Zusammenfassung
Einleitung In Hinblick auf den Umgang mit transgeschlechtlichen Personen in der DDR verzeichnet
die derzeitige Forschung Leerstellen. Über die Lebensumstände dieser Menschen lassen
sich bis auf wenige Einzelschicksale kaum Aussagen treffen. Bisherige Arbeiten beschränken
sich auf den Großraum Berlin, doch auch in Leipzig kann in Bezug auf Transgeschlechtlichkeit
eine organisierte medizinische Betreuung nachgewiesen werden.
Forschungsziele Im Folgenden ist aufzuzeigen, wie sich das Universitätsklinikum Leipzig als DDR-Behandlungszentrum für Transgeschlechtlichkeit etablierte und welche Bedeutung
der Sexualwissenschaftlerin Lykke Aresin in diesem Kontext zukommt.
Methoden Unter Berücksichtigung des derzeitigen Forschungsstandes wird die Entwicklung der
medizinischen und juristischen Grundpositionen zum Thema Transgeschlechtlichkeit in
der DDR dargelegt und mithilfe einer Falldarstellung ein Geschlechtswechsel verdeutlicht.
Mittels Analyse verschiedener zeitgenössischer Publikationen kann die Entwicklung
von Leipzig als spezialisiertes Behandlungszentrum nachgewiesen werden.
Ergebnisse Bis Mitte der 1970er-Jahre waren Geschlechtsangleichungen in der DDR juristisch nicht
geregelt. Folglich mussten transgeschlechtliche Menschen enorme administrative Hürden
überwinden, um Geschlechtswechsel zu erreichen. Lykke Aresin setzte sich in ihrer
Beratungsstelle in Leipzig bereits in den 1960er-Jahren mit dem Thema Transgeschlechtlichkeit
auseinander. Sie legte Grundlagen dafür, dass sich in Leipzig ein spezielles Netzwerk
etablieren konnte, das bis Anfang der 1990er-Jahre Geschlechtsangleichungen begleitete.
Schlussfolgerung Am Universitätsklinikum Leipzig bestand ein sensibilisiertes und hochspezialisiertes
Team, das sich der Behandlung von transgeschlechtlichen Menschen annahm und als multiprofessionelles
Zentrum genitalangleichende Operationen anbot. Geschlechtsangleichungen wurden in
der DDR somit auch außerhalb der Berliner Charité organisiert. Hinweise, dass eine solche Zentrenbildung seitens des DDR-Staates angeregt
wurde, lassen sich nicht eruieren. Somit ist davon auszugehen, dass medizinische Expert*innengruppen
Handlungsspielräume außerhalb der staatlichen Einflusssphäre nutzten und die Betreuung
von transgeschlechtlichen Personen ermöglichten.
Abstract
Introduction Knowledge about the treatment of transgender persons in the GDR remains deficient.
Beyond a few individual cases, hardly any statements can be made about the living
conditions of these people. Previous research has focused on the greater Berlin area,
but there is evidence that comprehensive transgender care also existed in Leipzig.
Objectives The following paper assesses how the University Hospital Leipzig established itself as a GDR transgender care center as well as the impact that sexologist
Lykke Aresin had in this context.
Methods The development of medical and legal points of view on the subject of transgender
in the GDR is retraced from research literature and a case study is used to illustrate
the transition process implemented at this time. An analysis of various publications
is able to show the development of Leipzig as a transgender care center.
Results Until the mid-1970s, gender transitions in the GDR were not legally regulated. Consequently,
transgender people had to overcome enormous administrative hurdles in order to achieve
their gender transition. As early as the 1960 s, Lykke Aresin addressed the issue
of transgender in her counseling center in Leipzig. She laid the foundations for the
establishment of a special network in Leipzig that assisted transitions until the
early 1990 s.
Conclusion The University Hospital Leipzig housed a unique team that focused on transgender
care and offered genital reassignment surgeries as part of a multiprofessional center.
Gender transitions in the GDR were thus also handled professionally outside of the
Berlin Charité hospital. There are no indications that the GDR state encouraged the formation of
such centers. It can therefore be assumed that medical expert groups made use of scopes
for action outside the state’s sphere of influence and facilitated the development
of care for transgender persons.
Schlüsselwörter
Lykke Aresin - Geschlechtswechsel - Sexualwissenschaft - Trans* - Transgeschlechtlichkeit
in der DDR
Keywords
Lykke Aresin - sex change - sexology - trans - transgender in the GDR