-founded GP-based guideline for the detection and handling of elevated liver values also appears advisable.

Kernaussagen
  • Erhöhte Leberwerte treten als häufiger Zufallsbefund in der hausärztlichen Versorgung auf. Neben der Beachtung von Symptomen ist für eine effektive Abklärung entscheidend, welche Leberwerte als Indikatoren einbezogen und wann Patienten zur weiterführenden Diagnostik überwiesen werden.

  • Die frühzeitige, konsequente Identifizierung und Abklärung (unklarer) Leberwerterhöhungen ist in der Hausarztpraxis derzeit aufgrund diverser Hürden und Herausforderungen nicht immer möglich. Um die Effektivität der primärärztlichen Versorgung zu steigern, erscheint es ratsam, Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer verstärkten Professionalisierung und Vereinheitlichung der Diagnostik beitragen und die Zusammenarbeit mit gastroenterologischen Spezialist*innen besser strukturieren.

  • Ein validierter, evidenzbasierter Diagnosealgorithmus zur Einordnung und Bewertung erhöhter Leberwerte kann in Verbindung mit gezielten hausärztlichen Schulungs- und Fortbildungsformaten ein wertvolles Instrument sein, um Hausärzt*innen bei der Diagnostik zu unterstützen und die Versorgungskette konsequenter zu gestalten.



Publikationsverlauf

Eingereicht: 05. Januar 2022

Angenommen nach Revision: 04. April 2022

Artikel online veröffentlicht:
14. Juli 2022

© 2022. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany