Zusammenfassung
Hintergrund Die gesundheitlichen Bedarfe Geflüchteter ergeben sich
nicht nur aus Expositionen während Krieg und Flucht. Auch Determinanten
aus dem Lebenslauf und etabliertes Gesundheitsverhalten spielen eine Rolle. Wir
untersuchten daher die gesundheitliche Lage in der Ukraine vor der russischen
Invasion 2022 und ihre Relevanz für die Versorgung ukrainischer
Geflüchteter in Deutschland aus Sicht des Öffentlichen
Gesundheitsdienstes (ÖGD).
Methode Rapid Review in der Medline-Datenbank sowie Suche in
einschlägigen ukrainischen und internationalen Gesundheitsdatenbanken.
Narrative Synthese der Ergebnisse, gefolgt von einer Priorisierung der
Gesundheitsprobleme und Maßnahmen durch zwei Mediziner mithilfe des
Risikomatrix-Ansatzes.
Ergebnisse Niedrige Impfquoten bestehen bei Covid-19 und führen zu
Ausbrüchen in Unterkünften. Bei Masern und anderen
Grundimmunisierungen bestehen Impflücken überwiegend bei
älteren Kindern; 2–5-Jährige haben die zweite
Masernimpfung noch nicht erhalten. HIV- und Tuberkulose-Therapien können
durch die Flucht unterbrochen sein. Kommen zunehmend ältere
Geflüchtete, so stehen aufgrund der Flucht unzureichend behandelte
Herz-Kreislauferkrankungen und vorbestehende psychische Traumatisierung sowie
ggf. akut therapiebedürftige Krebserkrankungen im Vordergrund. Bei
ukrainischen Geflüchteten kann ein Misstrauen gegenüber mit dem
Staat assoziierten Gesundheitsmaßnahmen bestehen, wie die
Impflücken zeigen.
Schlussfolgerung Der Zugang Geflüchteter zu kurativer und
präventiver Gesundheitsversorgung sollte ohne bürokratische
Hürden und Einschränkungen gewährleistet werden. Durch
die Analyse von Gesundheitsstatistiken der Ukraine sowie wissenschaftlicher
Publikationen können Angebote des ÖGD besser angepasst und ein
Fehleinsatz von Ressourcen vermieden werden.
Abstract
Background Health needs of refugees are not only determined by exposure to
war and fleeing. Determinants during the life course also play a role. We
therefore examined the health situation in Ukraine before Russia’s
invasion in 2022 and its relevance for health care for Ukrainian refugees in
Germany from the perspective of the Public Health Service.
Method Rapid search in the Medline data base, and in relevant Ukrainian
and international health data bases; narrative synthesis of findings, followed
by a prioritization of health problems and interventions by two medical doctors,
using the risk matrix approach.
Results Immunization coverage is low for Covid-19, resulting in outbreaks
in refugee shelters. There are vaccination gaps for measles and other basic
immunizations, particularly in older children; children aged 2–5 years
have not received the second measles dose. HIV and TB therapies may be
interrupted due to the need to flee. Among elderly refugees, insufficiently
treated cardiovascular diseases and pre-existing psychological trauma as well as
cancers in need of acute care predominate. Ukrainian refugees may mistrust
state-associated health measures, as the vaccination gaps indicate.
Conclusion Refugees should be able to access curative and preventive
health care without bureaucratic obstacles and entitlement restrictions.
Analyzing Ukrainian health statistics and respective scientific publications
helps the Public Health Service to adapt its interventions, and to avoid
inefficient allocation of resources.
Schlüsselwörter Ukraine - Deutschland - Krieg - Geflüchtete - Gesundheitsbedarfe - Öffentlicher Gesundheitsdienst
Key words Ukraine - Germany - War - Refugees - Health needs - Public Health Service